Diese Lektüre hätte ich fast frühzeitig abgebrochen; nicht nur, dass ich den Anfang recht hakelig empfand, sondern ich war mir, eigentlich während der kompletten ersten Hälfte, auch völlig unsicher, ob es sich hierbei um einen „regulären“ Thriller oder um einen Jugendthriller handeln würde: Dass
Jazz im Spektrum ist, wird als Tatsache zwar deutlich herausgestellt, äußert sich aber hauptsächlich…mehrDiese Lektüre hätte ich fast frühzeitig abgebrochen; nicht nur, dass ich den Anfang recht hakelig empfand, sondern ich war mir, eigentlich während der kompletten ersten Hälfte, auch völlig unsicher, ob es sich hierbei um einen „regulären“ Thriller oder um einen Jugendthriller handeln würde: Dass Jazz im Spektrum ist, wird als Tatsache zwar deutlich herausgestellt, äußert sich aber hauptsächlich dadurch, dass sie neben einem gewissen Ordnungsspleen, absolut jede Redewendung wörtlich nimmt und da ständig mit einem ungläubigen „das geht ja gar nicht!“ reagiert und immer wieder nachhaken muss, was etwas eigentlich bedeutet.
Zugleich wurde später deutlich, dass Jazz sich regulär durch das Abitur gekämpft hatte, und nun ja, ich habe vorletzten Monat einer 7Jährigen erklärt, was gemeint war, als jemand zu ihr sagte, sie wolle immer mit dem Kopf durch die Wand – und ich finde es nach wie vor unglaubwürdig, dass eine junge Erwachsene mit Abitur, und ob nun mit oder ohne Autismus, bis dahin niemals über absolut gängige Redewendungen und Sprichwörter gestolpert sein sollte, deren Bedeutung sie nicht längst erklärt bekommen, und sich vor Allem gemerkt, hätte. Jazz war mir da weniger autistisch als viel mehr völlig weltfremd dargestellt, denn ich kann mich nun an eigentlich keine Unterhaltung erinnern, in der sie ihrem Gegenüber nicht attestierte, „komisch“ zu sein und etwas (faktisch) völlig Unmögliches gesagt zu haben. Das war mir einfach zu viel, zumal es sämtlich um alltägliche Idiome ging und an keiner Stelle um eine Redensart oder Metapher, die generell eher unbekannt gewesen wäre.
Dann beginnt der Roman damit, dass Jazz‘ Zwillingsschwester nach einem Casting spurlos verschwindet (was im Übrigen eher lässig abgehandelt wurde), ihre Mutter zuvor schon nicht zu erreichen war… und einer Rückblende, in der ein offensichtlicher Kidnapper ein Opfer ermordet, wobei in kursiven Einschüben kapitelweise immer wieder erzählt wird, was dieser Täter aktuell anstellt – ohne dass sich ein Zusammenhang erschließt, zumal Jazz‘ und Danikas Mutter absolut nicht so dargestellt wird, als fiele sie da in das offensichtliche Beuteschema. Da verbarg sich für mich auch mein größtes Problem mit der Geschichte: Die Auflösung ist letztlich zwar in sich schlüssig, aber zunächst deutet alles daraufhin, dass der Täter lediglich ein bestimmtes Beuteschema verfolgt, das seine Opfer zufällig erfüllen, und plötzlich klingt es als wäre hier nun eine ganze Familie gezielt anvisiert worden. Da habe ich tatsächlich auch überlegt, ob es da überhaupt den einen „Tätererzähler“ gäbe (obschon dessen Stil immer gleich blieb) oder diese Einschübe von mehreren Personen stammen könnten, weil es einfach so zusammenhanglos wirkte, dass nun eben eine Familie attackiert werden sollte – zumal aus diesen Schilderungen auch nicht klar hervorging, wen der erzählende Täter da aktuell folterte; das hätte einfach jede Frau sein können.
Nach dem ersten Fünftel schien mir der Roman aber weitaus strukturierter; ein bisschen so als habe die Autorin nun endlich den Faden ergreifen können, von dem sie wirklich erzählen wolle, und ab da habe ich „Spiegelmädchen“ auch als soliden, aber bösen Thriller (hier wird wirklich viel gefoltert und gemordet; das war für mich nun lediglich eine Stufe unter Simone Trojahns Büchern) empfunden. Ein bisschen schwer habe ich mich allerdings damit getan, dass sich zwischen Jazz und einem der Polizisten noch eine Romanze anbahnte; das war in meinen Augen eher überflüssig und von seiner Seite aus auch absolut unprofessionell.
Aber die letzten 80% waren meinem Empfinden nach sehr spannend erzählt; ab da habe ich den Roman auch in einem Rutsch gelesen und das ist es, was mich dann doch vier Sterne vergeben lässt. Dezimalstellen erlaubend würde ich „Spiegelmädchen“ nun bei 3,8 Sternen eingeordnet haben, wobei ich wirklich mit mir geringen habe, ob ich diesem Buch nicht eher nur abgestufte drei Sterne geben solle, denn fast wäre er ja einfach nur ein DNF (did not finish) geworden. Allerdings kann ich mir sehr gut vorstellen, auch einem weiteren Werk Montejanos noch eine Chance zu geben, vor Allem in der Hoffnung, dass es dabei eingangs nicht noch so hakt.