»Nicht, daß ich mich für einen Maler hielte,
aber das Malen ist wunderschön. Man hat
nachher nicht, wie beim Schreiben, schwarze
Finger, sondern rote und blaue.«
Hermann Hesse
Das Doppeltalent als Maler und Dichter teilt Hermann Hesse mit vielen seiner Schriftstellerkollegen, so u.a. mit Goethe, Gottfried Keller und Adalbert Stifter, mit Wilhelm Busch und Joachim Ringelnatz, Henry Miller, Peter Weiss und Günter Grass. Seit seinen autodidaktischen Anfängen im Ersten Weltkrieg, die dem damals Vierzigjährigen eine schwere Krise zu überwinden halfen, hat Hesse bis ins hohe Alter etwa 2000 Aquarelle gemalt. Die meisten von ihnen sind Liebeserklärungen an die farbenfrohen Landschaften seiner Tessiner Wahlheimat und ihren damals noch unerschöpflichen Reichtum an zauberhaften Motiven.
Im Verlauf der letzten beiden Jahrzehnte ist es geglückt, einen Großteil dieser Bilder aufzufinden und der öffentlichkeit zugänglich zu machen. In mehr als fünfzig Ausstellungen in den USA, Kanada, Australien oder Japan und den europäischen Ländern haben sie sich als Publikumsmagneten erwiesen. Unser Band enthält die bisher umfassendste Auswahl der schönsten bildnerischen Arbeiten des Dichters. In ihrer farbigen Leuchtkraft haben diese Blätter etwas Saftiges und Lebensbejahendes, gerade weil sie, wie oft in der Kunst, einem eher melancholischen Lebensgefühl entstammen.
Der mehr als 200 Reproduktionen und einen einführenden Essay von Volker Michels enthaltende Band ist das reichhaltigste und repräsentativste Werk über Hermann Hesse als Maler.
aber das Malen ist wunderschön. Man hat
nachher nicht, wie beim Schreiben, schwarze
Finger, sondern rote und blaue.«
Hermann Hesse
Das Doppeltalent als Maler und Dichter teilt Hermann Hesse mit vielen seiner Schriftstellerkollegen, so u.a. mit Goethe, Gottfried Keller und Adalbert Stifter, mit Wilhelm Busch und Joachim Ringelnatz, Henry Miller, Peter Weiss und Günter Grass. Seit seinen autodidaktischen Anfängen im Ersten Weltkrieg, die dem damals Vierzigjährigen eine schwere Krise zu überwinden halfen, hat Hesse bis ins hohe Alter etwa 2000 Aquarelle gemalt. Die meisten von ihnen sind Liebeserklärungen an die farbenfrohen Landschaften seiner Tessiner Wahlheimat und ihren damals noch unerschöpflichen Reichtum an zauberhaften Motiven.
Im Verlauf der letzten beiden Jahrzehnte ist es geglückt, einen Großteil dieser Bilder aufzufinden und der öffentlichkeit zugänglich zu machen. In mehr als fünfzig Ausstellungen in den USA, Kanada, Australien oder Japan und den europäischen Ländern haben sie sich als Publikumsmagneten erwiesen. Unser Band enthält die bisher umfassendste Auswahl der schönsten bildnerischen Arbeiten des Dichters. In ihrer farbigen Leuchtkraft haben diese Blätter etwas Saftiges und Lebensbejahendes, gerade weil sie, wie oft in der Kunst, einem eher melancholischen Lebensgefühl entstammen.
Der mehr als 200 Reproduktionen und einen einführenden Essay von Volker Michels enthaltende Band ist das reichhaltigste und repräsentativste Werk über Hermann Hesse als Maler.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.01.2006Palettenwanderer
Mit Sonnenhut: Eine Würdigung Hermann Hesses als Maler
Viele Menschen haben Hesse in ihrer Jugend gelesen, und immer noch lesen viele junge Menschen Hesse, weil die Jugend eine Brutzeit ist, in der man nicht so recht weiß, warum und wie und wohin. Da findet man in den Erzählungen Hesses die ersten Lebenssinnhängematten, in denen man schaukeln kann, bis man Mut gewonnen hat und glaubt, sich selbst und alles drum rum besser zu verstehen. Die Welt ist in einen ersten dünnen Rahmen gestellt, und Dinge und Menschen haben ihren ersten Platz eingenommen. Wir sehen: Da leuchten die Grundfarben einer existentiellen Ordnung im harten Weiß der Nöte.
Diese Farben findet man auch, wenn man sich Hesses Aquarelle in dem vorliegenden schönen Band anschaut. Klingsor und Demian und die anderen luftigen Erdgeister und erdschweren Luftgestalten aus seinem erzählerischen Werk schweben vorbei. Hesse hat sich das Malen während des Ersten Weltkrieges beigebracht. Er lebte damals in der Schweiz, ihm ging es nicht gut, er litt an Depressionen. Der Psychoanalytiker ermutigte den Dichter zu neuen sinnenfrischen Eindrücken, zum Malen.
Mehrere tausend Aquarelle sind daraus entstanden. Seine Bilder hat Hesse bald, das war Anfang der zwanziger Jahre, ausgestellt, die Kritik war vernichtend, doch das hat er ertragen und weitergemalt. Hesse malte, wie man so sagt: nach der Natur. Menschen und Tiere hätte er gerne auch gemalt, aber das konnte er nicht, so weit reichte seine Kunstfertigkeit nicht. Statt darüber zu verzweifeln, hat er sich dareingefunden. Er freute sich über Himmel, Wolken, Bäume, Sträucher, Häuser, Wege und Berge seines geliebten Tessins, packte zuversichtlich seine Malutensilien ein und zog in die Natur - und malte Himmel, Wolken, Bäume, Sträucher, Häuser, Wege und Berge. Er saß mit seinem Sonnenhut auf dem Kopfe für Stunden im Grünen, rührte die Farben an, führte den Pinsel und brachte Licht in seine Seele.
Wenn wir uns jetzt die Bilder anschauen, dann murmeln wir angesichts der luftigen Landschaften aus Sonne und Farben nicht nur immer wieder Nietzsches Wort: "Der Norden ist ein Irrtum" -, sondern wir schauen auch mit einem bewundernden Auge auf den Dichter. Denn Hesse, wie er so dasitzt auf seinem Stuhl im Freien, den Farbkasten neben sich und das Papier vor sich, hat trotz aller Zweifel und trotz aller psychischen Schwächeanfälle an sich festzuhalten gewußt, er sank nicht vor den Aufgaben in die Knie, so daß die Aufgaben noch größer, noch unüberwindlicher geworden wären - er ließ sich nicht wie ein Kanarienvogel in einen kalten Käfig aus Gewohnheiten und Verzagtheiten sperren, sondern er fing einfach an - mit dem Malen und merkte: Da war noch mehr fürs Leben und Lebensgefühl zu erfahren. Etwas tun - das hilft, nicht nur bei Hesse.
Der russische Schriftsteller Andrej Belyj, bekannt geworden vor allem durch seinen wilden, 1913 erschienenen Roman "Petersburg", war von 1914 bis 1916 ebenfalls in der Schweiz, nicht vor der Natur, sondern bei Rudolf Steiner in Dornach. Von Steiner, den er einige Jahre zuvor das erste Mal getroffen hatte, erwartete er Weisung und Weisheit. Zu Beginn seines Aufenthalts in Dornach sei er einmal, schreibt Belyj in aufgeregten Erinnerungen an das Zusammensein mit dem bewunderten Steiner, unsicher gewesen, ob ihm bestimmte Meditationsübungen gelingen würden, und er habe Steiner nach dessen Meinung gefragt. Der resolute Steiner habe ihm angesichts dieses zögerlichen, das Leben nur paralysierenden Verhaltens klipp und klar geantwortet: Hier wird nicht gefragt, hier wird gehandelt. Im Fall Hesse hieß das: Hier wird nicht verzagt, hier wird gemalt.
EBERHARD RATHGEB
Hermann Hesse: "Spiel mit Farben". Der Dichter als Maler. Hrsg. von Volker Michels. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2005. 276 S., geb., Abb., 49,80 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Mit Sonnenhut: Eine Würdigung Hermann Hesses als Maler
Viele Menschen haben Hesse in ihrer Jugend gelesen, und immer noch lesen viele junge Menschen Hesse, weil die Jugend eine Brutzeit ist, in der man nicht so recht weiß, warum und wie und wohin. Da findet man in den Erzählungen Hesses die ersten Lebenssinnhängematten, in denen man schaukeln kann, bis man Mut gewonnen hat und glaubt, sich selbst und alles drum rum besser zu verstehen. Die Welt ist in einen ersten dünnen Rahmen gestellt, und Dinge und Menschen haben ihren ersten Platz eingenommen. Wir sehen: Da leuchten die Grundfarben einer existentiellen Ordnung im harten Weiß der Nöte.
Diese Farben findet man auch, wenn man sich Hesses Aquarelle in dem vorliegenden schönen Band anschaut. Klingsor und Demian und die anderen luftigen Erdgeister und erdschweren Luftgestalten aus seinem erzählerischen Werk schweben vorbei. Hesse hat sich das Malen während des Ersten Weltkrieges beigebracht. Er lebte damals in der Schweiz, ihm ging es nicht gut, er litt an Depressionen. Der Psychoanalytiker ermutigte den Dichter zu neuen sinnenfrischen Eindrücken, zum Malen.
Mehrere tausend Aquarelle sind daraus entstanden. Seine Bilder hat Hesse bald, das war Anfang der zwanziger Jahre, ausgestellt, die Kritik war vernichtend, doch das hat er ertragen und weitergemalt. Hesse malte, wie man so sagt: nach der Natur. Menschen und Tiere hätte er gerne auch gemalt, aber das konnte er nicht, so weit reichte seine Kunstfertigkeit nicht. Statt darüber zu verzweifeln, hat er sich dareingefunden. Er freute sich über Himmel, Wolken, Bäume, Sträucher, Häuser, Wege und Berge seines geliebten Tessins, packte zuversichtlich seine Malutensilien ein und zog in die Natur - und malte Himmel, Wolken, Bäume, Sträucher, Häuser, Wege und Berge. Er saß mit seinem Sonnenhut auf dem Kopfe für Stunden im Grünen, rührte die Farben an, führte den Pinsel und brachte Licht in seine Seele.
Wenn wir uns jetzt die Bilder anschauen, dann murmeln wir angesichts der luftigen Landschaften aus Sonne und Farben nicht nur immer wieder Nietzsches Wort: "Der Norden ist ein Irrtum" -, sondern wir schauen auch mit einem bewundernden Auge auf den Dichter. Denn Hesse, wie er so dasitzt auf seinem Stuhl im Freien, den Farbkasten neben sich und das Papier vor sich, hat trotz aller Zweifel und trotz aller psychischen Schwächeanfälle an sich festzuhalten gewußt, er sank nicht vor den Aufgaben in die Knie, so daß die Aufgaben noch größer, noch unüberwindlicher geworden wären - er ließ sich nicht wie ein Kanarienvogel in einen kalten Käfig aus Gewohnheiten und Verzagtheiten sperren, sondern er fing einfach an - mit dem Malen und merkte: Da war noch mehr fürs Leben und Lebensgefühl zu erfahren. Etwas tun - das hilft, nicht nur bei Hesse.
Der russische Schriftsteller Andrej Belyj, bekannt geworden vor allem durch seinen wilden, 1913 erschienenen Roman "Petersburg", war von 1914 bis 1916 ebenfalls in der Schweiz, nicht vor der Natur, sondern bei Rudolf Steiner in Dornach. Von Steiner, den er einige Jahre zuvor das erste Mal getroffen hatte, erwartete er Weisung und Weisheit. Zu Beginn seines Aufenthalts in Dornach sei er einmal, schreibt Belyj in aufgeregten Erinnerungen an das Zusammensein mit dem bewunderten Steiner, unsicher gewesen, ob ihm bestimmte Meditationsübungen gelingen würden, und er habe Steiner nach dessen Meinung gefragt. Der resolute Steiner habe ihm angesichts dieses zögerlichen, das Leben nur paralysierenden Verhaltens klipp und klar geantwortet: Hier wird nicht gefragt, hier wird gehandelt. Im Fall Hesse hieß das: Hier wird nicht verzagt, hier wird gemalt.
EBERHARD RATHGEB
Hermann Hesse: "Spiel mit Farben". Der Dichter als Maler. Hrsg. von Volker Michels. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2005. 276 S., geb., Abb., 49,80 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Eberhard Rathgeb freut sich, dass Hermann Hesse nicht nur als Schriftsteller, sondern nun auch als Maler bekannter wird. Den von Volker Michels herausgegebenen Band mit Aquarellen findet er "schön", obwohl er konstatiert, dass Hesses Künste nicht zum Malen von Menschen und Tieren ausreichen. Umso besser gefällt ihm, dass er in den Naturbildern Figuren, "luftige Erdgeister und erdschwere Luftgestalten" aus Hesses literarischem Werk wieder findet. Das Beste jedoch ist, dass all die Aquarelle in einer Zeit entstanden sind, in der der Schriftsteller an Depressionen litt. Dass er sich weder davon noch von der späteren "vernichtenden" Kritik an seinen Bildern unterkriegen ließ, ringt dem Rezensenten Respekt ab.
© Perlentaucher Medien GmbH
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