Berlin, Ende der neunziger Jahre, eine Stadt zwischen Provinzialität und Szeneleben. In Neukölln und Prenzlauer Berg - genauer in der Thomas- und der Sonnenburger Straße - treffen beide Welten aufeinander.
Da sind zum Beispiel Elida und Jason, zwei Paradiesvögel in Neukölln, die in schrillen Siebziger-Jahre-Klamotten herumlaufen, in mehr oder minder seriösen Jobs Geld verdienen, meist aber nur Musik hören, in der Badewanne liegen und miteinander schlafen. Von den Nachbarn werden die beiden Traumtänzer neugierig-wohlwollend beobachtet, von einem biederen Angestellten sogar vom Dach einer Friedhofsgruft observiert. So wie das Szenepaar der Inbegriff der unausgelebten Sehnsüchte der Leute ringsum ist, so dient der Thomasfriedhof als Ort nichtalltäglicher, abgehobener Aktivitäten: für Partys oder eben Spannereien. Für die jungen Leute ist Neukölln trotzdem ein langweiliger, fast verslumter Bezirk, ohne Szene, Spaßkultur oder Events.
Die gerade findet man im Prenzlauer Berg, und darumzieht auch die Studentin Katharina dorthin. Sie trifft auf Szenegänger zwischen zwanzig und dreißig, die ständig auf der Suche nach angesagten Locations sind, Eventhunting betreiben und natürlich ihr freizügiges Sexleben ausstellen. Dennoch holen sie auch hier Gewöhnung und Überdruß ein - und plötzlich geht es einfach wieder um so etwas Altmodisches wie Liebe.
Ein rasanter Patchwork-Roman über das Szeneleben in Berlin zwischen Eventhunting, Hipness, Überdruß und der Hoffnung auf so etwas Altmodisches wie Liebe.
"Aus einem Augenwinkel sehe ich noch, wie die beiden in ihrer über und über mit blauen Plastikblumen dekorierten Badewanne liegen, Kiwis löffeln und ihre Zungen über ihre Körper gleiten lassen. Müssen sie denn nie einmal Dinge tun, wie den Müll runtertragen oder Schuhcreme kaufen?"
Ein Roman voller merkwürdiger Geschichten und durchgeknallter Gestalten.
Da sind zum Beispiel Elida und Jason, zwei Paradiesvögel in Neukölln, die in schrillen Siebziger-Jahre-Klamotten herumlaufen, in mehr oder minder seriösen Jobs Geld verdienen, meist aber nur Musik hören, in der Badewanne liegen und miteinander schlafen. Von den Nachbarn werden die beiden Traumtänzer neugierig-wohlwollend beobachtet, von einem biederen Angestellten sogar vom Dach einer Friedhofsgruft observiert. So wie das Szenepaar der Inbegriff der unausgelebten Sehnsüchte der Leute ringsum ist, so dient der Thomasfriedhof als Ort nichtalltäglicher, abgehobener Aktivitäten: für Partys oder eben Spannereien. Für die jungen Leute ist Neukölln trotzdem ein langweiliger, fast verslumter Bezirk, ohne Szene, Spaßkultur oder Events.
Die gerade findet man im Prenzlauer Berg, und darumzieht auch die Studentin Katharina dorthin. Sie trifft auf Szenegänger zwischen zwanzig und dreißig, die ständig auf der Suche nach angesagten Locations sind, Eventhunting betreiben und natürlich ihr freizügiges Sexleben ausstellen. Dennoch holen sie auch hier Gewöhnung und Überdruß ein - und plötzlich geht es einfach wieder um so etwas Altmodisches wie Liebe.
Ein rasanter Patchwork-Roman über das Szeneleben in Berlin zwischen Eventhunting, Hipness, Überdruß und der Hoffnung auf so etwas Altmodisches wie Liebe.
"Aus einem Augenwinkel sehe ich noch, wie die beiden in ihrer über und über mit blauen Plastikblumen dekorierten Badewanne liegen, Kiwis löffeln und ihre Zungen über ihre Körper gleiten lassen. Müssen sie denn nie einmal Dinge tun, wie den Müll runtertragen oder Schuhcreme kaufen?"
Ein Roman voller merkwürdiger Geschichten und durchgeknallter Gestalten.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.04.1999Das Leben, eine Kleiderfrage
Tanja Dückers übernimmt sich am Berlin-Roman
Tanja Dückers hat sich darangemacht, einen Hauptstadt-Roman zu schreiben, und sie hat dabei der Generation X, den Party-Kids und Jüngern der Love Parade, aufs Maul geschaut. Herausgekommen ist ein Bilderbogen mit Berliner Szenen, die zunächst in der Neuköllner Thomasstraße, dann auf dem Prenzlauer Berg spielen. Und da die Verfasserin die Meinung ihrer Figuren zu teilen scheint, daß es nichts Schlimmeres unter der Sonne gibt als Spießer, die einer geregelten Arbeit nachgehen, sich unauffällig kleiden und womöglich auch in einer monogamen, heterosexuellen Partnerschaft leben, bevölkert sie die Berliner Straßen mit einer Menge schriller Gestalten.
Die vierzehnjährige Laura und ihre Freundinnen leiden unter ihren toleranten Eltern, Achtundsechzigern wie aus dem Bilderbuch, die gewissenhaft ihren Müll trennen, für alles und jeden Verständnis haben und in den Ferien Wildwasserfahrten in der Ukraine planen. Aber zum Glück trifft Laura genug interessante Menschen, ihre bewunderte Cousine Ada und deren Freunde etwa, alle "superabgebrüht, supergleichgültig, superbisexuell". Vor allem letzteres muß bewiesen werden, und so treibt es die Figuren zueinander, damit sie es um so heftiger treiben können: zu zweit, zu dritt oder in der Gruppe, in der Badewanne, auf dem Balkon, mit oder ohne Zuschauer, und auch Schokoladencreme kann dabei eine Rolle spielen. Laura allerdings träumt den Jungmädchentraum von einem besonderen ersten Mal - nicht "so larifari, fickifucki". Deshalb läuft sie dem Boygroup-Sänger enttäuscht davon, als er nach dem Konzert zur Sache kommen will.
Doch Tanja Dückers hat sich mehr vorgenommen, als nur Innenansichten einer Szene zu schildern, die auf Außenstehende schnell fade wirkt, weshalb sie denn auch einige der verachteten Spießer zu Wort kommen läßt. Nur fällt es ihr schwer, hier die richtige Tonlage zu treffen. Herr Lämmle, Betriebsleiter im Abwasserpumpwerk mit voyeuristischen Neigungen und schriftstellerischen Ambitionen, scheint seinen Text jedenfalls streckenweise dem Drehbuch eines Rühmann-Films entlehnt zu haben: "Hach, Gisela ist bestimmt schon längst zu Hause, und ich muß mich verdünnisieren", seufzt der brave Mann und packt sein Fernglas ein, mit dem er täglich das schillernde Paar im Hippie-Look beobachtet, das seinen Phantasien von einem freien Leben reichlich Nahrung gibt.
Begriffsstutzigen Lesern präsentiert Tanja Dückers schließlich die Moral ihrer Berliner Geschichten, denn Studentin Cat räsonniert mit soziologischem Sachverstand über ihren Umzug von Neukölln auf den Prenzlauer Berg: "Beide Bezirke sind so etwas wie Tummelplätze für überdrehte und verschrobene Existenzen und weisen darin einige Ähnlichkeiten auf. Begriffe wie ,Ost' und ,West' greifen doch längst nicht mehr. Da ist etwas anderes entstanden. Ich will nicht sagen, etwas Neues. Aber etwas anderes." Das also soll das neue Berlin sein: eine einzige Spielzone.
Für solche Reflexionen bleibt den Figuren des Buches jedoch wenig Zeit; viel zu sehr sind die jungen Großstädter mit sich selbst beschäftigt. Zu ihren drängendsten Problemen gehört die Frage nach dem angemessenen Outfit, aber auch da wissen Laura und Ada Rat. Die bunteste und billigste Ausrüstung für nächtliche Streifzüge über Friedhöfe oder durch überflutete Partykeller gibt es nämlich in den Filialen einer bestimmten Kaufhauskette, lautet der penetrant wiederholte Einkaufstip. So offenbart sich am Ende die eigentliche Botschaft des Romans in der Proklamation von Markennamen. Man sollte der Autorin empfehlen, ihr nächstes Buch gleich von diesem schwedischen Bekleidungskonzern fördern zu lassen. SABINE DOERING
Tanja Dückers: "Spielzone". Roman. Aufbau Verlag, Berlin 1999, 206 S., geb., 34,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Tanja Dückers übernimmt sich am Berlin-Roman
Tanja Dückers hat sich darangemacht, einen Hauptstadt-Roman zu schreiben, und sie hat dabei der Generation X, den Party-Kids und Jüngern der Love Parade, aufs Maul geschaut. Herausgekommen ist ein Bilderbogen mit Berliner Szenen, die zunächst in der Neuköllner Thomasstraße, dann auf dem Prenzlauer Berg spielen. Und da die Verfasserin die Meinung ihrer Figuren zu teilen scheint, daß es nichts Schlimmeres unter der Sonne gibt als Spießer, die einer geregelten Arbeit nachgehen, sich unauffällig kleiden und womöglich auch in einer monogamen, heterosexuellen Partnerschaft leben, bevölkert sie die Berliner Straßen mit einer Menge schriller Gestalten.
Die vierzehnjährige Laura und ihre Freundinnen leiden unter ihren toleranten Eltern, Achtundsechzigern wie aus dem Bilderbuch, die gewissenhaft ihren Müll trennen, für alles und jeden Verständnis haben und in den Ferien Wildwasserfahrten in der Ukraine planen. Aber zum Glück trifft Laura genug interessante Menschen, ihre bewunderte Cousine Ada und deren Freunde etwa, alle "superabgebrüht, supergleichgültig, superbisexuell". Vor allem letzteres muß bewiesen werden, und so treibt es die Figuren zueinander, damit sie es um so heftiger treiben können: zu zweit, zu dritt oder in der Gruppe, in der Badewanne, auf dem Balkon, mit oder ohne Zuschauer, und auch Schokoladencreme kann dabei eine Rolle spielen. Laura allerdings träumt den Jungmädchentraum von einem besonderen ersten Mal - nicht "so larifari, fickifucki". Deshalb läuft sie dem Boygroup-Sänger enttäuscht davon, als er nach dem Konzert zur Sache kommen will.
Doch Tanja Dückers hat sich mehr vorgenommen, als nur Innenansichten einer Szene zu schildern, die auf Außenstehende schnell fade wirkt, weshalb sie denn auch einige der verachteten Spießer zu Wort kommen läßt. Nur fällt es ihr schwer, hier die richtige Tonlage zu treffen. Herr Lämmle, Betriebsleiter im Abwasserpumpwerk mit voyeuristischen Neigungen und schriftstellerischen Ambitionen, scheint seinen Text jedenfalls streckenweise dem Drehbuch eines Rühmann-Films entlehnt zu haben: "Hach, Gisela ist bestimmt schon längst zu Hause, und ich muß mich verdünnisieren", seufzt der brave Mann und packt sein Fernglas ein, mit dem er täglich das schillernde Paar im Hippie-Look beobachtet, das seinen Phantasien von einem freien Leben reichlich Nahrung gibt.
Begriffsstutzigen Lesern präsentiert Tanja Dückers schließlich die Moral ihrer Berliner Geschichten, denn Studentin Cat räsonniert mit soziologischem Sachverstand über ihren Umzug von Neukölln auf den Prenzlauer Berg: "Beide Bezirke sind so etwas wie Tummelplätze für überdrehte und verschrobene Existenzen und weisen darin einige Ähnlichkeiten auf. Begriffe wie ,Ost' und ,West' greifen doch längst nicht mehr. Da ist etwas anderes entstanden. Ich will nicht sagen, etwas Neues. Aber etwas anderes." Das also soll das neue Berlin sein: eine einzige Spielzone.
Für solche Reflexionen bleibt den Figuren des Buches jedoch wenig Zeit; viel zu sehr sind die jungen Großstädter mit sich selbst beschäftigt. Zu ihren drängendsten Problemen gehört die Frage nach dem angemessenen Outfit, aber auch da wissen Laura und Ada Rat. Die bunteste und billigste Ausrüstung für nächtliche Streifzüge über Friedhöfe oder durch überflutete Partykeller gibt es nämlich in den Filialen einer bestimmten Kaufhauskette, lautet der penetrant wiederholte Einkaufstip. So offenbart sich am Ende die eigentliche Botschaft des Romans in der Proklamation von Markennamen. Man sollte der Autorin empfehlen, ihr nächstes Buch gleich von diesem schwedischen Bekleidungskonzern fördern zu lassen. SABINE DOERING
Tanja Dückers: "Spielzone". Roman. Aufbau Verlag, Berlin 1999, 206 S., geb., 34,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Dückers lässt einfach die Typen...plaudern: ...sie alle erzählen uns von ihren Träumen, ihren Wünschen, ihrem Überdruss, ihren Lebenszwängen. Und so schafft die Autorin das Kunststück, dem Leser auch die abgedrehtesten Figuren ein Stückchen näher zu bringen - und das, was in den Straßen Berlins passiert, der vielleicht spannendsten Stadt Europas." Brigitte 20010613