In a captivating and compelling voice that ranks with many of the greatest memoirists, Laura Bush tells the story of her unique path from dusty Midland, Texas, to the world stage as First Lady. She captures presidential life in the frantic and fearful months after 9/11, and humorously lifts the curtain on what really happens inside the White House.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.05.2010Präsident am Frühstückstisch, ratlos
Die Memoiren von Laura Bush schildern ein liebendes Paar, das sich in die Geschichte verirrt
Ihre Schuld am Unfalltod eines engen Freundes raubt ihr für viele Jahre den Glauben an die Existenz Gottes.
Immer noch bleibt die Amtszeit von George W. Bush ein Rätsel: Was hat er sich dabei gedacht? Wie war das möglich?
Die nun erschienenen Memoiren seiner Frau, der ehemaligen First Lady, bringen Licht ins Dunkel. Das Urteil des Lesers fällt dann aber, entgegen der Intention des Buchs, nicht günstiger aus, im Gegenteil. Laura Bush ist eine hervorragende Autorin. Es gelingt ihr, Bilder und Szenen zu beschreiben, in denen sich eine Erkenntnis, ein Moment der Wahrheit verdichtet. Doch dieses literarische Talent verträgt sich nicht mit der politischen Absicht: Im Fall von George W. Bush gibt es, so zeigt es uns dieses Buch, nur die Wahl zwischen einer wahrheitsgetreuen dichten Beschreibung und einer historisch-politischen günstigen Darstellung. Beides geht nicht.
Im ersten Teil schafft Laura Bush eine faszinierende Beschreibung ihrer Kindheit und Jugend in einem seltsamen Ort dieser Erde, der Ölstadt Midland in Texas. Ihre Darstellung lässt an Carson McCullers denken, manchmal auch an Tennessee Williams oder gar David Lynch. Es ist eine Idylle von atemberaubender Flachheit, in die ab und zu etwas hereingeweht kommt. Zur Weihnachtszeit werden die Tumbleweeds je zu dritt zusammengebunden, mit einem weißen Spray eingefärbt und als texanischer Schneemann vor das Haus gestellt. Ihr Vater baut Häuser für Ölarbeiter, flache, günstige Kästen. Die Mutter ist stark kurzsichtig, Linkshänderin und liest viel. Sie wünscht sich über alles ein weiteres Kind, erleidet aber eine Reihe von Fehlgeburten. Laura wächst in einem seltsamen Mangelzustand auf. Die Mutter erfindet für sie eine sehr seltsame Freizeitbeschäftigung, das "solo Picknick", das darin bestand, das kleine Mädchen allein in einen nahen Park zu schicken, damit sie dort unter Bäumen ihr Sandwich zu sich nimmt, ganz allein.
Sie liest viel, genau wie ihre Mutter, wobei die Lektüre stets als Kompensation für einen unbestimmten Mangel beschrieben wird. Mit ihrer Mutter besucht sie am liebsten die Stadtbücherei. Als habe sich ein einfallsloser Freudianer etwas aus den Fingern gesaugt, schreibt sie, dass die Bücherei das einzige unterkellerte Gebäude in ganz Midland war. "Um hineinzugehen, mussten wir Stufen hinabsteigen, in die Kühle eines Untergeschosses. Allein darum war der Besuch sehr aufregend."
Laura Bush wächst als ein Mädchen auf, das unter der texanischen Oberfläche noch etwas anderes vermutet. Viele Frauen ihrer Generation hat diese Vermutung zu genauerer Nachfrage und schließlich zur Kritik und Emanzipation motiviert, bei Laura Bush kam es anders. Bei ihr entstand der existentielle Wunsch nach einer Bejahung noch der wackligsten Verhältnisse, aber der entsprang keiner theoretischen Überlegung, sondern einer höllischen Erfahrung.
An einem Abend im November 1963 fuhr sie mit einer Freundin zu einer Party, als sie ein Stoppschild überfuhr. Der schwere Chevrolet Impala, den sie sich von ihrem Vater geborgt hatte, rammte einen viel kleineren Wagen. Erst am nächsten Morgen erfuhr sie, dass der Fahrer des Wagens ihr Freund Mike war und dass er an den Folgen des Unfalls gestorben sei. Sie hat diese Schuld nie überwunden. In Midland, schreibt sie, ging man nicht zu einem Therapeuten. Nicht mal ihren Töchtern hat sie davon erzählt, sie hörten es zufällig von einem texanischen Leibwächter der Familie. Sie verlor, für viele Jahre, ihren Glauben.
Es folgt eine lange, mühsame Wiederaneignung der Welt. Laura Bush arbeitet als Lehrerin. Einige der schönsten Passagen des Buchs gelten ihrer Arbeit mit unterprivilegierten Kindern in diversen texanischen Großstädten. Und als alle die Hoffnung, sie würde endlich eine eigene Familie gründen, schon aufgegeben hatten, lernt sie einen kennen, der in seiner Familie auch als hoffnungsloser Fall gilt, denjenigen der Bush-Söhne, dem nichts gelingen will. So hangelt sich das Ehepaar durch das Leben in Midland, trinkt zu viel und wartet auf eigene Kinder, die sich nicht einstellen wollen. Kontakt zu den Bush-Eltern gibt es kaum.
Irgendwann aber braucht der Mann, der bislang nirgends reüssierte, einen Beruf: "Wie manche ihrem Vater in die Medizin folgen, oder die Schreinerei übernehmen oder auch Geschäftsmänner werden, so folgte auch er seinem Vater und machte aus der Politik seinen Beruf."
In all den Kapiteln über das Leben in Midland findet sich keine Erörterung politischer Fragen. Den Tod Kennedys, die Abdankung Nixons, alles verfolgt Laura Bush am Fernsehen, bügelnd. Es gibt keine Auslandsreisen und keine Debatten, keine wichtigen Begegnungen oder prägenden Lektüren. Dafür seitenweise schöne und inspirierte Naturbeschreibungen.
Das Glück kehrt zurück in ihr Leben und die Erde scheint etwas belastbarer, als, nach einer Hormonbehandlung, ihre Zwillinge geboren werden und George später zum Gouverneur von Texas gewählt wird. Amerika glänzt, die Wirtschaft floriert, statt eines Defizits verdient man mit dem Staat sogar eine Menge Geld. Es kann also gar nichts schiefgehen, als ihr Mann sich anschickt, Präsident zu werden. Beim Schwiegervater hatte es doch auch so gut geklappt - und der hatte noch die Sowjetunion zu beerdigen.
Die Welt stürzt aber wieder ein. Die Attentate vom 11. September 2001 rauben ihr und ihrem Mann jede Gewissheit. Weil es ein neuartiger Krieg war, mit zuvor unbekannten Gegnern, fehlte ihm jedes Instrument, jedes Urteilsvermögen, mit der neuen Weltlage umzugehen. Aber auch die First Lady findet nicht zu ihrer Rolle. Die jungen Frauen und Kinder der Kabinettsmitglieder und der Mitarbeiter müssen getröstet und beruhigt werden. Laura Bush schreibt, dass vor allem die Ehefrau des damaligen Außenministers Colin Powell, Alma, es war, die diese Aufgabe übernommen hat. Sie selbst ist ratlos, ihr Mann auch. Sie beschreibt, wie er einmal zum Himmel blickt und murmelt: "Ich kämpfe gegen einen Feind, den ich nicht sehen kann." Bush hat sich auf Cheney und Rumsfeld verlassen müssen, eine souveräne eigene Einschätzung der Lage hatte er nicht. Laura Bush schreibt, dass ihnen manchmal fehlerhafte Dossiers unterbreitet wurden. Einmal schenkten sie dem südkoreanischen Präsidenten eine Bowlingkugel, für dessen Hobby, aber der Mann hatte so was noch nie gesehen und erschrak. Solche kleinen Fehler, schreibt sie, passierten. Aber dass man George sagt, Saddam verfüge über ABC-Waffen, obwohl das gar nicht stimmte - das hatte sie sich nun wirklich nicht vorstellen können.
Als im "New Yorker" die Fotos aus Abu Ghraib abgebildet waren, ist der Präsident am Frühstückstisch ratlos. Irgendwas läuft schief. Aber was? Hatte man ihm nicht gesagt, dass seine Dienste systematisch diese fiesen Foltermethoden anwenden, in Abu Ghraib und Hunderten von inoffiziellen, sogenannten "schwarzen" Gefängnissen weltweit?
Die Bushs, das Paar an der Spitze, tappen im Dunkeln, jahrelang. Aus der Welt war eine Geisterbahn geworden. Dazu passt der Verdacht, sie seien in Heiligendamm vergiftet worden. Auf den Grund geht sie der Sache freilich nicht. Denn eigentlich will sie es lieber gar nicht so genau wissen.
Laura Bushs Lieblingsbuch ist Laura Ingalls Wilders "Unsere kleine Farm", die Hymne auf den familiären Zusammenhalt in schweren Zeiten, in der die Welt weit und wild ist. Ihre schönsten Momente, schreibt sie, waren die Stunden am Morgen, als sie und George, jeder mit einem Baby im Arm, im Bett ihren Kaffee tranken. Die Bushs sind nette, gute Leute. Aber er wählte den falschen Beruf.
NILS MINKMAR
Laura Bush: "Spoken from the Heart". Scribner 2010, 456 Seiten, ca. 21,60 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die Memoiren von Laura Bush schildern ein liebendes Paar, das sich in die Geschichte verirrt
Ihre Schuld am Unfalltod eines engen Freundes raubt ihr für viele Jahre den Glauben an die Existenz Gottes.
Immer noch bleibt die Amtszeit von George W. Bush ein Rätsel: Was hat er sich dabei gedacht? Wie war das möglich?
Die nun erschienenen Memoiren seiner Frau, der ehemaligen First Lady, bringen Licht ins Dunkel. Das Urteil des Lesers fällt dann aber, entgegen der Intention des Buchs, nicht günstiger aus, im Gegenteil. Laura Bush ist eine hervorragende Autorin. Es gelingt ihr, Bilder und Szenen zu beschreiben, in denen sich eine Erkenntnis, ein Moment der Wahrheit verdichtet. Doch dieses literarische Talent verträgt sich nicht mit der politischen Absicht: Im Fall von George W. Bush gibt es, so zeigt es uns dieses Buch, nur die Wahl zwischen einer wahrheitsgetreuen dichten Beschreibung und einer historisch-politischen günstigen Darstellung. Beides geht nicht.
Im ersten Teil schafft Laura Bush eine faszinierende Beschreibung ihrer Kindheit und Jugend in einem seltsamen Ort dieser Erde, der Ölstadt Midland in Texas. Ihre Darstellung lässt an Carson McCullers denken, manchmal auch an Tennessee Williams oder gar David Lynch. Es ist eine Idylle von atemberaubender Flachheit, in die ab und zu etwas hereingeweht kommt. Zur Weihnachtszeit werden die Tumbleweeds je zu dritt zusammengebunden, mit einem weißen Spray eingefärbt und als texanischer Schneemann vor das Haus gestellt. Ihr Vater baut Häuser für Ölarbeiter, flache, günstige Kästen. Die Mutter ist stark kurzsichtig, Linkshänderin und liest viel. Sie wünscht sich über alles ein weiteres Kind, erleidet aber eine Reihe von Fehlgeburten. Laura wächst in einem seltsamen Mangelzustand auf. Die Mutter erfindet für sie eine sehr seltsame Freizeitbeschäftigung, das "solo Picknick", das darin bestand, das kleine Mädchen allein in einen nahen Park zu schicken, damit sie dort unter Bäumen ihr Sandwich zu sich nimmt, ganz allein.
Sie liest viel, genau wie ihre Mutter, wobei die Lektüre stets als Kompensation für einen unbestimmten Mangel beschrieben wird. Mit ihrer Mutter besucht sie am liebsten die Stadtbücherei. Als habe sich ein einfallsloser Freudianer etwas aus den Fingern gesaugt, schreibt sie, dass die Bücherei das einzige unterkellerte Gebäude in ganz Midland war. "Um hineinzugehen, mussten wir Stufen hinabsteigen, in die Kühle eines Untergeschosses. Allein darum war der Besuch sehr aufregend."
Laura Bush wächst als ein Mädchen auf, das unter der texanischen Oberfläche noch etwas anderes vermutet. Viele Frauen ihrer Generation hat diese Vermutung zu genauerer Nachfrage und schließlich zur Kritik und Emanzipation motiviert, bei Laura Bush kam es anders. Bei ihr entstand der existentielle Wunsch nach einer Bejahung noch der wackligsten Verhältnisse, aber der entsprang keiner theoretischen Überlegung, sondern einer höllischen Erfahrung.
An einem Abend im November 1963 fuhr sie mit einer Freundin zu einer Party, als sie ein Stoppschild überfuhr. Der schwere Chevrolet Impala, den sie sich von ihrem Vater geborgt hatte, rammte einen viel kleineren Wagen. Erst am nächsten Morgen erfuhr sie, dass der Fahrer des Wagens ihr Freund Mike war und dass er an den Folgen des Unfalls gestorben sei. Sie hat diese Schuld nie überwunden. In Midland, schreibt sie, ging man nicht zu einem Therapeuten. Nicht mal ihren Töchtern hat sie davon erzählt, sie hörten es zufällig von einem texanischen Leibwächter der Familie. Sie verlor, für viele Jahre, ihren Glauben.
Es folgt eine lange, mühsame Wiederaneignung der Welt. Laura Bush arbeitet als Lehrerin. Einige der schönsten Passagen des Buchs gelten ihrer Arbeit mit unterprivilegierten Kindern in diversen texanischen Großstädten. Und als alle die Hoffnung, sie würde endlich eine eigene Familie gründen, schon aufgegeben hatten, lernt sie einen kennen, der in seiner Familie auch als hoffnungsloser Fall gilt, denjenigen der Bush-Söhne, dem nichts gelingen will. So hangelt sich das Ehepaar durch das Leben in Midland, trinkt zu viel und wartet auf eigene Kinder, die sich nicht einstellen wollen. Kontakt zu den Bush-Eltern gibt es kaum.
Irgendwann aber braucht der Mann, der bislang nirgends reüssierte, einen Beruf: "Wie manche ihrem Vater in die Medizin folgen, oder die Schreinerei übernehmen oder auch Geschäftsmänner werden, so folgte auch er seinem Vater und machte aus der Politik seinen Beruf."
In all den Kapiteln über das Leben in Midland findet sich keine Erörterung politischer Fragen. Den Tod Kennedys, die Abdankung Nixons, alles verfolgt Laura Bush am Fernsehen, bügelnd. Es gibt keine Auslandsreisen und keine Debatten, keine wichtigen Begegnungen oder prägenden Lektüren. Dafür seitenweise schöne und inspirierte Naturbeschreibungen.
Das Glück kehrt zurück in ihr Leben und die Erde scheint etwas belastbarer, als, nach einer Hormonbehandlung, ihre Zwillinge geboren werden und George später zum Gouverneur von Texas gewählt wird. Amerika glänzt, die Wirtschaft floriert, statt eines Defizits verdient man mit dem Staat sogar eine Menge Geld. Es kann also gar nichts schiefgehen, als ihr Mann sich anschickt, Präsident zu werden. Beim Schwiegervater hatte es doch auch so gut geklappt - und der hatte noch die Sowjetunion zu beerdigen.
Die Welt stürzt aber wieder ein. Die Attentate vom 11. September 2001 rauben ihr und ihrem Mann jede Gewissheit. Weil es ein neuartiger Krieg war, mit zuvor unbekannten Gegnern, fehlte ihm jedes Instrument, jedes Urteilsvermögen, mit der neuen Weltlage umzugehen. Aber auch die First Lady findet nicht zu ihrer Rolle. Die jungen Frauen und Kinder der Kabinettsmitglieder und der Mitarbeiter müssen getröstet und beruhigt werden. Laura Bush schreibt, dass vor allem die Ehefrau des damaligen Außenministers Colin Powell, Alma, es war, die diese Aufgabe übernommen hat. Sie selbst ist ratlos, ihr Mann auch. Sie beschreibt, wie er einmal zum Himmel blickt und murmelt: "Ich kämpfe gegen einen Feind, den ich nicht sehen kann." Bush hat sich auf Cheney und Rumsfeld verlassen müssen, eine souveräne eigene Einschätzung der Lage hatte er nicht. Laura Bush schreibt, dass ihnen manchmal fehlerhafte Dossiers unterbreitet wurden. Einmal schenkten sie dem südkoreanischen Präsidenten eine Bowlingkugel, für dessen Hobby, aber der Mann hatte so was noch nie gesehen und erschrak. Solche kleinen Fehler, schreibt sie, passierten. Aber dass man George sagt, Saddam verfüge über ABC-Waffen, obwohl das gar nicht stimmte - das hatte sie sich nun wirklich nicht vorstellen können.
Als im "New Yorker" die Fotos aus Abu Ghraib abgebildet waren, ist der Präsident am Frühstückstisch ratlos. Irgendwas läuft schief. Aber was? Hatte man ihm nicht gesagt, dass seine Dienste systematisch diese fiesen Foltermethoden anwenden, in Abu Ghraib und Hunderten von inoffiziellen, sogenannten "schwarzen" Gefängnissen weltweit?
Die Bushs, das Paar an der Spitze, tappen im Dunkeln, jahrelang. Aus der Welt war eine Geisterbahn geworden. Dazu passt der Verdacht, sie seien in Heiligendamm vergiftet worden. Auf den Grund geht sie der Sache freilich nicht. Denn eigentlich will sie es lieber gar nicht so genau wissen.
Laura Bushs Lieblingsbuch ist Laura Ingalls Wilders "Unsere kleine Farm", die Hymne auf den familiären Zusammenhalt in schweren Zeiten, in der die Welt weit und wild ist. Ihre schönsten Momente, schreibt sie, waren die Stunden am Morgen, als sie und George, jeder mit einem Baby im Arm, im Bett ihren Kaffee tranken. Die Bushs sind nette, gute Leute. Aber er wählte den falschen Beruf.
NILS MINKMAR
Laura Bush: "Spoken from the Heart". Scribner 2010, 456 Seiten, ca. 21,60 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main