Der Einsatz deutscher Soldaten in Afghanistan wird immer riskanter. Schuld daran ist eine Politik, die mit militärischen Mitteln vorgeblich Frieden in das Land am Hindukusch bringen will - und die Lage doch nur immer mehr verschärft. Die wahren Motive des Nato-Einsatzes werden verschwiegen: Es geht um Rohstoffe, um den Bau von Pipelines und nicht zuletzt um strategische Vorteile gegenüber dem Iran und China. So wird Terror nicht bekämpft, sondern erzeugt.
Christoph R. Hörstel, einer der besten Kenner des Landes, deckt die Hintergründe des militärischen Engagements der USA und ihrer willigen Helfer auf und sagt im Detail, was geschehen muss, um dem seit Jahrzehnten von Krieg und Gewalt heimgesuchten Land endlich Frieden zu bringen.
Christoph R. Hörstel, einer der besten Kenner des Landes, deckt die Hintergründe des militärischen Engagements der USA und ihrer willigen Helfer auf und sagt im Detail, was geschehen muss, um dem seit Jahrzehnten von Krieg und Gewalt heimgesuchten Land endlich Frieden zu bringen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.02.2008Verblüffende Mischung
Christoph Hörstels Friedensplan für Afghanistan
Was wollen wir eigentlich am Hindukusch? Und was wollen die anderen Nationen dort, die sich an der Operation Enduring Freedom (OEF) und an der International Security Assistance Force (Isaf) beteiligen? Wer kann in Afghanistan als Sprecher für mehr als nur jeweils einen kleinen Teil der Bevölkerung auftreten? Wie lassen sich die verschiedenen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Interessen auf nationaler Ebene ausbalancieren? Wie kann man die Probleme der Gewalt, der Kriminalität, des Drogenhandels und der Korruption abmildern? Solche und noch ein Dutzend mehr Fragen werden von Politikern, Militärs, Journalisten und akademischen Experten, die sich hierzulande mit Afghanistan beschäftigen, seit 2001 debattiert. Jüngstens mit wachsendem Unbehagen. Denn es läuft nicht gut in Afghanistan. Der Schwung und der Optimismus der rot-grünen Koalition bezüglich einer herausgehobenen Rolle Deutschlands beim Aufbau der kriegs- und krisengeschüttelten afghanischen Nation sind längst verflogen. Was tun?
Drei Optionen bieten sich zur Prüfung an, eine davon schlägt Christoph R. Hörstel vor. Erstens (Regierungspolitik) kann man verdrossen/unverdrossen mit der jetzigen Politik fortfahren, einer Mischung aus Terrorbekämpfung, Krieg gegen die wieder erstarkten Taliban und zivilen Aufbauprojekten. Zweitens (Populismus der Linken sowie einiger politischer Außenseiter) kann man alle Verantwortung für die afghanischen Zustände den Amerikanern in die Schuhe schieben und sich aus Afghanistan herausziehen. Drittens (Hörstel) kann man ein Projekt starten, wonach die verfeindeten afghanischen Parteiungen mittels einer kräftigen Aufstockung der Entwicklungshilfe erst auf Provinzebene, dann landesweit zur Abkehr von der Gewalt und zum gemeinsamen Aufbau einer "wahren Demokratie" angeregt werden.
Hörstels Friedensplan für Afghanistan, der - Zitat Egon Bahr auf dem Umschlag - alle Beachtung verdient, ist mit vielen Details über Mediation und Demokratisierung gespickt. Der Autor stellt ihn als einzig gangbaren Ausweg aus der Misere Afghanistans dar. Das ist er aber nur auf dem Papier, denn er verlangt von den Konfliktparteien in einem Ausmaß Verhaltensänderungen, das völlig unrealistisch ist. Wenn man nur die hegemoniesüchtigen Amerikaner von Afghanistan fernhält, dann werden sich alle anderen schon irgendwie einigen, auf dieser Voraussetzung beruht Hörstels Friedensplan. Das ist genau das, was er nun wirklich nicht sein möchte, naiv nämlich.
Alle anderen Kapitel seine Buches, besonders die Schilderung seiner Abenteuerreisen und Begegnungen im Lande seit den achtziger Jahren, dienen im Grunde nur dazu, die eigene Expertise und die eigenen Verbindungen hervorzuheben. Hörstel stilisiert sich dabei als eine Mischung aus Robin Hood und Karl May mit Bart, von seinen afghanischen Gastgebern hoch respektiert, dessen Warnungen und Mahnungen in den deutschen Medien gezielt überhört wurden. Dabei fallen auch harsche Worte, vor allem gegen das öffentlich-rechtliche Fernsehen oder die Stiftung Wissenschaft und Politik, die außenpolitische Denkfabrik der Bundesregierung. Als wirkliche Kenner der Materie gelten ihm nur Peter Scholl-Latour, die Unionspolitiker Gauweiler und Wimmer sowie die Linkspartei. Aus den autobiographisch gehaltenen Teilen des Buches ergibt sich ein zwiespältiges Bild des Autors. Seine Liebe zu Afghanistan und den Menschen dort ist unbezweifelbar, aber nicht frei von kulturellen Romantizismen, politischem Geltungsbedürfnis und außerdem anfällig für Don Quichotterien wie etwa ein dreiwöchiger Hungerstreik vor dem Abgeordnetenhochhaus in Bonn.
Diese Mischung verblüfft erst einmal. Auf der einen Seite liest man bedenkenswerte Sätze wie etwa eine harsche Kritik an dem Vorschlag, das Drogenproblem des Landes durch den Aufkauf und die anschließende Vernichtung einer ganzen Jahresproduktion von Rohopium zu lösen. Dieser Vorschlag wird so zerrupft, dass nichts von ihm übrigbleibt. Auf der anderen Seite ist man mehr als einmal gehalten, zu denken, dass Hörstels "Friedensplan" nichts anderes ist als ein Propagandacoup der Taliban und des hier immer nur als guter Onkel erscheinenden Gulbuddin Hekmatyar. Die Kontakte zu den Taliban und Hekmatyars Islampartei sowie zu Mitgliedern von Al Qaida hat Hörstel offenbar über Jahre gepflegt und rühmt sich ihrer. Das tut er allerdings sehr geschickt. Selbstverständlich entschuldigt er nicht die Brutalitäten, die von diesen Gruppierungen begangen wurden und werden. Aber sie werden in seiner Darstellung zu simplen Fehlern, wohingegen die Militäraktionen von OEF und Isaf als verbrecherisch erscheinen.
Schlimme Unterstellungen, etwa die These, die Amerikaner würden zivile Opfer ihrer Angriffe nicht nur in Kauf nehmen, sondern absichtlich herbeiführen, werden nur angedeutet und bleiben in der Schwebe, sind vielleicht sogar juristisch durchkorrigiert worden. Ein politisches Leitmotiv des Buches ist die Teil-Identifizierung mit islamistischen Gruppierungen. Die geht weit über Empathie hinaus. So gibt es nebenbei Seitenhiebe auf Israel ("an die Kandare nehmen"); die palästinensische Hamas kriegt ein Lob, und an einer Stelle seines Buches verweist der Autor mit unverhohlener Freude auf die 4000 im vorigen Jahr zum Islam konvertierten Deutschen. So verflüchtigt sich während der Lektüre mehr und mehr das Bild eines naiven und wegen seiner mangelnden politischen Resonanz verbitterten Afghanistan-Aficionados. An dessen Stelle tritt das düsterere Bild eines umtriebigen und politisch hochbewusst kalkulierenden Lobbyisten.
WILFRIED VON BREDOW
Christoph R. Hörstel: Sprengsatz Afghanistan. Die Bundeswehr in tödlicher Mission. Knaur Taschenbuch Verlag, München 2007. 287 S., 8,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Christoph Hörstels Friedensplan für Afghanistan
Was wollen wir eigentlich am Hindukusch? Und was wollen die anderen Nationen dort, die sich an der Operation Enduring Freedom (OEF) und an der International Security Assistance Force (Isaf) beteiligen? Wer kann in Afghanistan als Sprecher für mehr als nur jeweils einen kleinen Teil der Bevölkerung auftreten? Wie lassen sich die verschiedenen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Interessen auf nationaler Ebene ausbalancieren? Wie kann man die Probleme der Gewalt, der Kriminalität, des Drogenhandels und der Korruption abmildern? Solche und noch ein Dutzend mehr Fragen werden von Politikern, Militärs, Journalisten und akademischen Experten, die sich hierzulande mit Afghanistan beschäftigen, seit 2001 debattiert. Jüngstens mit wachsendem Unbehagen. Denn es läuft nicht gut in Afghanistan. Der Schwung und der Optimismus der rot-grünen Koalition bezüglich einer herausgehobenen Rolle Deutschlands beim Aufbau der kriegs- und krisengeschüttelten afghanischen Nation sind längst verflogen. Was tun?
Drei Optionen bieten sich zur Prüfung an, eine davon schlägt Christoph R. Hörstel vor. Erstens (Regierungspolitik) kann man verdrossen/unverdrossen mit der jetzigen Politik fortfahren, einer Mischung aus Terrorbekämpfung, Krieg gegen die wieder erstarkten Taliban und zivilen Aufbauprojekten. Zweitens (Populismus der Linken sowie einiger politischer Außenseiter) kann man alle Verantwortung für die afghanischen Zustände den Amerikanern in die Schuhe schieben und sich aus Afghanistan herausziehen. Drittens (Hörstel) kann man ein Projekt starten, wonach die verfeindeten afghanischen Parteiungen mittels einer kräftigen Aufstockung der Entwicklungshilfe erst auf Provinzebene, dann landesweit zur Abkehr von der Gewalt und zum gemeinsamen Aufbau einer "wahren Demokratie" angeregt werden.
Hörstels Friedensplan für Afghanistan, der - Zitat Egon Bahr auf dem Umschlag - alle Beachtung verdient, ist mit vielen Details über Mediation und Demokratisierung gespickt. Der Autor stellt ihn als einzig gangbaren Ausweg aus der Misere Afghanistans dar. Das ist er aber nur auf dem Papier, denn er verlangt von den Konfliktparteien in einem Ausmaß Verhaltensänderungen, das völlig unrealistisch ist. Wenn man nur die hegemoniesüchtigen Amerikaner von Afghanistan fernhält, dann werden sich alle anderen schon irgendwie einigen, auf dieser Voraussetzung beruht Hörstels Friedensplan. Das ist genau das, was er nun wirklich nicht sein möchte, naiv nämlich.
Alle anderen Kapitel seine Buches, besonders die Schilderung seiner Abenteuerreisen und Begegnungen im Lande seit den achtziger Jahren, dienen im Grunde nur dazu, die eigene Expertise und die eigenen Verbindungen hervorzuheben. Hörstel stilisiert sich dabei als eine Mischung aus Robin Hood und Karl May mit Bart, von seinen afghanischen Gastgebern hoch respektiert, dessen Warnungen und Mahnungen in den deutschen Medien gezielt überhört wurden. Dabei fallen auch harsche Worte, vor allem gegen das öffentlich-rechtliche Fernsehen oder die Stiftung Wissenschaft und Politik, die außenpolitische Denkfabrik der Bundesregierung. Als wirkliche Kenner der Materie gelten ihm nur Peter Scholl-Latour, die Unionspolitiker Gauweiler und Wimmer sowie die Linkspartei. Aus den autobiographisch gehaltenen Teilen des Buches ergibt sich ein zwiespältiges Bild des Autors. Seine Liebe zu Afghanistan und den Menschen dort ist unbezweifelbar, aber nicht frei von kulturellen Romantizismen, politischem Geltungsbedürfnis und außerdem anfällig für Don Quichotterien wie etwa ein dreiwöchiger Hungerstreik vor dem Abgeordnetenhochhaus in Bonn.
Diese Mischung verblüfft erst einmal. Auf der einen Seite liest man bedenkenswerte Sätze wie etwa eine harsche Kritik an dem Vorschlag, das Drogenproblem des Landes durch den Aufkauf und die anschließende Vernichtung einer ganzen Jahresproduktion von Rohopium zu lösen. Dieser Vorschlag wird so zerrupft, dass nichts von ihm übrigbleibt. Auf der anderen Seite ist man mehr als einmal gehalten, zu denken, dass Hörstels "Friedensplan" nichts anderes ist als ein Propagandacoup der Taliban und des hier immer nur als guter Onkel erscheinenden Gulbuddin Hekmatyar. Die Kontakte zu den Taliban und Hekmatyars Islampartei sowie zu Mitgliedern von Al Qaida hat Hörstel offenbar über Jahre gepflegt und rühmt sich ihrer. Das tut er allerdings sehr geschickt. Selbstverständlich entschuldigt er nicht die Brutalitäten, die von diesen Gruppierungen begangen wurden und werden. Aber sie werden in seiner Darstellung zu simplen Fehlern, wohingegen die Militäraktionen von OEF und Isaf als verbrecherisch erscheinen.
Schlimme Unterstellungen, etwa die These, die Amerikaner würden zivile Opfer ihrer Angriffe nicht nur in Kauf nehmen, sondern absichtlich herbeiführen, werden nur angedeutet und bleiben in der Schwebe, sind vielleicht sogar juristisch durchkorrigiert worden. Ein politisches Leitmotiv des Buches ist die Teil-Identifizierung mit islamistischen Gruppierungen. Die geht weit über Empathie hinaus. So gibt es nebenbei Seitenhiebe auf Israel ("an die Kandare nehmen"); die palästinensische Hamas kriegt ein Lob, und an einer Stelle seines Buches verweist der Autor mit unverhohlener Freude auf die 4000 im vorigen Jahr zum Islam konvertierten Deutschen. So verflüchtigt sich während der Lektüre mehr und mehr das Bild eines naiven und wegen seiner mangelnden politischen Resonanz verbitterten Afghanistan-Aficionados. An dessen Stelle tritt das düsterere Bild eines umtriebigen und politisch hochbewusst kalkulierenden Lobbyisten.
WILFRIED VON BREDOW
Christoph R. Hörstel: Sprengsatz Afghanistan. Die Bundeswehr in tödlicher Mission. Knaur Taschenbuch Verlag, München 2007. 287 S., 8,95 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Über Christoph R. Hörstels Afghanistan-Buch, in dem der Autor so etwas wie einen "Friedensplan" für Afghanistan aufstellt, hat sich Peter Münch sehr geärgert. Hörstel ist seit den 80er Jahren viel durch Afghanistan gereist, kennt sich in dem Land also aus, räumt der Rezensent ein. Dass er dabei aber mit Vorliebe den paschtunischen Warlord Gulbuddin Hekmatyar begleitet hat, dem man nicht nur Säureangriffe auf unverschleierte Kabuler Frauen nachsagt, sondern dessen Truppen auch am Bürgerkrieg, der die Stadt zerstört hat, maßgeblich beteiligt waren, erregt fassungsloses Unverständnis beim Rezensenten, der kritische Distanz hier vergeblich gesucht hat. So weiß er offenbar kaum, worüber er sich mehr aufregen soll: die Vermessenheit von Hörstel, der allen Ernstes glaubt, eine Lösung für das Afghanistan-Problem zu haben, oder die parteiliche Blickrichtung, die sich ausgerechnet im als "fanatisch und brutal" verrufenen Hekmatyar ihren Gewährsmann sucht.
© Perlentaucher Medien GmbH
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