Diplomarbeit aus dem Jahr 1996 im Fachbereich Pädagogik - Erwachsenenbildung, Note: 1,0, Universität Bremen (Unbekannt), Sprache: Deutsch, Abstract: Inhaltsangabe:Einleitung:
"Warum gerade dieses Thema?" Diese Frage wurde mir oft gestellt, wenn ich mit Freunden und Bekannten über das Thema meiner Diplomarbeit gesprochen habe. Das Interesse am Thema ging einher mit einer Vorsicht beim detaillierteren Nachfragen danach, welche seelischen Auswirkungen der Holocaust auf die Überlebenden und ihre Kinder hat. Fast so etwas wie eine "ängstliche Scheu" vor dem Leid der von dem Naziterror Verfolgten - diese Reaktion begegnete mir häufig.
Aus meiner Flüchtlings- und Asylarbeit kenne ich dieses Gefühl, diese Scheu vor der konkreten Vorstellung dessen, was verfolgten und gefolterten Menschen angetan wird. Verfolgten und gefolterten Flüchtlingen, die aus dem Iran, der Türkei oder anderen Ländern hier Asyl suchen, wird häufig mit diesem Abwehrmechanismus begegnet. Wenn sie Einzelheiten ihrer Folterung schildern (können), stellt sich manchmal eine (kalte) Stille und ein unbewußter Widerstand bei den Zuhörern ein. Dies habe ich auch bei mir bemerkt: Trotz aller Empathie blieb ein Rest von Abwehr: "Ich kann das nicht alles hören, ich will es mir nicht vorstellen können, weil nicht sein darf, was so unfaßbar grausam ist".
Während der Arbeit im Bremer Flüchtlingsrat stellten wir fest, daß es für Flüchtlinge in Bremen kein Angebot gibt, das sich mit den psychischen und physischen Folgen von Verfolgung, Folter und Flucht beschäftigt. Ein Ergebnis unserer Bemühungen darum war 1990 die Gründung des Psychosozialen Zentrums für ausländische Flüchtlinge, "Refugio". In dieser Zeit beschäftigte ich mich mit Behandlungsmethoden für Flüchtlinge und Folteropfer und bemerkte, daß nur wenig Publikationen darüber existierten. Viele Fachleute bezogen sich auf die Erkenntnisse und Erfahrungen aus der Behandlung und Unterstützung von Überlebenden des Holocaust.
In diesem Kontext haben mich die Interviews von Helen Epstein, einer Tochter von Überlebenden und ihre Interviews mit anderen Töchtern und Söhnen ("Die Kinder des Holocaust", 1990) nachhaltig beeindruckt. Bis dahin war mir, obwohl ich mich eingehend mit dem Nationalsozialismus auseinandergesetzt hatte, nicht deutlich, welche schmerzhaften Spuren das Naziregime - über Generationen hinweg - im Seelenleben von Menschen hinterlassen hat. Mir fiel auf, daß in der Erinnerungs- und Gedenkarbeit wenig über die psychischen Folgen gesprochen wurde.
Kurze Zeit später besuchte ich im Rahmen meiner Tätigkeit als Bildungsreferentin bei der Bremischen Evangelischen Kirche den Ort Lidice in der tschechischen Republik. Lidice wurde 1942 von den Nationalsozialisten völlig vernichtet - eine willkürliche Vergeltung für das Attentat auf Heydrich in Prag. Marie Supikova war ein Kind, als Lidice zerstört und ihre Familie ermordet wurde. Als Überlebende und engagierte Zeitzeugin hat sie immer wieder gegen das Vergessengesprochen. Die herzliche Begegnung mit ihr hat mich sehr berührt und mir die Schatten des Holocaust erneut deutlich gemacht.
"Die Vergangenheit läßt sich nicht von der Gegenwart trennen", sagte Marie Supikova einmal. "Der Mensch, der viel verloren hat, muß irgendwie weiterleben. Man kann nie vergessen, aber ich wollte weiterleben."
Im Rahmen der Gedenkveranstaltungen zum 50. Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus in Bremen, hatte ich im vergangenen Jahr die Gelegenheit, mit der israelischen Schauspielerin Gila Almagor zu sprechen (siehe Interview im Anhang). Gila Almagor gehört als Tochter einer verfolgten jüdischen Mutter zur zweiten Generation der Überlebenden. In ihrem Film Aviyas Sommer erinnert sie an ihre Kindheit. Es ist eine Kindheit die geprägt war von der Sorge um die Mutter, einer Mutter, die an den Folgen des Holocaust zerbrochen ist.
Die Begegnung mit Gila Almagor hat mich sehr bes...
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"Warum gerade dieses Thema?" Diese Frage wurde mir oft gestellt, wenn ich mit Freunden und Bekannten über das Thema meiner Diplomarbeit gesprochen habe. Das Interesse am Thema ging einher mit einer Vorsicht beim detaillierteren Nachfragen danach, welche seelischen Auswirkungen der Holocaust auf die Überlebenden und ihre Kinder hat. Fast so etwas wie eine "ängstliche Scheu" vor dem Leid der von dem Naziterror Verfolgten - diese Reaktion begegnete mir häufig.
Aus meiner Flüchtlings- und Asylarbeit kenne ich dieses Gefühl, diese Scheu vor der konkreten Vorstellung dessen, was verfolgten und gefolterten Menschen angetan wird. Verfolgten und gefolterten Flüchtlingen, die aus dem Iran, der Türkei oder anderen Ländern hier Asyl suchen, wird häufig mit diesem Abwehrmechanismus begegnet. Wenn sie Einzelheiten ihrer Folterung schildern (können), stellt sich manchmal eine (kalte) Stille und ein unbewußter Widerstand bei den Zuhörern ein. Dies habe ich auch bei mir bemerkt: Trotz aller Empathie blieb ein Rest von Abwehr: "Ich kann das nicht alles hören, ich will es mir nicht vorstellen können, weil nicht sein darf, was so unfaßbar grausam ist".
Während der Arbeit im Bremer Flüchtlingsrat stellten wir fest, daß es für Flüchtlinge in Bremen kein Angebot gibt, das sich mit den psychischen und physischen Folgen von Verfolgung, Folter und Flucht beschäftigt. Ein Ergebnis unserer Bemühungen darum war 1990 die Gründung des Psychosozialen Zentrums für ausländische Flüchtlinge, "Refugio". In dieser Zeit beschäftigte ich mich mit Behandlungsmethoden für Flüchtlinge und Folteropfer und bemerkte, daß nur wenig Publikationen darüber existierten. Viele Fachleute bezogen sich auf die Erkenntnisse und Erfahrungen aus der Behandlung und Unterstützung von Überlebenden des Holocaust.
In diesem Kontext haben mich die Interviews von Helen Epstein, einer Tochter von Überlebenden und ihre Interviews mit anderen Töchtern und Söhnen ("Die Kinder des Holocaust", 1990) nachhaltig beeindruckt. Bis dahin war mir, obwohl ich mich eingehend mit dem Nationalsozialismus auseinandergesetzt hatte, nicht deutlich, welche schmerzhaften Spuren das Naziregime - über Generationen hinweg - im Seelenleben von Menschen hinterlassen hat. Mir fiel auf, daß in der Erinnerungs- und Gedenkarbeit wenig über die psychischen Folgen gesprochen wurde.
Kurze Zeit später besuchte ich im Rahmen meiner Tätigkeit als Bildungsreferentin bei der Bremischen Evangelischen Kirche den Ort Lidice in der tschechischen Republik. Lidice wurde 1942 von den Nationalsozialisten völlig vernichtet - eine willkürliche Vergeltung für das Attentat auf Heydrich in Prag. Marie Supikova war ein Kind, als Lidice zerstört und ihre Familie ermordet wurde. Als Überlebende und engagierte Zeitzeugin hat sie immer wieder gegen das Vergessengesprochen. Die herzliche Begegnung mit ihr hat mich sehr berührt und mir die Schatten des Holocaust erneut deutlich gemacht.
"Die Vergangenheit läßt sich nicht von der Gegenwart trennen", sagte Marie Supikova einmal. "Der Mensch, der viel verloren hat, muß irgendwie weiterleben. Man kann nie vergessen, aber ich wollte weiterleben."
Im Rahmen der Gedenkveranstaltungen zum 50. Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus in Bremen, hatte ich im vergangenen Jahr die Gelegenheit, mit der israelischen Schauspielerin Gila Almagor zu sprechen (siehe Interview im Anhang). Gila Almagor gehört als Tochter einer verfolgten jüdischen Mutter zur zweiten Generation der Überlebenden. In ihrem Film Aviyas Sommer erinnert sie an ihre Kindheit. Es ist eine Kindheit die geprägt war von der Sorge um die Mutter, einer Mutter, die an den Folgen des Holocaust zerbrochen ist.
Die Begegnung mit Gila Almagor hat mich sehr bes...
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