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Eine Collage aus verbotenen Features, Filmskripten oder Fragmenten und Fundstücken, die der Dokumentarfilmer von den 70ern an aufgelesen und bewahrt hat. Bodensatz von Geschichte/n und Grundlagen seiner Filme - der Band gewährt spannende Einblicke in die Werkstatt des Filmers'Spuren' versammelt Fundstücke, Scherben, Abfall, filmische Reste, Briefe, Fragmente von Biographien oder Ereignissen, die noch nicht durch den Fleischwolf der großen Geschichte oder der Medien gedreht, die noch nicht zu den flurbereinigten Bildern unserer historischen Vorstellungen geronnen sind. Im Gegenteil entzünden…mehr

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Produktbeschreibung
Eine Collage aus verbotenen Features, Filmskripten oder Fragmenten und Fundstücken, die der Dokumentarfilmer von den 70ern an aufgelesen und bewahrt hat. Bodensatz von Geschichte/n und Grundlagen seiner Filme - der Band gewährt spannende Einblicke in die Werkstatt des Filmers'Spuren' versammelt Fundstücke, Scherben, Abfall, filmische Reste, Briefe, Fragmente von Biographien oder Ereignissen, die noch nicht durch den Fleischwolf der großen Geschichte oder der Medien gedreht, die noch nicht zu den flurbereinigten Bildern unserer historischen Vorstellungen geronnen sind. Im Gegenteil entzünden sich Phantasien an all dem Absurd-Komisch-Tragischen, das nicht aufgeht, schief gelaufen, im Verschwinden begriffen ist, als Verschwundenes bleibt - Geschichten vom Volk:# ein betrunkener Germanist aus Frankfurt/M. stellt Heiner Müller gewichtige Fragen in Ostberlin,1988, bis er selbst vom Stuhl stürzt# ein 'Fotoroman' über die Feindberührung zwischen sowjetischen und amerikanischen Besatzungssoldaten, Schulungsmaterial, 2003 gefunden auf dem Militärflughafen Zerbstu.v.m.
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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung

Der Gefühlsschaum in der Eisenzeit
Thomas Heises Spurensuche der "realen Existenz"

"Der Film ist ein Experiment. Die Haltung die eines Wanderers in der Fremde", notierte Thomas Heise zu seiner 2002 uraufgeführten Arbeit "Vaterland". Die Fremde, das war für den 1955 geborenen Professorensohn schon früh das Leben der Anderen in der DDR, der sozial Schwachen, der hin und her Geworfenen oder wild Aufbegehrenden, die man in Jugendwerkhöfe steckte und die kein Ziel, keinen Halt, keine Hoffnung finden konnten. Den Auftakt zu dieser "Archäologie der realen Existenz", wie Heise seine umfangreiche Textsammlung "Spuren" im Untertitel bezeichnet, bilden denn auch Gesprächsprotokolle, die Heise in den Siebzigern in Ost-Berliner Kneipen und Jugendwerkhöfen in Sachsen-Anhalt heimlich aufnahm - zu Monologen verdichtete Fundstücke der realen Umgangssprache.

Heise suchte die Fremde, die dann gar nicht so fremd war. Er verfremdete lediglich eigene Erfahrungen im "real existierenden Sozialismus" (mit dem sich bereits der Untertitel anlegt), im Einzelfall jedoch auch die Vorgeschichte seines Elternhauses. "Vaterland" (das vollständige Szenarium ist im Band nachzulesen) geht den Spuren der Zwangsarbeit nach, die Vater und Onkel als junge Burschen und "jüdische Mischlinge" 1944/45 beim Bau eines Flugplatzes in der Nähe von Zerbst leisten mussten, der bis 1994 der sowjetischen Armee diente. Der Text ist ein Monolog: der des Autors, der sich an erste, neugierige Streifzüge über das gesperrte Gelände, Wodkatrinken mit russischen Soldaten erinnert und dazu aus dem Briefwechsel zwischen seinem und dessen Vater zitiert.

Der Philosoph Wolfgang Heise spielt dann an anderer Stelle dieser Spurensicherung, bei der Wiedergabe einer nächtlichen Unterhaltung mit Heiner Müller im Jahr 1986, eine beinahe wegweisende Rolle. "Aus der Distanz ein Plus an Souveränität des Zuschauers gegenüber der Wirklichkeit, die er zugleich selber ist", herstellen - so lauteten Credo und Mahnung des Philosophen, dessen Vorlesungen zur Ästhetik an der Humboldt-Universität seinerzeit großen Zulauf hatten. Der mit ihm befreundete Dramatiker entgegnete mit einem Satz aus Brechts "Fatzer"-Fragment von 1932: "Und für heute und für eine lange Zeit wird es auf dieser Welt keine Sieger mehr geben, sondern nur noch Besiegte."

Mit Hoffnung der eine, bar jeder Illusion der andere redeten die Herren aneinander vorbei. Der junge, in seinem Werdegang arg behinderte Regisseur dürfte sich schon damals auf die Seite Müllers geschlagen haben, dessen Einfluss er in einem anderen Text bekennt. Das Schicksal des Onkels, der kein Philosoph wurde, sondern dem Alkohol verfiel, und des eigenen Bruders, der sich in den Fangstricken der Stasi verfing, waren dafür private Beweggründe, die gähnende Lücke zwischen Anspruch und Realität der DDR-Gesellschaft lieferte täglich das objektive Material dafür. Allein im Schicksal der Besiegten will Thomas Heise das Signum der Geschichte erblicken. Historie müsse "von unten" geschrieben werden. In einem kurzen, aufschlussreichen Interview anlässlich des zwanzigsten Jahrestags des Mauerfalls erkennt er denn auch in der "Herstellung von Ruhe und Ordnung durch Räumung von Utopie, die sich in der Anarchie des Übergangs entwickelt hat", das Ziel der Politik, die zur Wiedervereinigung führte. Sein vorerst letzter Film "Material" (2009), ebenfalls im Band abgedruckt, vermittelt den Abschied von einer Utopie, die aber wohl nur im Traum einer Minderheit real existiert hat.

Eine Eigenart von Heises dichten Texten wie auch seiner gedanklich wie visuell stets streng gebauten Filme ist der Verzicht auf Distanz. Es gibt kein "Vielleicht", keine Möglichkeitsform, sondern nur die bleierne Schwere der niederdrückenden Tatsachen. Pläne und Hoffnungen, wie sie zum Beispiel die Busfahrerin Jeanette, Hauptperson von "Kinder. Wie die Zeit vergeht" hegt, sind nur der Gefühlsschaum, der in der "Eisenzeit" (Titel eines frühen Films) schon noch verfrostet werden wird. Und doch ist jeder Film, schreibt Heise, "eine Liebesgeschichte", an deren Horizont zwar kein Zukunftslicht schimmert, die aber im Weiterdenken durch den Zuschauer am Ende doch "ein Plus an Souveränität" gegenüber den Verhältnissen bewirken könnte.

Mit Bestürzung liest man die im letzten Abschnitt "Reste" wiedergegebenen Fundstücke aus dem Aktenbestand der Staatssicherheit, die im Verein mit Prorektoren der Filmhochschule Babelsberg, Studiochefs der Defa und Redaktionsleitern des staatlichen Rundfunks mittels List und unverhohlener Drohung dem jungen Talent vergeblich ein "deutliches Bekenntnis" zur DDR abringen wollten. In der Ost-Berliner Akademie der Künste fand er eine geschützte Nische, aber auch das könnte nicht ohne Berechnung der Behörden erfolgt sein. Ein langer Brief aus dem Jahr 1990 an den Dokumentarfilmregisseur Gerhard Scheumann, bei dem Heise den Status eines Meisterschülers genoss, gipfelt in dem mehrdeutigen Satz: "Heute frage ich mich sogar manchmal, ob Sie mein Führungsoffizier waren." Weiß der Briefschreiber darauf nicht selbst die Antwort?

HANS-JÖRG ROTHER.

Thomas Heise: "Spuren". Eine Archäologie der realen Existenz.

Verlag Vorwerk 8, Texte zum Dokumentarfilm Band 13. Berlin 2010. 496 S., zahlreiche Abb., 24,- [Euro].

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