Haben Rechtsmediziner eine seelische Hornhaut?Im Fernsehen ist der Zuschauer dem Reiz der Rechtsmedizin längst erlegen. Die zahlreichen Produktionen vermitteln jedoch selten ein wirklichkeitsgetreues Bild von der Arbeit in einem rechtsmedizinischen Institut. Dass sich diese - oftmals viel spannender und lebendiger - gestaltet, zeigt nun dieses Buch.Die Autorin Franziska von Aspern erhielt zusammen mit dem Fotografen Bodo Marks Einblick in das rechtsmedizinische Institut der Universitätsklinik Hamburg. Hier führte sie Gespräche mit unterschiedlichen Mitarbeitern und schaute den Rechtsmedizinern bei ihrer Arbeit über die Schulter. Entstanden ist ein Text-Bild-Band, der auf anschauliche Weise zeigt, wie es im Obduktionssaal und in den forensische Laboren tatsächlich zugeht.Das Buch liefert zahlreiche Informationen, die bisher wenig bekannt sein dürften. Oder wussten Sie zum Beispiel, dass in Deutschland genauso viele Tote wie Lebende im Auftrag der Rechtsprechung untersucht werden? Neben dem Institutsdirektor kommen Sektionsassistenten, DNA-Experten, ein Kriminalhauptkomissar und weitere zu Wort, die anhand ihrer spannendsten Fälle Vorgehensweisen und Methoden erläutern, mit Vorurteilen aufräumen und den Blick für das vielfältige Aufgabenspektrum in einem rechtsmedizinischen Institut öffnen. Darüber hinaus begegnen wir Rechtsmedizinern als Menschen, die bei ihrer Arbeit täglich belastenden äußeren Umständen trotzen. Es werden Fragen geklärt wie: Warum wird man Rechtsmediziner? Wie erträgt man die tägliche Konfrontation mit Tod und Gewalt? Und lesen Rechtsmediziner Kriminalromane?
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.10.2012Die Aufschneider
Der wohl berühmteste Rechtsmediziner der Welt hat nicht einmal ein "Dr." vor dem Namen. Jack Klugman alias "Quincy" steht Pate für eine Entwicklung im Krimigenre, die den Gerichtsmediziner aus dem Leichenkeller ans Tageslicht holt. In Deutschland haben nicht zuletzt Ulrich Mühe als "Der letzte Zeuge" oder Jan Josef Liefers als Prof. Dr. Karl-Friedrich Boerne im Münsteraner "Tatort" den Trend aufgenommen. Ein Trend, den der Bildband "Spurensuche" aufgreift, mit dem die Autorin Franziska von Aspern und der Fotograf Bodo Marks belegen möchten, dass die Arbeit der realen Rechtsmediziner spannender und lebendiger sei als die ihrer Fernsehpendants. Im Vorwort pocht der Präsident der Bundesärztekammer gleich zweimal darauf, dass dieser Band unbedingt geschrieben werden "musste" - ohne freilich einen überzeugenden Grund dafür zu liefern. Auch dem weiteren Verlauf des Bandes gelingt das nicht, da Kriminalfälle und andere rechtsmedizinische Alltäglichkeiten alle nur angeschnitten und nie ausführlich besprochen werden. Die durchaus brisante Schätzung etwa, dass rund die Hälfte aller Totenscheine falsch ausgestellt wird, handelt man lediglich in einem kleinen Absatz ab. Dem Buch hätte man weniger Schlampigkeiten - die Dauer einer Obduktion wird an einer Stelle mit zwei bis drei, an anderer mit anderthalb Stunden beschrieben - und mehr Struktur, weniger nichtssagende Fotos von sterilen OP-Sälen und dafür mehr inhaltliche Tiefe gewünscht. (Franziska von Aspern: "Spurensuche". Einblicke in die Arbeit der Rechtsmedizin. Militzke Verlag, Leipzig 2011. 110 S., br., Abb., 19,99 [Euro].)
reus
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der wohl berühmteste Rechtsmediziner der Welt hat nicht einmal ein "Dr." vor dem Namen. Jack Klugman alias "Quincy" steht Pate für eine Entwicklung im Krimigenre, die den Gerichtsmediziner aus dem Leichenkeller ans Tageslicht holt. In Deutschland haben nicht zuletzt Ulrich Mühe als "Der letzte Zeuge" oder Jan Josef Liefers als Prof. Dr. Karl-Friedrich Boerne im Münsteraner "Tatort" den Trend aufgenommen. Ein Trend, den der Bildband "Spurensuche" aufgreift, mit dem die Autorin Franziska von Aspern und der Fotograf Bodo Marks belegen möchten, dass die Arbeit der realen Rechtsmediziner spannender und lebendiger sei als die ihrer Fernsehpendants. Im Vorwort pocht der Präsident der Bundesärztekammer gleich zweimal darauf, dass dieser Band unbedingt geschrieben werden "musste" - ohne freilich einen überzeugenden Grund dafür zu liefern. Auch dem weiteren Verlauf des Bandes gelingt das nicht, da Kriminalfälle und andere rechtsmedizinische Alltäglichkeiten alle nur angeschnitten und nie ausführlich besprochen werden. Die durchaus brisante Schätzung etwa, dass rund die Hälfte aller Totenscheine falsch ausgestellt wird, handelt man lediglich in einem kleinen Absatz ab. Dem Buch hätte man weniger Schlampigkeiten - die Dauer einer Obduktion wird an einer Stelle mit zwei bis drei, an anderer mit anderthalb Stunden beschrieben - und mehr Struktur, weniger nichtssagende Fotos von sterilen OP-Sälen und dafür mehr inhaltliche Tiefe gewünscht. (Franziska von Aspern: "Spurensuche". Einblicke in die Arbeit der Rechtsmedizin. Militzke Verlag, Leipzig 2011. 110 S., br., Abb., 19,99 [Euro].)
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