In einer umfassenden Analyse des Verhältnisses zwischen Staaten und Märkten im Zeichen der Globalisierung tritt der Autor dieses Buches der populären These einer zunehmenden Aushöhlung staatlicher Politik durch die Dynamik der Weltmärkte entgegen. Er postuliert, dass die wirtschaftliche Globalisierung zum Wachstum der Staatstätigkeit beigetragen habe, und dass Staaten selbst in Bereichen, die von hoher Kapitalmobilität geprägt sind, ihre Regulierungskapazitäten weitgehend bewahrt hätten.
Diese Gegenthese wird gestützt durch quantitative Analysen zur Staatstätigkeit, durch qualitative Fallstudien zur Regulierung internationaler Banken und transnationaler Konzerne sowie zur Steuerharmonisierung in der EU und durch eine Untersuchung zum Verhältnis zwischen weltwirtschaftlicher Integration und politischer Fragmentierung.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Diese Gegenthese wird gestützt durch quantitative Analysen zur Staatstätigkeit, durch qualitative Fallstudien zur Regulierung internationaler Banken und transnationaler Konzerne sowie zur Steuerharmonisierung in der EU und durch eine Untersuchung zum Verhältnis zwischen weltwirtschaftlicher Integration und politischer Fragmentierung.
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 24.07.2000Der Zauberlehrling gibt nicht auf
Trotz aller Unkenrufe über den weltumspannenden Einfluss der Wirtschaft behalten die Staaten ihre ökonomische Steuerungsmacht
THOMAS BERNAUER: Staaten im Weltmarkt. Zur Handlungsfähigkeit von Staaten trotz wirtschaftlicher Globalisierung, Verlag Leske und Budrich, Opladen 2000. 424 Seiten, 48 Mark.
Es ist schon erstaunlich, wie die Politikwissenschaft hier zu Lande bis zum Ende der achtziger Jahre hat existieren können ohne den Begriff, der als „das modischste Wort der 1990-er Jahre” gilt: „Globalisierung. ” Erst seit Anfang des letzten Jahrzehnts ist das Wort in aller Munde. Ganz so, als sei das Phänomen, das es benennt, ganz neu. In Wirklichkeit reichen die Anfänge der Globalisierung weit zurück in die Geschichte – zumindest bis ins 19. Jahrhundert, im Grunde sogar bis ins späte Mittelalter. Was „Globalisierung” zu bedeuten hat: Darüber sind sich die Experten allerdings mitnichten einig. „Begleitet ist diese facettenreiche und breit angelegte gesellschaftliche Diskussion von verschiedensten Hoffnungen, Ängsten und politischen Vorschlägen”, wie der Autor, Professor für internationale Beziehungen an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich, in der Einführung vage vermerkt.
Zu den Ängsten oder Bedenken gehört, allen voran, die Skepsis, der Prozess der Globalisierung könnte eine Eigendynamik gewinnen, die ihn dem einzelstaatlichen politischen Einfluss mehr und mehr entzieht. Nicht wenige Zeitgenossen befürchten, dass im Zeichen der Globalisierung die Macht demokratisch gewählter Regierungen von den Staaten unversehens auf weltwirtschaftliche Mechanismen übergeht. „Die Rückkehr des Staates”, das „Ende der Souveränität” oder sogar eine „Misere der Politik” könnten die Folge sein, wie Buchtitel Mitte der 90er Jahre suggerierten. Die multinationalen Unternehmen sind allem Anschein nach dabei, die Nationalstaaten zu übergehen und aller Welt ihre wirtschaftlichen Interessen zu diktieren. Das heißt, genau genommen, nicht aller Welt. Denn die Globalisierung, betont der Autor, „ist eine weltumspannende, aber keine flächendeckende Erscheinung. Gemessen etwa am internationalen Handelsvolumen, dem Devisenhandel oder den Internet-Anschlüssen beschränkt sich die Globalisierungsdynamik weitgehend auf die westlichen Industriestaaten. ”
Die Zahlen fehlen
Dass dem Staat als „Zauberlehrling” „die Kontrolle über sein einmal geschaffenes Werk, die Liberalisierung der Weltmärkte” entgleitet, dass ihm Handlungskapazitäten abhanden kommen, bezweifelt der Autor im Widerspruch zu gängigen Klischees. An der bisherigen wissenschaftlichen Globalisierungs-Diskussion moniert er zweierlei: die mangelhafte theoretische Kohärenz und die magere empirische Basis. Das eine wie das andere Manko will er mit seinem Buch beheben. Seine Forschungsfrage lautet: „Wie wirkt sich die grenzüberschreitende Mobilität von Produktionsfaktoren auf die einzelstaatliche und zwischenstaatliche (kollektive) Fähigkeit von Staaten aus, in den verschiedenen Politikbereichen in wirksamer Weise bestimmte gesellschaftliche Probleme zu lösen?”
Seine Antwort, gleichsam die Summe aus drei Fallstudien zur Bankenregulierung, zur Besteuerung von Kapitalgewinnen in der EU und zu multinationalen Unternehmen lautet, „dass Staaten immer noch und vermutlich auch weiterhin einen wesentlichen Einfluss auf wirtschaftliche und soziale Strukturen und Entwicklungen haben werden”. Zum Beispiel kommt der Autor zu der Erkenntnis, „dass wirtschaftliche Offenheit im Außenhandelsbereich meist mit einer höheren Staatsquote einhergeht”. Sprich: mit einer regeren Staatstätigkeit. Quod erat demonstrandum.
Ein ansehnlicher Teil der Studie ist einer erstaunlichen Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen gewidmet. Der Tatsache etwa, dass die stürmische weltwirtschaftliche Integration mit einer auf den ersten Blick anachronistischen politischen Fragmentierung in aller Welt einhergeht. Allein innerhalb der OECD gibt es etwa 40 soziale Gruppierungen mit Ambitionen auf Autonomie oder sogar mit sezessionistischen Zügen. Welchen Einfluss die weltwirtschaftlichen Entwicklungen darauf haben – nämlich einen durchaus förderlichen, indem sie den potenziellen Neustaaten die ökonomische Existenzfähigkeit verheißen und so die Trennung vom Mutterland erleichtern – zeigt Bernauer am Beispiel von Quebec und Schottland auf.
Kein Zweifel: Diese Studie ist ein substanzieller Beitrag zur Globalisierungs-Diskussion. Aber was der Autor den Lesern als Frucht seiner makro-quantitativen Forschungen serviert, ist doch schwere, mitunter auch unverdauliche politikwissenschaftliche Kost. Sein Tipp für eilige Leser, notfalls einige Kapitel zu überschlagen, kommt nicht von ungefähr. Dieser ungewöhnliche Vorschlag ist wohl der Selbsterkenntnis des Autors zuzuschreiben, dass es ihm nicht durchweg gelungen ist, sich verständlich zu machen, auch für interessierte Laien. Es fällt mitunter schwer, ihm durch das Dickicht der methodologischen Überlegungen und auf das luftige Abstraktionsniveau zu folgen. Ganz zu schweigen von dem Missvergnügen, das sich einstellt, wenn bei der Lektüre des öfteren der Eindruck aufkommt, dass der Berg kreißt und doch nur eine Maus gebiert. Da tut es ganz wohl, wenn der Verfasser einen neckischen Schlussstrich zieht: „Wohl oder übel werden sich Politiker und Wirtschaftsvertreter auch weiterhin wie viele Ehepaare verhalten: Sie liegen sich öfters in den Haaren, können oder wollen aber nicht ohne einander leben. ”
FRANK NIESS
Der Rezensent ist Journalist in Heidelberg.
Wall-Street-Wirbel: Die Börse in New York im Zentrum internationaler Geldgeschäfte.
Foto: pfp
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
Trotz aller Unkenrufe über den weltumspannenden Einfluss der Wirtschaft behalten die Staaten ihre ökonomische Steuerungsmacht
THOMAS BERNAUER: Staaten im Weltmarkt. Zur Handlungsfähigkeit von Staaten trotz wirtschaftlicher Globalisierung, Verlag Leske und Budrich, Opladen 2000. 424 Seiten, 48 Mark.
Es ist schon erstaunlich, wie die Politikwissenschaft hier zu Lande bis zum Ende der achtziger Jahre hat existieren können ohne den Begriff, der als „das modischste Wort der 1990-er Jahre” gilt: „Globalisierung. ” Erst seit Anfang des letzten Jahrzehnts ist das Wort in aller Munde. Ganz so, als sei das Phänomen, das es benennt, ganz neu. In Wirklichkeit reichen die Anfänge der Globalisierung weit zurück in die Geschichte – zumindest bis ins 19. Jahrhundert, im Grunde sogar bis ins späte Mittelalter. Was „Globalisierung” zu bedeuten hat: Darüber sind sich die Experten allerdings mitnichten einig. „Begleitet ist diese facettenreiche und breit angelegte gesellschaftliche Diskussion von verschiedensten Hoffnungen, Ängsten und politischen Vorschlägen”, wie der Autor, Professor für internationale Beziehungen an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich, in der Einführung vage vermerkt.
Zu den Ängsten oder Bedenken gehört, allen voran, die Skepsis, der Prozess der Globalisierung könnte eine Eigendynamik gewinnen, die ihn dem einzelstaatlichen politischen Einfluss mehr und mehr entzieht. Nicht wenige Zeitgenossen befürchten, dass im Zeichen der Globalisierung die Macht demokratisch gewählter Regierungen von den Staaten unversehens auf weltwirtschaftliche Mechanismen übergeht. „Die Rückkehr des Staates”, das „Ende der Souveränität” oder sogar eine „Misere der Politik” könnten die Folge sein, wie Buchtitel Mitte der 90er Jahre suggerierten. Die multinationalen Unternehmen sind allem Anschein nach dabei, die Nationalstaaten zu übergehen und aller Welt ihre wirtschaftlichen Interessen zu diktieren. Das heißt, genau genommen, nicht aller Welt. Denn die Globalisierung, betont der Autor, „ist eine weltumspannende, aber keine flächendeckende Erscheinung. Gemessen etwa am internationalen Handelsvolumen, dem Devisenhandel oder den Internet-Anschlüssen beschränkt sich die Globalisierungsdynamik weitgehend auf die westlichen Industriestaaten. ”
Die Zahlen fehlen
Dass dem Staat als „Zauberlehrling” „die Kontrolle über sein einmal geschaffenes Werk, die Liberalisierung der Weltmärkte” entgleitet, dass ihm Handlungskapazitäten abhanden kommen, bezweifelt der Autor im Widerspruch zu gängigen Klischees. An der bisherigen wissenschaftlichen Globalisierungs-Diskussion moniert er zweierlei: die mangelhafte theoretische Kohärenz und die magere empirische Basis. Das eine wie das andere Manko will er mit seinem Buch beheben. Seine Forschungsfrage lautet: „Wie wirkt sich die grenzüberschreitende Mobilität von Produktionsfaktoren auf die einzelstaatliche und zwischenstaatliche (kollektive) Fähigkeit von Staaten aus, in den verschiedenen Politikbereichen in wirksamer Weise bestimmte gesellschaftliche Probleme zu lösen?”
Seine Antwort, gleichsam die Summe aus drei Fallstudien zur Bankenregulierung, zur Besteuerung von Kapitalgewinnen in der EU und zu multinationalen Unternehmen lautet, „dass Staaten immer noch und vermutlich auch weiterhin einen wesentlichen Einfluss auf wirtschaftliche und soziale Strukturen und Entwicklungen haben werden”. Zum Beispiel kommt der Autor zu der Erkenntnis, „dass wirtschaftliche Offenheit im Außenhandelsbereich meist mit einer höheren Staatsquote einhergeht”. Sprich: mit einer regeren Staatstätigkeit. Quod erat demonstrandum.
Ein ansehnlicher Teil der Studie ist einer erstaunlichen Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen gewidmet. Der Tatsache etwa, dass die stürmische weltwirtschaftliche Integration mit einer auf den ersten Blick anachronistischen politischen Fragmentierung in aller Welt einhergeht. Allein innerhalb der OECD gibt es etwa 40 soziale Gruppierungen mit Ambitionen auf Autonomie oder sogar mit sezessionistischen Zügen. Welchen Einfluss die weltwirtschaftlichen Entwicklungen darauf haben – nämlich einen durchaus förderlichen, indem sie den potenziellen Neustaaten die ökonomische Existenzfähigkeit verheißen und so die Trennung vom Mutterland erleichtern – zeigt Bernauer am Beispiel von Quebec und Schottland auf.
Kein Zweifel: Diese Studie ist ein substanzieller Beitrag zur Globalisierungs-Diskussion. Aber was der Autor den Lesern als Frucht seiner makro-quantitativen Forschungen serviert, ist doch schwere, mitunter auch unverdauliche politikwissenschaftliche Kost. Sein Tipp für eilige Leser, notfalls einige Kapitel zu überschlagen, kommt nicht von ungefähr. Dieser ungewöhnliche Vorschlag ist wohl der Selbsterkenntnis des Autors zuzuschreiben, dass es ihm nicht durchweg gelungen ist, sich verständlich zu machen, auch für interessierte Laien. Es fällt mitunter schwer, ihm durch das Dickicht der methodologischen Überlegungen und auf das luftige Abstraktionsniveau zu folgen. Ganz zu schweigen von dem Missvergnügen, das sich einstellt, wenn bei der Lektüre des öfteren der Eindruck aufkommt, dass der Berg kreißt und doch nur eine Maus gebiert. Da tut es ganz wohl, wenn der Verfasser einen neckischen Schlussstrich zieht: „Wohl oder übel werden sich Politiker und Wirtschaftsvertreter auch weiterhin wie viele Ehepaare verhalten: Sie liegen sich öfters in den Haaren, können oder wollen aber nicht ohne einander leben. ”
FRANK NIESS
Der Rezensent ist Journalist in Heidelberg.
Wall-Street-Wirbel: Die Börse in New York im Zentrum internationaler Geldgeschäfte.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.07.2000Globalisierung aus ungewohnter Sicht
Wird die Rolle des Staates eher gestärkt statt geschwächt?
Thomas Bernauer: Staaten im Weltmarkt. Verlag Leske + Budrich, Opladen 2000, 424 Seiten, 48 DM.
Eigentlich könnte der Leser das Buch "Staaten im Weltmarkt" schnell zur Seite legen. Denn Thomas Bernauer fasst das Ergebnis seiner Ausführungen auf den Seiten 22 und 23 in fünf Thesen zusammen. Aber bei genauer Lektüre dieser Thesen fällt auf, dass die Aussagen des Autors in sich nicht ganz stimmig sind. Doch nicht nur aus diesem Grund sei dem Leser empfohlen, die Lektüre auch nach der Einführung fortzusetzen. Bernauer vertritt nämlich, wie er gleich zu Beginn erläutert, eine Theorie, die seiner Meinung nach die allgemeine Globalisierungsthese vollkommen in Frage stellt. Nach Auffassung des Autors werden die einzelnen Staaten trotz der fortschreitenden Globalisierung weiter Bestand und Einfluss haben. Bernauer wendet sich somit gegen die seiner Meinung nach falsche, aber "populäre These", dass die Globalisierung eine zunehmende Aushöhlung staatlicher Politik zur Folge habe. Warum das so sein sollte, erklärt der Autor nicht. Markt (im Sinne des Weltmarktes) und Staat werden seiner Auffassung nach weiterhin in einem spannungsreichen Verhältnis zueinander stehen, und keiner der beiden wird dabei an Bedeutung verlieren. Mehr Markt, schreibt Bernauer, könne sogar mit mehr staatlichem Einfluss und einer erhöhten Regulierungstätigkeit einhergehen - ein Ergebnis, das nicht unbedingt logisch erscheint. Mit seiner Grundthese, dass die Globalisierung die Rolle des Staates also eher stärkt als schwächt, kritisiert Bernauer fast die gesamte Globalisierungsliteratur und -diskussion. Aber Globalisierung heißt nicht (und hier könnte Bernauers Buch zu Missverständnissen führen), dass sie zu einer Auflösung der Staaten führt.
Wer erwartet, dass der Autor Antworten auf alle "Globalisierungsfragen" bietet, wird enttäuscht werden. Auch im Hinblick auf eine klare Definition des Begriffs Globalisierung bringt Bernauer nur wenig Neues. Er verweist hier auf die Fülle der ökonomischen, sozialwissenschaftlichen und politikwissenschaftlichen Globalisierungsliteratur. Entsprechend hält Bernauer sein Buch auch nicht allgemein, sondern will einer konkreten Frage nachgehen: "Inwiefern haben sich die Handlungskapazitäten von Staaten als Folge weltwirtschaftlicher Integrationsprozesse verändert, und wie wirken sich diese Veränderungen auf die Fähigkeit der Staatenwelt aus, bestimmte gesellschaftliche Probleme zu lösen?" Im Mittelpunkt der Betrachtung des Autors steht - wie ein roter Faden, der sich durch das gesamte Buch zieht und der Bernauer letztlich zu seiner "Antithese" führt - das Verhältnis zwischen Staat und Markt. Aus einer rein ökonomischen Analyse wird zugleich eine Untersuchung zum Verhältnis weltwirtschaftlicher Integration und politischer Fragmentierung. So ergibt sich Bernauers Grundfrage: Schrumpft die Staatstätigkeit mit zunehmender weltwirtschaftlicher Integration (Bernauer bezeichnet dies als gängige Globalisierungsthese) oder gewinnt der Staat sogar an Bedeutung (Bernauers Gegenhypothese)? Mit anderen Worten: Wann zieht sich der Staat aus bestimmten gesellschaftlichen Bereichen zurück (Deregulierung) und wann und weshalb kommt es - sei es auf innerstaatlicher oder internationaler Ebene - zu einer verstärkten staatlichen Intervention (Reregulierung)?
Diese Fragen versucht Bernauer einerseits mit statistischen Tests für hundert Staaten, andererseits mit verschiedenen Fallstudien zu klären. Der Autor zieht mit seinen Fallstudien einen weiten Kreis, der von Kapitalvorschriften für Banken über Regulierungen für multinationale Konzerne hin zur Steuerharmonisierung in der Europäischen Union reicht. So wird aus einer Frage, die Bernauer anfänglich ankündigt, schließlich doch eine Fülle von Fragen, die sich logisch anschließen. Um diese Fragen zu beantworten, holt der Autor zum Teil weit aus. Und so interessant die von Bernauer zu jedem Fallbeispiel aufgestellten Hypothesen und Ausführungen sind, so verlieren sich klare Aussagen in langen, manchmal historischen Erläuterungen.
Letztlich gelingt dem Verfasser, so sehr man in einigen Punkten - vor allem in seiner Hauptthese - anderer Meinung sein mag, eines: Er versteht es, die so gern geschürten Globalisierungsängste einzudämmen. Dabei glaubt Bernauer allerdings fest an die Fähigkeit des Staates, als Schlichter zu dienen. Wer die Globalisierung durch eine ungewohnte Brille sehen will, sollte die Lektüre nicht scheuen.
INDIRA GURBAXANI
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wird die Rolle des Staates eher gestärkt statt geschwächt?
Thomas Bernauer: Staaten im Weltmarkt. Verlag Leske + Budrich, Opladen 2000, 424 Seiten, 48 DM.
Eigentlich könnte der Leser das Buch "Staaten im Weltmarkt" schnell zur Seite legen. Denn Thomas Bernauer fasst das Ergebnis seiner Ausführungen auf den Seiten 22 und 23 in fünf Thesen zusammen. Aber bei genauer Lektüre dieser Thesen fällt auf, dass die Aussagen des Autors in sich nicht ganz stimmig sind. Doch nicht nur aus diesem Grund sei dem Leser empfohlen, die Lektüre auch nach der Einführung fortzusetzen. Bernauer vertritt nämlich, wie er gleich zu Beginn erläutert, eine Theorie, die seiner Meinung nach die allgemeine Globalisierungsthese vollkommen in Frage stellt. Nach Auffassung des Autors werden die einzelnen Staaten trotz der fortschreitenden Globalisierung weiter Bestand und Einfluss haben. Bernauer wendet sich somit gegen die seiner Meinung nach falsche, aber "populäre These", dass die Globalisierung eine zunehmende Aushöhlung staatlicher Politik zur Folge habe. Warum das so sein sollte, erklärt der Autor nicht. Markt (im Sinne des Weltmarktes) und Staat werden seiner Auffassung nach weiterhin in einem spannungsreichen Verhältnis zueinander stehen, und keiner der beiden wird dabei an Bedeutung verlieren. Mehr Markt, schreibt Bernauer, könne sogar mit mehr staatlichem Einfluss und einer erhöhten Regulierungstätigkeit einhergehen - ein Ergebnis, das nicht unbedingt logisch erscheint. Mit seiner Grundthese, dass die Globalisierung die Rolle des Staates also eher stärkt als schwächt, kritisiert Bernauer fast die gesamte Globalisierungsliteratur und -diskussion. Aber Globalisierung heißt nicht (und hier könnte Bernauers Buch zu Missverständnissen führen), dass sie zu einer Auflösung der Staaten führt.
Wer erwartet, dass der Autor Antworten auf alle "Globalisierungsfragen" bietet, wird enttäuscht werden. Auch im Hinblick auf eine klare Definition des Begriffs Globalisierung bringt Bernauer nur wenig Neues. Er verweist hier auf die Fülle der ökonomischen, sozialwissenschaftlichen und politikwissenschaftlichen Globalisierungsliteratur. Entsprechend hält Bernauer sein Buch auch nicht allgemein, sondern will einer konkreten Frage nachgehen: "Inwiefern haben sich die Handlungskapazitäten von Staaten als Folge weltwirtschaftlicher Integrationsprozesse verändert, und wie wirken sich diese Veränderungen auf die Fähigkeit der Staatenwelt aus, bestimmte gesellschaftliche Probleme zu lösen?" Im Mittelpunkt der Betrachtung des Autors steht - wie ein roter Faden, der sich durch das gesamte Buch zieht und der Bernauer letztlich zu seiner "Antithese" führt - das Verhältnis zwischen Staat und Markt. Aus einer rein ökonomischen Analyse wird zugleich eine Untersuchung zum Verhältnis weltwirtschaftlicher Integration und politischer Fragmentierung. So ergibt sich Bernauers Grundfrage: Schrumpft die Staatstätigkeit mit zunehmender weltwirtschaftlicher Integration (Bernauer bezeichnet dies als gängige Globalisierungsthese) oder gewinnt der Staat sogar an Bedeutung (Bernauers Gegenhypothese)? Mit anderen Worten: Wann zieht sich der Staat aus bestimmten gesellschaftlichen Bereichen zurück (Deregulierung) und wann und weshalb kommt es - sei es auf innerstaatlicher oder internationaler Ebene - zu einer verstärkten staatlichen Intervention (Reregulierung)?
Diese Fragen versucht Bernauer einerseits mit statistischen Tests für hundert Staaten, andererseits mit verschiedenen Fallstudien zu klären. Der Autor zieht mit seinen Fallstudien einen weiten Kreis, der von Kapitalvorschriften für Banken über Regulierungen für multinationale Konzerne hin zur Steuerharmonisierung in der Europäischen Union reicht. So wird aus einer Frage, die Bernauer anfänglich ankündigt, schließlich doch eine Fülle von Fragen, die sich logisch anschließen. Um diese Fragen zu beantworten, holt der Autor zum Teil weit aus. Und so interessant die von Bernauer zu jedem Fallbeispiel aufgestellten Hypothesen und Ausführungen sind, so verlieren sich klare Aussagen in langen, manchmal historischen Erläuterungen.
Letztlich gelingt dem Verfasser, so sehr man in einigen Punkten - vor allem in seiner Hauptthese - anderer Meinung sein mag, eines: Er versteht es, die so gern geschürten Globalisierungsängste einzudämmen. Dabei glaubt Bernauer allerdings fest an die Fähigkeit des Staates, als Schlichter zu dienen. Wer die Globalisierung durch eine ungewohnte Brille sehen will, sollte die Lektüre nicht scheuen.
INDIRA GURBAXANI
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
"Großes Lob von Anette Bingemer für ein Buch, das sich "erfreulich offen" und verständlich einem Wirtschaftsthema widmet: Welche Auswirkungen haben die Veränderungen der globalen Wirtschaft auf die nationale Politik und Handlungsfähigkeit, lautet nach Bingemer die Frage des Autors, der nicht nur die Ergebnisse seiner Recherche, sondern auch die einzelnen Untersuchungsschritte nachvollziehbar darlege. Natürlich beeinflusst der Weltmarkt die nationalen Märkte, fasst Bingemer zusammen, aber dennoch seien die Auswirkungen der weltwirtschaftlichen Verflechtungen längst nicht so ausschlaggebend für nationale Handlungsweisen wie angenommen. In diesem Zusammenhang erwähnt sie einen weiteren Themenkomplex, den der Autor erforscht: die zunächst paradox anmutende Tatsache, dass in Zeiten immer stärkerer weltwirtschaftlicher Verflechtung winzige Staaten entstehen. Das Buch sei hervorragend gegliedert, lobt Bingemer, zum Lesen empfiehlt sie jedem die Einführung, danach sollte man sich je nach Interessenlage einzelne Kapitel vornehmen - so ließen sich dann auch die Wiederholungen verkraften.
© Perlentaucher Medien GmbH"
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