Wie vermag eine einzige Stadt für die meisten intellektuellen und kulturellen Errungenschaften des Westens im 20. Jahrhundert verantwortlich zu sein? Diese Frage steht im Zentrum von Richard Cocketts Ideengeschichte über Wiens Einfluss auf die moderne Welt. Von visionären Ökonomen über die Rebellen des Roten Wien, von Hollywood-Western bis zu Einkaufszentren, von Orgasmen bis zum Traum vom »Neuen Menschen«: Die jüngere Geschichte ist durchdrungen von jenen Denker:innenund Künstler:innen, die von 1900 an die Zukunft formten. Im Guten wie im Bösen. Cocketts Blick von außen gewährteine neue Sicht auf eine brodelnde Epoche und erzählt von einer schillernden Elite, die Wien ihre Heimat nannte, von den Nazis ermordet oder in die Welt verstreut wurde - und deren Ideen uns bis heute prägen.
»... ein famoser Überblick über Wiener Ideen, die Furore machten« Klaus Taschwer, Der Standard
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Einen neuen Blick auf Wien ermöglicht Richard Cocketts Buch laut Rezensent Michael Mönninger, der die Neuperspektivierung insgesamt interessiert bespricht, aber auch ein paar Haare in der Suppe findet. Hauptthese ist, lesen wir, dass Wien für die Geschichte der Moderne wichtiger ist als bisher angenommen, weil sich der Einfluss der Stadt nicht nur im kulturellen Feld niederschlägt, sondern etwa auch in der Wirtschaftstheorie und der Konsumforschung. Das Buch beschreibt Wien als einen multiethnischen Schmelztiegel, der nach der Auflösung des Habsburger Reichs zur tolerantesten Stadt Europas wurde und intellektuell dem angelsächsischen Raum näher stand als Kontinentaleuropa. Wichtig waren auch die Wohnungsbauprogramme und sozialen Experimente des "Roten Wien" aber vor allem als etwas, von dem sich die freiheitlich gestimmten austroliberalen Denker wie Popper und Hayek absetzten, erläutert Mönninger. Cockett geht ausführlich auf die intellektuellen Strömungen der Zwischenkriegszeit ein, dabei hat Münninger den Eindruck, dass er die Rolle der Austroliberalen doch etwas überschätzt und zu wenig über Antisemitismus schreibt. Das Buch findet der insgesamt durchaus angetane Rezensent besser, wenn es sich nicht kulturellen, sondern sozial- und naturwissenschaftlichen Disziplinen zuwendet.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH