Ironisch, zärtlich und mit hintersinnigem Humor, in einer präzisen, zuweilen harten, immer poetischen Sprache, verfolgt "Stadt Land Fluß" die Geschichte der einzigartigen Liebe von Hanna und Thomas Walkenbach: den Weg der großen Gefühle durch die Banalitäten des Alltags, hinein in eine fatale Abhängigkeit, die für Walkenbach nur mit zunehmend raffinierteren Strategien des Selbstbetrugs zu bewältigen ist. Und zusehends treten die wahren Gründe für Hannas Abwesenheit zutage ...
Ausgezeichnet mit dem aspekte-Literaturpreis.
Ausgezeichnet mit dem aspekte-Literaturpreis.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.02.1999Das hölzerne Glück
Christoph Peters' bestechendes Debüt · Von Florian Illies
Thomas Walkenbach ist Glücksforscher. Er sagt "Die Erwartung des Glücks ist größer als das Glück". Er behauptet auch: "Im Glücklichsein war ich nie besonders gut. Astrid sagt manchmal, wenn ihr das Leben wieder unbeschreiblich schwer scheint, sie wolle einfach nur glücklich sein, und hält das für einen bescheidenen Anspruch." Doch ganz selten, für Sekunden nur, erfährt auch Walkenbach "Glück der Kategorie, die in der Brust schmerzt". Er ahnt aber, daß es diesen seligen Zustand der völligen Bedürfnisbefriedigung hinieden nie geben kann. Viel länger, für Jahre oft, erfährt er dafür eher Pech der Kategorie, das sich ins Hirn fräst.
Thomas Walkenbach ist auch Vergangenheitsforscher. Und Kunsthistoriker. Er ist dreiunddreißig, kommt vom Niederrhein. Raucht viel, trinkt viel, vergißt viel. Walkenbach ist der Ich-Erzähler im Romandebüt "Stadt Land Fluß" des gleichfalls dreiunddreißigjährigen Mainzer Autors Christoph Peters. Von der ersten Zeile an schlägt er einen frischen und doch fast klassischen Ton an, der das vielschichtig komponierte Werk souverän zusammenhält. Man kann "Stadt Land Fluß" als Romanze lesen: als Bericht über die Liebe des Thomas Walkenbach zu seiner Zahnärztin Hanna, über ihre Phase des Kennenlernens im Behandlungsstuhl, über die wechselseitigen Besuche bei den Schwiegereltern, über einen Liebesurlaub in Italien bis hin zur Überführung des Rausches in einen scheinbar dauerhaften Aggregatzustand.
"Stadt Land Fluß" ist auch die Geschichte eines erfolglosen Kunsthistorikers, der sich nicht sicher ist, ob er über die Philosophie der Zentralperspektive promovieren soll oder doch lieber über Henrik Douwermann, den rätselhaften spätgotischen Bildschnitzer seiner niederrheinischen Heimat. Also über die mit den Mitteln der Kunst versuchte Ordnung des Lebens und der Geschichte - oder deren ornamentale Überwucherung. Wenn er sich wieder einmal nicht entscheiden kann, bringt Walkenbach erst einmal den Müll herunter.
Zugleich ist der Roman aber auch ein ausuferndes Lamento mori: eine vielstimmige Klage über den Untergang der alten dörflichen Strukturen, vorgeführt am Beispiel des Dörfleins Niel am Niederrhein, über das Verschwinden der eingekochten Früchte, kleinkarierten Kittelschürzen und der Hausschlachtung, über scheintote Ehen vor dem Zeitalter ihrer problemlosen Reproduzierbarkeit, über Zitronenlimonade und unbeschwerte Sonntagnachmittage. "Manchmal", so heißt es einmal, "fielen mir Dinge in die Hände, belanglose Dinge, dann stürzte etwas hundert Meter tief in einen Grubenschacht, schlug auf und zerplatzte in tausend Splitter, in denen sich für den Bruchteil einer Sekunde mit schmerzhafter Deutlichkeit eine abgestorbene Empfindung spiegelte."
Hier, so scheint es, hat jemand eine Sprache für das Erinnern gefunden. Dies ist die vielleicht größte Leistung des Erzählers Christoph Peters. Ihm gelingt es aber nicht nur, die Mechanik der Erinnerung beschreibend ans Licht zu holen, sondern auch stilistisch, quasi mimetisch, die Erinnerungsschübe, Erinnerungslücken, Spurensuche auf der Kleinhirnrinde sprachlich zu erfassen. "Nebenan bei Weyers", so dämmert ihm, als er mit Hanna das erste Mal gemeinsam Kalkar besucht, "hatte ich einmal eine neue Hose bekommen, auch an einem Samstag." Thomas Walkenbach jagt vergangenen Sinneseindrücken nach wie einem davonflatternden Schmetterling, immer auf der Suche nach unbestechlichem Beweismaterial für eine halbwegs gesicherte Rekonstruktion der Vergangenheit, dabei immer allergisch gegen "die Aufschneiderei der Botenstoffe und ihren fatalen Hang zur Mythenbildung, gegen die Leichtgläubigkeit der Synapsen". Er weiß, daß man das teleologische Moment des Glücks und der Liebe nur zu fassen vermag, wenn es in die Erinnerung einzieht. Doch er ist skeptisch genug, zu ahnen, daß es bloß die Vagheit der Erinnerung ist, die Glück vortäuscht. Christoph Peters' Genauigkeit ist der größte Feind von Thomas Walkenbachs Sehnsüchten.
Gerade durch diese Genauigkeit, die so klare wie unsentimentale Sprache, gelingt es Peters, den Leser nachhaltig im unklaren zu lassen. Das Buch beginnt mit einem furiosen Kapitel, das mit allerlei Fußnotenbrimborium soviel Klarstellendes über die Differenz zwischen Thomas Walkenbach und Christoph Peters sowie dem unbekannten Vorwortschreiber "C.P." berichtet, daß einem schon nach fünfzehn Seiten der Boden unter den Füßen wankt. Doch auch der große Spannungsbogen wird wie ein Flitzebogen dreihundert Seiten lang gespannt, ohne daß der Pfeil abgeschossen würde: Ist Hanna, die Geliebte, wirklich unheilbar an Brustkrebs erkrankt? Ist sie gar schon gestorben - oder sind die ganzen Erinnerungen und Phantasien Ausgeburten bebrüteter Angstträume Walkenbachs im Angesicht eines ungeöffneten Briefes vom medizinischen Labor auf dem Küchentisch?
In wohlüberlegtem Takt schwingt der Pendel des Erzählens hin und her, mit einer Sprache, die so sinnlich ist wie eiskalt, verwebt auf Autofahrten die Landschaft mit den Hirngespinsten des Erzählers und den Wortfetzen aus dem Autoradio, verbindet die Erinnerung an Fragen der Eltern ("Ihr kommt doch jetzt öfter, nicht wahr?") mit Bruchstücken aus der geplanten kunsthistorischen Dissertation und Lustaufwallungen angesichts Hannas nacktem Nacken. Verschränkt Präsens mit Präteritum und Erfahrungskunde mit Philosophie. Ebenso verschlingen sich Heimatgeschichten und Familiengeschichte, Erdgeschichte und Kunstgeschichte zu einem großen, undurchdringlichen Kontinuum.
Und dann kommt wieder, wie so oft, Douwerman ins Spiel, der große, genialische Bildschnitzer und sein Georgsaltar aus Kalkar - das von innen langsam Hervorwachsende taugt Walkenbach besser zur Beschreibung der Wirklichkeit als die von außen auferlegte zentrale Erzählperspektive. "Douwerman schnitt Jesses Alptraum in Holz: Es ist unmöglich, die eigenen Wurzeln freizulegen, das Gewirr der Büsche bleibt undurchdringlich, das Erdreich steinhart. Aber die ausgewachsenen Triebe der Väter werden die Käfigstangen der Söhne." Mit analytischer Schärfe und schriftstellerischer Poesie überführt Peters hier die lokale Kunstgeschichte in die universale Menschheitsgeschichte. Weil die Biographien der Großeltern und Eltern im Nachkriegsdeutschland so viel Schweigen und so viel Verschwiegenes enthielten, wurden sie, obwohl sie permanent erzählt wurden, literarisch unerzählbar. Nun ergreift eine neue Generation, gestärkt durch die Dynamik der Vereinigung, das Wort und rüttelt an den Käfigstangen, so lange, bis das Erdreich der Vergangenheit ein wenig weich wird. Und man daraus ein bundesrepublikanisches Buch der Erinnerung formen kann. Und eines des Vergessens. Etwa im Angesicht einer weiblichen Brust: "Keine Erinnerung an die Empfindung des Kindermundes", bilanziert Walkenbach, der Glücksforscher, Sinneseindrucksarchäologe und Inventarisierer großer und kleiner Untergänge des Abendlandes.
Wenn man will, kann man Douwermans Schnitzaltar auch als geheimes Konstruktionsschema des gesamten Buches von Christoph Peters sehen. Als Wurzel-Jesse-Predella dient ihm die Vorbemerkung: Die Vorspiegelung einer einfachen Genealogie der biblischen Stämme, die in Wahrheit im undurchschaubaren Ästegewirr endet, gibt das Muster vor für das Verwirrspiel um die Identität des Autors. Die Apokalypse der einen Seitentafel wird konkretisiert am Untergang der Dorfgemeinschaft von Niel und dem Tod des schrulligen, geliebten Onkels Henno. Der Mittelteil entspricht mit seinem Italienurlaub an einem verwunschenen Fluß, über dem nur die Vöglein singen, dem Paradiesszenario. Die rechte Seitentafel mit dem Martyrium der heiligen Ursula schließlich findet ihre Entsprechung in der Leidensgeschichte von Hanna, die Thomas Walkenbach im letzten Teil des Romans erzählt, verängstigt, panisch.
Auf den letzten Seiten wird der Erzählfluß, der zuvor so stark und kräftig voranströmte wie der Rhein, an dessen Ufern dieser Roman spielt, beruhigt, die Sprache verlangsamt sich, die Sätze werden kürzer, Walkenbachs Erinnerungen blasser, träger, dehnbarer. Hanna scheint tot, fort für immer. Die Geschichte ihres Verschwindens hat Christoph Peters nun in ein festes Holz geschnitzt.
Christoph Peters: "Stadt Land Fluß". Roman. Frankfurt Verlagsanstalt, Frankfurt 1999. 278 S., geb., 38,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Christoph Peters' bestechendes Debüt · Von Florian Illies
Thomas Walkenbach ist Glücksforscher. Er sagt "Die Erwartung des Glücks ist größer als das Glück". Er behauptet auch: "Im Glücklichsein war ich nie besonders gut. Astrid sagt manchmal, wenn ihr das Leben wieder unbeschreiblich schwer scheint, sie wolle einfach nur glücklich sein, und hält das für einen bescheidenen Anspruch." Doch ganz selten, für Sekunden nur, erfährt auch Walkenbach "Glück der Kategorie, die in der Brust schmerzt". Er ahnt aber, daß es diesen seligen Zustand der völligen Bedürfnisbefriedigung hinieden nie geben kann. Viel länger, für Jahre oft, erfährt er dafür eher Pech der Kategorie, das sich ins Hirn fräst.
Thomas Walkenbach ist auch Vergangenheitsforscher. Und Kunsthistoriker. Er ist dreiunddreißig, kommt vom Niederrhein. Raucht viel, trinkt viel, vergißt viel. Walkenbach ist der Ich-Erzähler im Romandebüt "Stadt Land Fluß" des gleichfalls dreiunddreißigjährigen Mainzer Autors Christoph Peters. Von der ersten Zeile an schlägt er einen frischen und doch fast klassischen Ton an, der das vielschichtig komponierte Werk souverän zusammenhält. Man kann "Stadt Land Fluß" als Romanze lesen: als Bericht über die Liebe des Thomas Walkenbach zu seiner Zahnärztin Hanna, über ihre Phase des Kennenlernens im Behandlungsstuhl, über die wechselseitigen Besuche bei den Schwiegereltern, über einen Liebesurlaub in Italien bis hin zur Überführung des Rausches in einen scheinbar dauerhaften Aggregatzustand.
"Stadt Land Fluß" ist auch die Geschichte eines erfolglosen Kunsthistorikers, der sich nicht sicher ist, ob er über die Philosophie der Zentralperspektive promovieren soll oder doch lieber über Henrik Douwermann, den rätselhaften spätgotischen Bildschnitzer seiner niederrheinischen Heimat. Also über die mit den Mitteln der Kunst versuchte Ordnung des Lebens und der Geschichte - oder deren ornamentale Überwucherung. Wenn er sich wieder einmal nicht entscheiden kann, bringt Walkenbach erst einmal den Müll herunter.
Zugleich ist der Roman aber auch ein ausuferndes Lamento mori: eine vielstimmige Klage über den Untergang der alten dörflichen Strukturen, vorgeführt am Beispiel des Dörfleins Niel am Niederrhein, über das Verschwinden der eingekochten Früchte, kleinkarierten Kittelschürzen und der Hausschlachtung, über scheintote Ehen vor dem Zeitalter ihrer problemlosen Reproduzierbarkeit, über Zitronenlimonade und unbeschwerte Sonntagnachmittage. "Manchmal", so heißt es einmal, "fielen mir Dinge in die Hände, belanglose Dinge, dann stürzte etwas hundert Meter tief in einen Grubenschacht, schlug auf und zerplatzte in tausend Splitter, in denen sich für den Bruchteil einer Sekunde mit schmerzhafter Deutlichkeit eine abgestorbene Empfindung spiegelte."
Hier, so scheint es, hat jemand eine Sprache für das Erinnern gefunden. Dies ist die vielleicht größte Leistung des Erzählers Christoph Peters. Ihm gelingt es aber nicht nur, die Mechanik der Erinnerung beschreibend ans Licht zu holen, sondern auch stilistisch, quasi mimetisch, die Erinnerungsschübe, Erinnerungslücken, Spurensuche auf der Kleinhirnrinde sprachlich zu erfassen. "Nebenan bei Weyers", so dämmert ihm, als er mit Hanna das erste Mal gemeinsam Kalkar besucht, "hatte ich einmal eine neue Hose bekommen, auch an einem Samstag." Thomas Walkenbach jagt vergangenen Sinneseindrücken nach wie einem davonflatternden Schmetterling, immer auf der Suche nach unbestechlichem Beweismaterial für eine halbwegs gesicherte Rekonstruktion der Vergangenheit, dabei immer allergisch gegen "die Aufschneiderei der Botenstoffe und ihren fatalen Hang zur Mythenbildung, gegen die Leichtgläubigkeit der Synapsen". Er weiß, daß man das teleologische Moment des Glücks und der Liebe nur zu fassen vermag, wenn es in die Erinnerung einzieht. Doch er ist skeptisch genug, zu ahnen, daß es bloß die Vagheit der Erinnerung ist, die Glück vortäuscht. Christoph Peters' Genauigkeit ist der größte Feind von Thomas Walkenbachs Sehnsüchten.
Gerade durch diese Genauigkeit, die so klare wie unsentimentale Sprache, gelingt es Peters, den Leser nachhaltig im unklaren zu lassen. Das Buch beginnt mit einem furiosen Kapitel, das mit allerlei Fußnotenbrimborium soviel Klarstellendes über die Differenz zwischen Thomas Walkenbach und Christoph Peters sowie dem unbekannten Vorwortschreiber "C.P." berichtet, daß einem schon nach fünfzehn Seiten der Boden unter den Füßen wankt. Doch auch der große Spannungsbogen wird wie ein Flitzebogen dreihundert Seiten lang gespannt, ohne daß der Pfeil abgeschossen würde: Ist Hanna, die Geliebte, wirklich unheilbar an Brustkrebs erkrankt? Ist sie gar schon gestorben - oder sind die ganzen Erinnerungen und Phantasien Ausgeburten bebrüteter Angstträume Walkenbachs im Angesicht eines ungeöffneten Briefes vom medizinischen Labor auf dem Küchentisch?
In wohlüberlegtem Takt schwingt der Pendel des Erzählens hin und her, mit einer Sprache, die so sinnlich ist wie eiskalt, verwebt auf Autofahrten die Landschaft mit den Hirngespinsten des Erzählers und den Wortfetzen aus dem Autoradio, verbindet die Erinnerung an Fragen der Eltern ("Ihr kommt doch jetzt öfter, nicht wahr?") mit Bruchstücken aus der geplanten kunsthistorischen Dissertation und Lustaufwallungen angesichts Hannas nacktem Nacken. Verschränkt Präsens mit Präteritum und Erfahrungskunde mit Philosophie. Ebenso verschlingen sich Heimatgeschichten und Familiengeschichte, Erdgeschichte und Kunstgeschichte zu einem großen, undurchdringlichen Kontinuum.
Und dann kommt wieder, wie so oft, Douwerman ins Spiel, der große, genialische Bildschnitzer und sein Georgsaltar aus Kalkar - das von innen langsam Hervorwachsende taugt Walkenbach besser zur Beschreibung der Wirklichkeit als die von außen auferlegte zentrale Erzählperspektive. "Douwerman schnitt Jesses Alptraum in Holz: Es ist unmöglich, die eigenen Wurzeln freizulegen, das Gewirr der Büsche bleibt undurchdringlich, das Erdreich steinhart. Aber die ausgewachsenen Triebe der Väter werden die Käfigstangen der Söhne." Mit analytischer Schärfe und schriftstellerischer Poesie überführt Peters hier die lokale Kunstgeschichte in die universale Menschheitsgeschichte. Weil die Biographien der Großeltern und Eltern im Nachkriegsdeutschland so viel Schweigen und so viel Verschwiegenes enthielten, wurden sie, obwohl sie permanent erzählt wurden, literarisch unerzählbar. Nun ergreift eine neue Generation, gestärkt durch die Dynamik der Vereinigung, das Wort und rüttelt an den Käfigstangen, so lange, bis das Erdreich der Vergangenheit ein wenig weich wird. Und man daraus ein bundesrepublikanisches Buch der Erinnerung formen kann. Und eines des Vergessens. Etwa im Angesicht einer weiblichen Brust: "Keine Erinnerung an die Empfindung des Kindermundes", bilanziert Walkenbach, der Glücksforscher, Sinneseindrucksarchäologe und Inventarisierer großer und kleiner Untergänge des Abendlandes.
Wenn man will, kann man Douwermans Schnitzaltar auch als geheimes Konstruktionsschema des gesamten Buches von Christoph Peters sehen. Als Wurzel-Jesse-Predella dient ihm die Vorbemerkung: Die Vorspiegelung einer einfachen Genealogie der biblischen Stämme, die in Wahrheit im undurchschaubaren Ästegewirr endet, gibt das Muster vor für das Verwirrspiel um die Identität des Autors. Die Apokalypse der einen Seitentafel wird konkretisiert am Untergang der Dorfgemeinschaft von Niel und dem Tod des schrulligen, geliebten Onkels Henno. Der Mittelteil entspricht mit seinem Italienurlaub an einem verwunschenen Fluß, über dem nur die Vöglein singen, dem Paradiesszenario. Die rechte Seitentafel mit dem Martyrium der heiligen Ursula schließlich findet ihre Entsprechung in der Leidensgeschichte von Hanna, die Thomas Walkenbach im letzten Teil des Romans erzählt, verängstigt, panisch.
Auf den letzten Seiten wird der Erzählfluß, der zuvor so stark und kräftig voranströmte wie der Rhein, an dessen Ufern dieser Roman spielt, beruhigt, die Sprache verlangsamt sich, die Sätze werden kürzer, Walkenbachs Erinnerungen blasser, träger, dehnbarer. Hanna scheint tot, fort für immer. Die Geschichte ihres Verschwindens hat Christoph Peters nun in ein festes Holz geschnitzt.
Christoph Peters: "Stadt Land Fluß". Roman. Frankfurt Verlagsanstalt, Frankfurt 1999. 278 S., geb., 38,- DM.
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"Ein in jeder Hinsicht perfektes Debüt: Eine scheinbar ganz normale Liebesgeschichte, aber voller doppelbödiger Spannung. Ein Glücksfall ..." WERNER FULD, FOCUS