Produktdetails
- Verlag: Kramer, Frankfurt
- Seitenzahl: 368
- Deutsch
- Abmessung: 240mm
- Gewicht: 942g
- ISBN-13: 9783782905572
- ISBN-10: 3782905571
- Artikelnr.: 13143773
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.08.2005Keine Denkmäler mehr
Eine Studie arbeitet die Unterschiede zwischen Frankfurt und Lyon von 1918 bis 1939 heraus
Der Erste Weltkrieg hatte den Frankfurtern die Lust am Denkmälerbau weitgehend ausgetrieben. Waren im Kaiserreich nach 1871 von der Stadtverwaltung immerhin 17 Denkmäler errichtet worden, die vor allem an Dichter und Denker erinnerten, so kam nach 1918 nur eines hinzu. In der heutigen Frankfurter Partnerstadt Lyon hingegen hielt die Denkmalmanie auch über den Krieg hinweg an, die Verwaltung gedachte so nicht nur der Kriegsopfer, sondern auch verstorbener Politiker, Kulturschaffender und Industrieller in großer Zahl. Solche und andere Unterschiede in der Kommunalpolitik zwischen den beiden Weltkriegen hat Klaus Becker in seiner Dissertation herausgearbeitet, die jetzt unter dem Titel "Stadtkultur und Gesellschaftspolitik" beim Verlag Waldemar Kramer erschienen ist.
Der Vergleich zwischen den beiden Städten zeigt wie zu erwarten, daß das Verhältnis zwischen der Zentralregierung und den Kommunalpolitikern in Frankreich ein ganz anderes war als im Deutschen Reich. Während Becker für die Beziehungen im Nachbarstaat Vertrauen und Zusammenarbeit konstatiert, war das Verhältnis des Frankfurter Magistrats zu Berlin von Mißtrauen und Konkurrenz beherrscht. Gemeinsam war beiden Stadtverwaltungen hingegen ein enormes Interesse daran, die städtische Daseinsvorsorge auszubauen, und zwar über das traditionelle Feld der Schulen hinaus auch in der Kultur, dem Wohnungsbau und dem Sport. Dabei waren die Interessenlagen bisweilen bemerkenswert identisch; hier wie dort entstand beispielsweise ein großes Stadion. Als Sonderweg der kommunalen Daseinsvorsorge darf indes wohl gelten, daß sich die Stadtverwaltung Lyons sogar zur finanziellen Förderung des populären Boulespiels veranlaßt sah.
Die Studie Beckers läßt sich unter solchen vergleichenden Aspekten lesen, wobei stets der Frage nachgegangen wird, inwiefern die jeweilige Kommunalpolitik zur Herausbildung einer "kollektiven Identität" beitrug oder diese sogar forcierte. Die Arbeit liefert jedoch zugleich einen recht detaillierten Einblick in einzelne Zweige der Frankfurter Kommunalpolitik der Zwischenkriegszeit. Solange es an der modernen mehrbändigen Stadtgeschichte Frankfurts fehlt, die bereits zum Stadtjubiläum 1994 angekündigt war, wird man sich mit solchen Studien behelfen müssen. Becker hat tief geschürft und aus den Archivalien allerhand zutage gefördert. So war es dem Frankfurter Magistrat nach 1918 wichtig, daß sich die Stadt schon mit ihren Straßennamen zur umstrittenen Republik bekannte, weshalb etwa aus dem Hohenzollernplatz der Platz der Republik wurde, aus der Wilhelmstraße die Stresemannallee und aus dem Theaterplatz der Rathenauplatz. Bekannter ist, daß die Nationalsozialisten mit großer Lust Straßen und Plätzen die Namen ihrer Parteigrößen gaben. Bis 1938 kam es zu 113 Um- und Neubenennungen. Die Denkmalbauwut des Kaiserreichs setzten die neuen Herren indes nicht fort, wiewohl sie sonst nicht die geringste Scheu vor öffentlicher Selbstdarstellung ihrer Macht hatten. Wie Becker schreibt, blieb es nach 1933 bei der Aufstellung einiger Brunnen und Statuen. Das einzige Denkmal, das die Stadtverwaltung nach 1918 hatte aufstellen lassen, stürzten die Nationalsozialisten indes, kaum daß sie das Regiment im Römer übernommen hatten. Schon am 12. April 1933 mußte das Friedrich-Ebert-Denkmal, das am 11. August 1926, dem Verfassungstag, feierlich vor der Paulskirche enthüllt worden war, weichen.
MANFRED KÖHLER
Klaus Becker, Stadtkultur und Gesellschaftspolitik. Frankfurt am Main und Lyon in der Zwischenkriegszeit 1918-1939 (Studien zur Frankfurter Geschichte, Band 53), Verlag Waldemar Kramer, Frankfurt 2005, 378 Seiten, 34,80 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Eine Studie arbeitet die Unterschiede zwischen Frankfurt und Lyon von 1918 bis 1939 heraus
Der Erste Weltkrieg hatte den Frankfurtern die Lust am Denkmälerbau weitgehend ausgetrieben. Waren im Kaiserreich nach 1871 von der Stadtverwaltung immerhin 17 Denkmäler errichtet worden, die vor allem an Dichter und Denker erinnerten, so kam nach 1918 nur eines hinzu. In der heutigen Frankfurter Partnerstadt Lyon hingegen hielt die Denkmalmanie auch über den Krieg hinweg an, die Verwaltung gedachte so nicht nur der Kriegsopfer, sondern auch verstorbener Politiker, Kulturschaffender und Industrieller in großer Zahl. Solche und andere Unterschiede in der Kommunalpolitik zwischen den beiden Weltkriegen hat Klaus Becker in seiner Dissertation herausgearbeitet, die jetzt unter dem Titel "Stadtkultur und Gesellschaftspolitik" beim Verlag Waldemar Kramer erschienen ist.
Der Vergleich zwischen den beiden Städten zeigt wie zu erwarten, daß das Verhältnis zwischen der Zentralregierung und den Kommunalpolitikern in Frankreich ein ganz anderes war als im Deutschen Reich. Während Becker für die Beziehungen im Nachbarstaat Vertrauen und Zusammenarbeit konstatiert, war das Verhältnis des Frankfurter Magistrats zu Berlin von Mißtrauen und Konkurrenz beherrscht. Gemeinsam war beiden Stadtverwaltungen hingegen ein enormes Interesse daran, die städtische Daseinsvorsorge auszubauen, und zwar über das traditionelle Feld der Schulen hinaus auch in der Kultur, dem Wohnungsbau und dem Sport. Dabei waren die Interessenlagen bisweilen bemerkenswert identisch; hier wie dort entstand beispielsweise ein großes Stadion. Als Sonderweg der kommunalen Daseinsvorsorge darf indes wohl gelten, daß sich die Stadtverwaltung Lyons sogar zur finanziellen Förderung des populären Boulespiels veranlaßt sah.
Die Studie Beckers läßt sich unter solchen vergleichenden Aspekten lesen, wobei stets der Frage nachgegangen wird, inwiefern die jeweilige Kommunalpolitik zur Herausbildung einer "kollektiven Identität" beitrug oder diese sogar forcierte. Die Arbeit liefert jedoch zugleich einen recht detaillierten Einblick in einzelne Zweige der Frankfurter Kommunalpolitik der Zwischenkriegszeit. Solange es an der modernen mehrbändigen Stadtgeschichte Frankfurts fehlt, die bereits zum Stadtjubiläum 1994 angekündigt war, wird man sich mit solchen Studien behelfen müssen. Becker hat tief geschürft und aus den Archivalien allerhand zutage gefördert. So war es dem Frankfurter Magistrat nach 1918 wichtig, daß sich die Stadt schon mit ihren Straßennamen zur umstrittenen Republik bekannte, weshalb etwa aus dem Hohenzollernplatz der Platz der Republik wurde, aus der Wilhelmstraße die Stresemannallee und aus dem Theaterplatz der Rathenauplatz. Bekannter ist, daß die Nationalsozialisten mit großer Lust Straßen und Plätzen die Namen ihrer Parteigrößen gaben. Bis 1938 kam es zu 113 Um- und Neubenennungen. Die Denkmalbauwut des Kaiserreichs setzten die neuen Herren indes nicht fort, wiewohl sie sonst nicht die geringste Scheu vor öffentlicher Selbstdarstellung ihrer Macht hatten. Wie Becker schreibt, blieb es nach 1933 bei der Aufstellung einiger Brunnen und Statuen. Das einzige Denkmal, das die Stadtverwaltung nach 1918 hatte aufstellen lassen, stürzten die Nationalsozialisten indes, kaum daß sie das Regiment im Römer übernommen hatten. Schon am 12. April 1933 mußte das Friedrich-Ebert-Denkmal, das am 11. August 1926, dem Verfassungstag, feierlich vor der Paulskirche enthüllt worden war, weichen.
MANFRED KÖHLER
Klaus Becker, Stadtkultur und Gesellschaftspolitik. Frankfurt am Main und Lyon in der Zwischenkriegszeit 1918-1939 (Studien zur Frankfurter Geschichte, Band 53), Verlag Waldemar Kramer, Frankfurt 2005, 378 Seiten, 34,80 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main