Der Untertitel führt inhaltlich in Irre: Es ist weniger der Alltag und noch weniger die allgemeine altägyptische Gesellschaft, die in den Fachbeiträgen dargestellt werden und selbst die Beschränkung auf die pharaonische Zeit stimmt nicht ganz. Am Beispiel der Geschichte zweier Metropolen wird vor
allem die Stadtentwicklung anhand von Grabungsbefunden dargestellt, die mit deutscher…mehrDer Untertitel führt inhaltlich in Irre: Es ist weniger der Alltag und noch weniger die allgemeine altägyptische Gesellschaft, die in den Fachbeiträgen dargestellt werden und selbst die Beschränkung auf die pharaonische Zeit stimmt nicht ganz. Am Beispiel der Geschichte zweier Metropolen wird vor allem die Stadtentwicklung anhand von Grabungsbefunden dargestellt, die mit deutscher Fachunterstützung in den letzten zwei Jahrzehnten erhoben wurden. Es sind dies die umfangreichen Grabungen in Pi-Ramesse im Nildelta, der ehemaligen Hauptstadt Ramses II., deren Entdeckung noch gar nicht so lange zurückliegt, sowie die Stadt Hermopolis, Gauhauptstadt in Oberägypten, mit einem Fokus auf die Ptolemäer bis weit in die Römerzeit.
Zunächst wird geklärt, was die Ägypter unter einer „Stadt“ verstanden und ob sich diese Definition mit unserem heutigen Bild deckt. Hier bieten unerwartet Städtehymnen tiefere Einblicke in die Wahrnehmung der Bevölkerung, wobei unklar bleibt, ob es sich um Herrscherlyrik oder eher Brauchtum handelte.
Der Grabungsort Pi-Ramesse besitzt Vor- und Nachteile: Er wurde nur minimal rezent überbaut, aber schon in der Antike weitgehend demontiert. Spolien finden sich zahlreich in benachbarten Städten, aber außer Fundamenten ist vor Ort wenig geblieben. Dennoch lassen sich viele Funktionen im städtebauliche Kontext identifizieren und auch die technische Beherrschung des Nils ist rekonstruierbar. Nicht erhalten ist die materielle Kultur der einfachen Bewohner (wenn es sie in Pi-Ramesse denn gab), denn im Nildelta sind vergängliche Objekte, anders als in der Wüste, nicht erhalten geblieben.
Hermopolis teilt mit Pi-Ramesse den Umstand, niemals überbaut worden zu sein, was großräumige Untersuchungen erlaubt. Die Autoren fokussieren sich hier besonders auf die ptolemäische und römische Stadtplanung, deren Bauprinzipien und Nutzungskonzepte. Es wird deutlich, dass die Gauhauptstadt gerade in römischer Zeit eine letzte große Blüte hatte.
Die Kapitel zur Organisation der Gesellschaft und zum Alltagsleben sind äußerst kurz geraten, wenn nicht sogar enttäuschend oberflächlich. Es sind kurze Einführungen in Themen wie Verkehr, Handel, Musik, Spiele oder der Herstellung von Lebensmitteln. Die Themen werden summarisch abgehandelt, es gibt keine Informationen über zeitliche Entwicklungen oder konkrete Ausgestaltungen und nur sehr wenige Funde werden abgebildet, um die Aussagen zu belegen. Im Gegensatz zu den architektonischen Untersuchungen, die fachlich oft sehr ins Detail gehen, reichen diese Informationen kaum über einen „Was ist was?“-Band hinaus. Der Adressatenkreis für das Buch hat sich mir im Nachhinein nicht erschlossen. Da die Themen Alltag und Gesellschaft im Titel prominent erwähnt werden, ergibt sich eine Erwartungshaltung, die für mich jedenfalls weitgehend nicht erfüllt wurde.
(Dieses Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)