In dieser Untersuchung nimmt Maurice Halbwachs lange nach seiner Arbeit über die Cadres sociaux de la mémoire, erneut eine Fragestellung auf, die damals die Grenzen der Humanwissenschaften neu abgesteckt hatte. Seine "Topographie" des geschichtlichen Wandels der christlichen Überlieferung zeichnet den Zugriff religiöser Gruppen auf die materiellen und räumlichen Bedingungen ihres Gedenkens nach und zeigt, auf welche Weise sich das religiöse Gedächtnis selbst eine Ordnung, einen Rahmen des Erinnerns gibt, der sich in geographischer Kontinuität versinnbildlicht. Das sich gegenseitig Dauer sichernde Verhältnis von materiellem und repräsentiertem Raum, eines Raums, der immer deutlicher die Spuren seiner gesellschaftlichen Bestimmungsgründe trägt und so als Möglichkeitsbedingung einer "subjektiven" Zeit entsteht, sieht Halbwachs als historisches Ergebnis einer unablässigen "Arbeit" sozialer Gruppen, ihrer kollektiven Aneignung von Raum und Zeit. Das Gesamtwerk Maurice Halbwachs in der édition discours umfasst 7 Bände (ISBN 3-89669-990-3). Die Ausgabe wird im Frühjahr mit Erscheinen des Materialbandes abgeschlossen.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Jan Assmann begrüßt sehr, dass dieses im Original bereits 1941 erschienene Buch von Halbwachs nun endlich übersetzt worden ist. So könne nun ein Umstand sichtbar werden, den der Rezensent "hochinteressant" nennt: Halbwachs habe seinen bis zu diesem Buch strikt auf das lebendige Gedächtnis beschränkten Gedächtnisbegriff sowie seine ganzen Hypothesen hier nun, und "offenbar bedenkenlos", auf die Sphäre der äußeren Zeichen ausgedehnt. Halbwachs habe in diesem letzten von ihm vollendeten Buch zum Thema Gedächtnis also, schreibt Assmann, seinen Focus vom "kollektiven" zum "kulturellen" Gedächtnis hin verlagert. Gegenstand dieses Buches sind, so erfahren wir, die Stätten des christlichen Gedächtnisses im Heiligen Land - an deren Beispiel Halbwachs dann unter anderem seine These belege, wonach Gedächtnis immer im Nachhinein rekonstruiert wird; insofern die Errichtung vieler dieser Stätten im Nachhinein nämlich aktuellen Bedürfnissen eines zur Staatskirche aufgestiegenen Christentums entsprang.
© Perlentaucher Medien GmbH
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