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Donald Rayfield, 1942 geboren, Studium an der Universität von Cambridge. Seit 1968 Professor für russische und georgische Geschichte und Literatur am Queen Mary College der Universität London. Zahlreiche Bücher, darunter eine Biographie des russischen Dichters Anton Tschechow. Wegen "Verdienste um die slawische Kulturen" ausgezeichnet mit dem Orden "Officer of the British Empire". Lebt mit seiner Frau in der Nähe von London.
Ein Genozid unvorstellbaren Ausmaßes Nachdem vor einigen Jahren Archive des Politbüros, des KGB und anderer Institutionen des untergegangenen Sowjetreichs für
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Produktbeschreibung
Donald Rayfield, 1942 geboren, Studium an der Universität von Cambridge. Seit 1968 Professor für russische und georgische Geschichte und Literatur am Queen Mary College der Universität London. Zahlreiche Bücher, darunter eine Biographie des russischen Dichters Anton Tschechow. Wegen "Verdienste um die slawische Kulturen" ausgezeichnet mit dem Orden "Officer of the British Empire". Lebt mit seiner Frau in der Nähe von London.
Ein Genozid unvorstellbaren Ausmaßes
Nachdem vor einigen Jahren Archive des Politbüros, des KGB und anderer Institutionen des untergegangenen Sowjetreichs für Wissenschaftler geöffnet wurden, konnte Donald Rayfield neue Erkenntnisse über Stalin und seine Henker Dserschinski, Menschinski, Jagoda, Jeschow, Berija und ihre wichtigsten Komplizen gewinnen. So entstand das beklemmende Porträt einer Epoche vom Vorabend der Oktoberrevolution bis zur Exekution Berijas im Dezember 1953 , in der ein skrupelloses Regime gegen das eigene Volk wütete.
Auf dem 20. Parteitag der KPdSU im Februar 1956 verblüffte Nikita Chruschtschow die Weltöffentlichkeit durch seine radikale Abrechnung mit Stalin und dem Stalinismus. Die Enthüllungen über grausame Willkürakte und die Massenmorde des sowjetischen Diktators waren damals noch lückenhaft. Das ganze Ausmaß der Gräuel wurde erst sichtbar, nachdem man Archive in Russland Historikern aus aller Welt zugänglich gemacht hatte. Einer von ihnen, der LondonerProfessor Donald Rayfield, porträtiert nun nach intensiven Studien eines der düstersten Kapitel in der Geschichte der Sowjetunion.
Stalin und seine Henker werden mit kurzen, prägnanten Biographien vorgestellt eine Chronologie des Terrors. Der Autor aber beschreibt nicht nur das brutale wie banale, das ausschweifende wie zwielichtige Leben der Täter, sondern bringt immer wieder auch ausführliche Exkurse zur Geschichte der UdSSR. Dabei werden die Hungersnöte, die Zerschlagung des Bauernstandes, die Ermordung der alten Herrscherschicht, die Schauprozesse, die Enthauptung der Roten Armee (34000 Offiziere wurden erschossen), die Deportation von Dissidenten und die Ausrottung ethnischer Minderheiten mit einer Fülle konkreten Materials geschildert.
Rayfield musste bei den Recherchen für dieses Buch bestürzt registrieren, dass der Terror dieser barbarischen Zeit in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion verdrängt, häufig sogar geleugnet wird.
Autorenporträt
Donald Rayfield, geboren 1942, Studium an der Universität von Cambridge. Seit 1968 Professor für russische und georgische Geschichte und Literatur am Queen Mary College der Universität London. Zahlreiche Bücher, darunter eine Biographie des russischen Dichters Anton Tschechow. Für "Verdienste um die slawische Kulturen" ausgezeichnet mit dem Orden "Officer of the British Empire". Lebt mit seiner Frau in der Nähe von London.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.09.2004

Fünf Henker
Biographische Annäherungen an das stalinistische Terrorsystem

Donald Rayfield: Stalin und seine Henker. Aus dem Englischen von Hans Freundl und Norbert Juraschitz. Karl Blessing Verlag, München 2004. 618 Seiten, 25,- [Euro].

Mitte Dezember 1986 kündigte Radio Moskau eine neue Informationspolitik an. Die Kommunistische Partei forderte die Massenmedien zu offener Berichterstattung über das politische, wirtschaftliche und soziale Leben im Lande auf. Im Februar 1987 überrascht Gorbatschow, bisher in diesem Punkt eher zurückhaltend, mit der lapidaren Feststellung, man müsse auch die Geschichte sehen, "wie sie ist". "Weiße Flecken" und "vergessene Namen" dürfe es künftig nicht mehr geben. Im Rückblick wissen wir, welches Erdbeben er damit auslöste. Es stürzte Denkmäler von ihrem Sockel, erwies sicher geglaubte Fundamente als brüchig, riß Gräben zwischen Partei und Gesellschaft auf, tiefer und unüberbrückbarer, als es politisches Dissidententum und nonkonformes Verhalten seit den fünfziger und sechziger Jahren je vermochten.

Im Kino, im Theater, im Fernsehen, in Tageszeitungen und Illustrierten sah man sich nun mit den Themen der Vergangenheit konfrontiert. Sie stellten nach und nach in Frage, was bisher als unantastbar galt, worauf der sowjetische Staat ruhte, was die Herrschaft der Partei und ihren Anspruch auf die Macht scheinbar legitimierte. Sie zeigten, daß Repression und Terror nicht erst eine Erfindung Stalins waren, vielmehr seit der Revolution zu den Mitteln und Stützen bolschewistischer Politik gehörten. Diese Maßnahmen richteten sich nicht nur, wie behauptet, gegen "Klassenfeinde" und "Volksverräter", sondern auch gegen jeden, der in den Verdacht geriet, sich der totalitären Macht nicht zu fügen. Bekannt wurde, daß die Zahl der politischen Opfer, die erschossen wurden, in den Arbeitslagern umkamen oder dem Hunger erlagen, in die Millionen ging.

Profile der Täter

Die Beseitigung des kommunistischen Machtmonopols, die Auflösung der Sowjetunion und die allmähliche Öffnung der Archive erlaubten seit Anfang der neunziger Jahre, den Wellen der Repression im einzelnen nachzugehen, im Zentrum und draußen im Lande, Ziele, Formen und Mechanismen des Terrors zu beschreiben, Voraussetzungen und Reaktionen zu bestimmen, Täterprofile und Opfergruppen auszumachen, Anklage- und Bekenntnisrituale zu untersuchen, Zahlenangaben zu überprüfen. Die Ergebnisse dieser Forschungen schlugen sich in einer stattlichen Anzahl von Dokumentationen, Monographien, Sammelbänden und Einzelaufsätzen nieder.

Auf sie konnte sich Donald Rayfield bei seinem Buch über "Stalin und seine Henker" stützen. Wie der Titel schon sagt, sucht er eine biographische Annäherung an das Thema, mit Porträts von Stalin und jenen fünf illuster-finsteren Personen, die ihm zwischen der Revolution und dem Anfang der fünfziger Jahre als Leiter der sowjetischen Geheimpolizei dienten: Ihre Geschichte begann mit Felix E. Dserschinski, dem noch von Lenin eingesetzten Vorsitzenden der im Dezember 1917 gegründeten "Kommission zur Bekämpfung von Konterrevolution und Sabotage". Aus dem polnischen Kleinadel stammend, ebenso asketisch in seinem Aussehen wie skrupellos in seiner Amtsführung, prägte er den legendären Ruf der berüchtigten Tscheka. Nach dessen Tod (1926) folgte ihm sein Stellvertreter Wjatscheslaw Menshinski nach, nichtproletarischer Herkunft auch er. Sein Vater war russifizierter Pole, Historiker, er selbst Jurist, mit Auslandserfahrungen und musischen Begabungen. Sie hinderten ihn nicht, mit professioneller Brutalität Ende des Jahrzehnts gegen die eigensinnigen Bauern vorzugehen, die sich gegen die Zwangskollektivierung zur Wehr setzten. Dabei war ihm sein umtriebiger Stellvertreter Genrich Jagoda zur Hand, der ihn während seiner immer häufigeren krankheitsbedingten Ausfälle auch vertrat und der ihm nach seinem Tod (1934) im Amt nachfolgte.

Jagoda war jüdischer Herkunft, die Familie aus Polen zugezogen, der Vater Besitzer eines kleinen Druckereibetriebs in der Provinz. Der Ausbau der Organisation, die nun bereits Teil des Innenkommissariats (NKWD) war und Mitte der dreißiger Jahre auch die Hauptverwaltung über das umfangreiche Lagersystem (GULag) übernahm, galt zu einem gut Teil als sein Werk. Das hinderte Stalin nicht, sich seiner 1936 zu entledigen, ihn zunächst auf den Posten eines Volkskommissars für das Fernmeldewesen abzuschieben, ihn im Folgejahr verhaften und 1938 in einem Schauprozeß (wegen angeblicher Mordanschläge auf Sowjetprominenz) aburteilen zu lassen. Er wurde schuldig gesprochen und erschossen.

Den Prozeß hatte der Nachfolger vorbereitet, Nikolaj Jeschow, in dessen zweijähriger Dienstzeit die Exzesse der Säuberungen ihren Höhepunkt erreichten. Über eineinhalb Millionen Sowjetbürger wurden wegen angeblicher Staatsverbrechen in den Jahren 1937/38 verhaftet, über 700000 erschossen. Kaum jemand, der ihn von früher kannte, hätte Jeschow dies zugetraut: Nur 1,50 Meter groß, von eher schwächlicher gesundheitlicher Konstitution, wozu auch der beträchtliche Alkoholkonsum beigetragen haben mag, kein großer Redner, nicht sonderlich gebildet, schon gar kein Intellektueller, einer, der bei den innerparteilichen Auseinandersetzungen nicht immer auf der "richtigen" Seite gestanden hatte, vermutlich homosexuell - das alles machte ihn offenkundig zum willigen Werkzeug in Stalins Hand. Freilich eines, das Stalin ebenso unversehens zur Seite legte, als es ihm mit den Schauprozessen genug zu sein schien, man einen Schuldigen an den Exzessen brauchte. So überlebte Jeschow seine Degradierung zum Volkskommissar für Binnenschiffahrt (Ende 1938) nicht lange.

Das Amt übernahm nun Lawrenti Beria. Mingrelier nach seiner Herkunft, Absolvent des Bakuer Polytechnikums von seiner Ausbildung her, war er bereits seit Jahren nur noch im Dienste der Partei und des NKWD tätig. Mit der Durchführung von "Säuberungen" in Georgien, ohne Rücksicht auf ehemalige Freunde, hatte er sich einen Namen als ebenso treuer wie verschlagener Gefolgsmann Stalins gemacht. Unter Beria wurde die Geheimpolizei aus dem Innenkommissariat wieder ausgegliedert und einem eigenen Volkskommissariat für Staatssicherheit (NKGB) unterstellt.

Keine Gemeinsamkeiten

Fünf von ihrer Herkunft und ihrem Zuschnitt recht unterschiedliche Personen. Hat sich dies in ihrer Amtsführung bemerkbar gemacht? Oder wurden sie mit der Übernahme des Amtes, vielleicht auch schon vorher, zu bloßen Rädchen in einem - noch näher zu beschreibenden - Gesamtsystem? Gab es Gemeinsamkeiten in ihrer Herkunft, in ihrem Charakter, in ihrem Lebenslauf, dunkle oder helle Punkte, die sie zu diesem Amt - zumindest in Stalins Augen - prädestinierten? Und liefern diese Gemeinsamkeiten Hinweise, um dem Funktionieren der stalinistischen Herrschaft auf die Spur zu kommen? Nicht zuletzt: Liefern sie Befunde, die zugleich die hier gewählte biographische Annäherungsweise rechtfertigen? Auf solche Fragen, kaum gestellt, erhält der Leser keine rechte Antwort. Ansätze der Erklärung werden immer wieder rasch von einer Flut von Namen, Daten und Ereignissen überspült, wie sie von der Forschung inzwischen zu den Repressionswellen der zwanziger, dreißiger und vierziger Jahre zusammengetragen wurden. Hier ausgebreitet, fällt es dem Leser schwer, den Überblick zu behalten. So macht die Lektüre einmal mehr fassungslos ob der Monstrosität des Verbrechens - ohne zugleich Fingerzeige zu seiner Aufklärung zu liefern.

HELMUT ALTRICHTER

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"... Rayfield gibt einen guten Einblick in Stalins Beziehungen zu seinen Oberschergen ... Eine solche Untersuchung ist wichtig, weil sie einen Kontrast bildet zu manchen zu stark auf den Generalissimus fixierten Darstellungen. ...Das Buch wartet mit zahlreichen unbekannten Details auf ..." -- Neue Zürcher Zeitung

"So macht die Lektüre einmal mehr fassungslos ob der Monströsität des Verbrechens..." -- Frankfurter Allgemeine Zeitung

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Eine schier unermessliche Fülle von Fakten über das bestialische Gesicht des sowjetischen Staates" sieht Rezensent Edward Kanterian in diesem Buch des Historikers Donald Rayfield ausgebreitet. Sehr erhellend findet er etwa die Passagen über die "unheilige Allianz von Dichtern und Mördern", die sich in der Tscheka gebildet hatte, und er zitiert ein recht gruseliges Beispiel tschekistischer Lyrik: " "Es gibt keine größere Freude, keine schönere Musik / als das Krachen gebrochener Leben und Knochen. / . . . Und deshalb will ich auf dein Urteil eine unerschütterliche Sache / schreiben: An die Wand! Feuer!" Ansonsten ist Kanterians Urteil jedoch gespalten. Zwar lobt er Rayfields Ansatz einer "personenbezogenen Analyse", doch erreiche er dabei nie die Tiefe etwa eines Joachim Fests. Auch gleitet Rayfield sein umfangreiches Material allzu oft aus der Hand, moniert der Rezensent, so dass die vielen Anekdoten das Buch zwar lesenswerter machen, aber eben auch etwas "konzeptlos".

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