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Dieses Buch zerstört eine Legende: die vom radikalen Traditionsbruch, wie sie die Avantgarde des 20. Jahrhunderts von sich verbreitet hat. Die Akzeptanz dieser Erfindung schien so unumstößlich, dass die Denkfigur, die darin festgeschrieben ist, bis heute ohne kritischen Einwand blieb. Die Legende von der avantgardistischen Innovation zu analysieren, bedeutet folglich, sie zu zerstören. Den Anstoß dazu gab die Avantgarde selbst mit der Layoutierung ihrer eigenen Vorgeschichte. Geschichtsdiagramme, für die es bislang keinen rechten Begriff, geschweige denn ein bildwissenschaftliches Bewusstsein…mehr

Produktbeschreibung
Dieses Buch zerstört eine Legende: die vom radikalen Traditionsbruch, wie sie die Avantgarde des 20. Jahrhunderts von sich verbreitet hat. Die Akzeptanz dieser Erfindung schien so unumstößlich, dass die Denkfigur, die darin festgeschrieben ist, bis heute ohne kritischen Einwand blieb. Die Legende von der avantgardistischen Innovation zu analysieren, bedeutet folglich, sie zu zerstören. Den Anstoß dazu gab die Avantgarde selbst mit der Layoutierung ihrer eigenen Vorgeschichte. Geschichtsdiagramme, für die es bislang keinen rechten Begriff, geschweige denn ein bildwissenschaftliches Bewusstsein gab, die jedoch das latente Spannungsverhältnis zwischen Tradition und Erneuerung vermitteln, bilden das Ausgangsmaterial für diese Untersuchung. Gemeint sind Kunststammbäume. Bei dieser Bildgattung handelt es sich um genealogische Konstruktionen, mit denen Künstler wie Historiker unsere Ansicht und unser Urteilsvermögen über den Verlauf der Kunst nachhaltig prägten. Ihre ikonische Festschreibung von konsekutiven Epochen und ihre diagrammatische Verortung der Maler und Bildhauer brachten System in den Ablauf der Geschichte. Anhand von Verzweigungssystemen machten sie den Verlauf der Entwicklungen anschaulich und setzten zum besseren Verständnis abstrakte Schautafeln und Graphen ein. Mit dem Kunststammbaum als der übergeordneten Kategorie eines heterogenen Phänomens ist also einerseits ein historiographischer Ordnungstypus und andererseits ein Herleitungsmodel in der Art eines Filiationsnachweises gemeint. In den genealogischen Neuordnungen der Vergangenheit kommt das wechselnde Selbstverständnis der Moderne exemplarisch zum Ausdruck. Schon aus diesem Grund ist der Kunststammbaum ein bemerkenswertes Symptom für avanciertes Geschichtsbewusstsein. How has the history of art been made visible, and how is it made visible today? Family trees, diagrams, tables-this book by Astrit Schmidt-Burkhardt looks at the subject from the nineteenth century to today. This book also destroys a legend: the legend of the radical break in tradition that the avantgarde of the twentieth century claimed for itself. This idea was so widely and unequivocally accepted that the category of thinking that it encapsulated has remained unchallenged to this day. Art family trees are genealogical constructions by means of which artists and historians have exerted a lasting influence on the way we perceive and judge the history of art. Their iconical notation of consecutive epochs and diagrammatic positioning of artists brought order to the course of history. The use of a system of branches made it easier to consider complex issues, and so enabled new insights. For these reasons the art genealogy is a remarkable sign of an advanced consciousness of history.
Astrit Schmidt-Burkhardt

Stammbäume der Kunst

Zur Genealogie der Avantgarde

2005. IX, 473 S., 202 schwarz-weiße Abbildungen, br.

ISBN 978-3-05-004066-0

Dieses Buch zerstört eine Legende: die vom radikalen Traditionsbruch, wie sie die Avantgarde des 20. Jahrhunderts von sich verbreitet hat. Die Akzeptanz dieser Erfindung schien so unumstößlich, dass die Denkfigur, die darin festgeschrieben ist, bis heute ohne kritischen Einwand blieb. Die Legende von der avantgardistischen Innovation zu analysieren, bedeutet folglich, sie zu zerstören. Den Anstoß dazu gab die Avantgarde selbst mit der Layoutierung ihrer eigenen Vorgeschichte. Geschichtsdiagramme, für die es bislang keinen rechten Begriff, geschweige denn ein bildwissenschaftliches Bewusstsein gab, die jedoch das latente Spannungsverhältnis zwischen Tradition und Erneuerung vermitteln, bilden das Ausgangsmaterial für diese Untersuchung.

Gemeint sind Kunststammbäume. Bei dieser Bildgattung handelt es sich um genealogische Konstruktionen, mit denen Künstler wie Historiker unsere Ansicht und unser Urteilsvermögen über den Verlauf der Kunst nachhaltig prägten. Ihre ikonische Festschreibung von konsekutiven Epochen und ihre diagrammatische Verortung der Maler und Bildhauer brachten System in den Ablauf der Geschichte. Anhand von Verzweigungssystemen machten sie den Verlauf der Entwicklungen anschaulich und setzten zum besseren Verständnis abstrakte Schautafeln und Graphen ein. Mit dem Kunststammbaum als der übergeordneten Kategorie eines heterogenen Phänomens ist also einerseits ein historiographischer Ordnungstypus und andererseits ein Herleitungsmodel in der Art eines Filiationsnachweises gemeint. In den genealogischen Neuordnungen der Vergangenheit kommt das wechselnde Selbstverständnis der Moderne exemplarisch zum Ausdruck. Schon aus diesem Grund ist der Kunststammbaum ein bemerkenswertes Symptom für avanciertes Geschichtsbewusstsein.

How has the history of art been made visible, and how is it made visible today? Family trees, diagrams, tables-this book by Astrit Schmidt-Burkhardt looks at the subject from the nineteenth century to today. This book also destroys a legend: the legend of the radical break in tradition that the avantgarde of the twentieth century claimed for itself. This idea was so widely and unequivocally accepted that the category of thinking that it encapsulated has remained unchallenged to this day.

Art family trees are genealogical constructions by means of which artists and historians have exerted a lasting influence on the way we perceive and judge the history of art. Their iconical notation of consecutive epochs and diagrammatic positioning of artists brought order to the course of history. The use of a system of branches made it easier to consider complex issues, and so enabled new insights.

For these reasons the art genealogy is a remarkable sign of an advanced consciousness of history.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Als "umwälzende Untersuchung" zur künstlerischen Avantgarde würdigt Rezensent Horst Bredekamp diese kunsthistorische Habilitationsschrift von Astrit Schmidt-Burkhardt. Die Autorin kann nach Ansicht Bredekamps überzeugend zeigen, dass der Anspruch der Avantgardebewegungen der Moderne, mit der Tradition zu brechen und völlig neue Ausdrucksformen zu finden, im Moment seiner Formulierung auf die Geschichte bezogen war. "Neu war nie die Kunst selbst", formuliert Bredekamp pointiert, "sondern die doppelpolige Reflexion ihrer Voraussetzungen". Im Hauptteil des Buchs, den er als ebenso "überraschend" wie "brillant" lobt, untersuche die Autorin die Verwendung diagrammatischer Motive durch Künstler, die das Denken in Kontinuitäten ironisierten und dennoch unentwegt neue Stammbäume und Beziehungsgeflechte produzierten. Im Mittelpunkt sieht Bredekamp dabei drei Hauptfiguren kunsthistorischer Diagrammatik: Alfred Barr, der als erster Direktor des Museum of Modern Art in New York mit Stammbaum-Diagrammen das Bild der modernen Kunst prägte, der New Yorker Künstler Ad Reinhardt, der Baumkarikaturen zeichnete, in denen er die abstrakte Kunst in prächtige Kronen auffächerte, und George Manciunas, Kopf der Fluxus-Bewegung, der die kunsthistorischen Stammbäume zu einer veritablen Kunstform entwickelte. Zusammenfassend charakterisiert Bredekamp das Werk als "höchst eindrucksvolle Rekonstruktion der Avantgarde als Doppelbewegung von Zeitriss und Kontinuität". Dabei hebt er hervor, dass dem "vorzüglichen" Text mehr als zweihundert Abbildungen von Baumdiagrammen korrespondieren, "die ein veritables Kino der künstlerischen und kunsthistorischen Metaphernbildung vorführen".

© Perlentaucher Medien GmbH
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"Astrit Schmidt-Burkhardt hat jetzt in einer herrlich üppigen Habilitation alle "Stammbäume der Kunst" aufgestöbert, die in den letzten Jahrhunderten entworfen wurden, um Ordnung ins Astgewirr der Kunst zu bringen." Monopol, Nr. 6/2005 "Doch hat Astrid Schmidt-Burkhardt mit dem Thema ihrer Habilitation einen Nerv gegenwärtiger künstlerischer Interessen getroffen." sehepunkte 5/2005, Nr. 9 "Als kunsthistorische Habilitationsschrift der Freien Universität Berlin entstanden, bietet das Buch eine höchst eindrucksvolle Rekonstruktion der Avantgarde als Doppelbewegung von Zeitriss und Kontinuität. [...] Dem vorzüglichen Text korrespondieren mehr als 200 Abbildungen von Baumdiagrammen, die ein veritables Kino der künstlerischen und kunsthistorischen Metaphernbildung vorführen." Horst Bredekamp in: Süddeutsche Zeitung, 31.08.2005