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Ein irrer Roman für Liebhaber des Chaos. "Starfish Rules" ist Literatur und Pulp, poetisch und hartgesotten, ist wie Musik von Public Enemy und Jimi Hendrix.

Produktbeschreibung
Ein irrer Roman für Liebhaber des Chaos. "Starfish Rules" ist Literatur und Pulp, poetisch und hartgesotten, ist wie Musik von Public Enemy und Jimi Hendrix.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.08.1997

Sturm im Häkeltäschchen
Tobias O. Meißner und der Schlauch des Äolus

Ein Dezimeter Haut aus der Schamhaargegend, zu Leder geschrumpft, ein Killer und sechs Erschossene, ein Blinder wird gefoltert, Erbrochenes, Blut und Schleim: das ist ungefähr der Ertrag der ersten Seiten. Weitere Killer folgen, weitere Erschossene, ein roter Koffer voll Wind, Explosionen und wieder jede Menge Blut und Schleim. Die Killer sind nette junge Leute, beruflich allerdings stahlhart. Allmählich lernt man auch ihre Bosse kennen, meistens Weltverbesserer, sie kämpfen gegen die "Unterdrückung", gegen Nazis, Polizisten, Kapitalisten, Pioniere und Sklavenhändler, ist ja alles eine Sorte, und für Juden, Schwarze und Indianer. Jeder von ihnen meint, wenn es nicht anders ginge, wäre es wohl das beste, Amerika in seinem eigenen Blut zu ersäufen. Mit dem Ersäufen klappt es am Ende dann auch, es ist angeblich der 31. August 1939, wo fünf Millionen Amerikaner sterben müssen, an Hurrikanen, Sturmfluten und Überschwemmungen.

Man arbeitet heute nicht mehr ohne mythischen Hintergrund. Die Unwetter kamen aus dem sagenhaften Sack des Äolus, in dem die Winde gefangen waren, bis Tobias O. Meißner sie freizulassen beschloß. Diesen Sack oder Schlauch habe ein junger deutscher Jude aus dem Pergamonmuseum in Berlin entwendet, damit nicht Hitler über diese Wunderwaffe verfügen könne. Der Jude ist ein Glückspilz, der immer durchkommt und deshalb als Katalysator der ganzen Schießereien wirkt, ein Parzival und reiner Tor, der das Gute will und dennoch allen Unheil bringt. Ein frühgereiftes Killerkind raubt ihm schließlich den Sack und grinst über seine Sorge. "Amerika versenken?" lacht Roadkill, und seine Augen strahlen wie Flutlichter. "Das klingt cool. Das hab ich mir schon immer gewünscht."

Außer Äolus und Parzival begegnen Jesus und Baal, Faust und Moby Dick, Homer und Noah, Judas und Satan, Star Trek und die apokalyptischen Reiter. Mit wildem Hussa und dröhnenden Vokabeln toben sie im Gemüt des Lesers herum. Angeblich wohnen sie da, angeblich stellt der Roman das "Amerika in uns" dar, in dem "Starfish Rules" herrschen, nämlich Haß, Gewalt, Chaos, Sex und Revolution (um eine beliebige der vielen Definitionen zu nennen). Immer fünf Dinge müssen es sein, und sie erklären alles. "Die Weltgeschichte verläuft in den rätselhaften, schrägen, sich immer wieder kreuzenden und markante Zacken ausbildenden Bahnen eines Pentagramms."

Die vollkommene ethische Teilnahmslosigkeit dieses Gruselkabinetts wird ins Relief getrieben durch die manierierten Layoutmätzchen, die der Verfasser, ein dreißigjähriger Berliner, offenbar Computerfreak, unermüdlich erfindet. Zwei Dutzend verschiedene Schriften, randlos bedruckte Seiten, Spalten mal längs, mal quer, Schmuckstempel, Sternchen, Initiale: hier schlägt sein Herz. Zu lesen ist das zwar schikanös, aber aussehen tut es allerliebst. Der Autor verpackt seine wüsten Phantasien in zierliche Häkeltäschchen. Das sollte man ihm doch zugute halten.

Historisch ist der apokalyptische Thriller derart unseriös, daß darüber kein Wort lohnt. Auffallen um jeden Preis lautet die einzige Botschaft des Buches. Krach machen, Schocken, Krakeelen. Sollte der Autor Talent haben, hat er es jedenfalls gut versteckt, es ist vor lauter Lärm nicht mehr zu hören. Wenn das die junge Literatur ist, dann doch lieber gleich RTL. HERMANN KURZKE

Tobias O. Meißner: "Starfish Rules". Roman. Rotbuch Verlag, Hamburg 1997. 230 S., geb., 38,- DM.

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