Ein engagiertes Plädoyer für die Wiederentdeckung der Werte.
Seit dem PISA-Schock herrscht Panik unter Deutschlands Bildungsexperten. Hektisch werden Lehrpläne entstaubt und Ganztagsschulen versprochen. Der "Erziehungsnotstand" ist endlich ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt. Doch was genau soll geschehen? Überall lautet die Antwort: Deutsche Schüler müssen mehr leisten, ihre "Lesekompetenz" erweitern und ihr "Weltwissen" vervollständigen. Die Forderung nach mehr Leistung und Wissen darf aber nicht die einzige Reaktion auf den Notstand sein - genauso wichtig ist eine Erziehung, die Persönlichkeit und Charakter in den Mittelpunkt stellt.
Petra Gerster und Christian Nürnberger fragen in ihrem neuen Buch, was Eltern tun können, um ihre Kinder für das Leben stark zu machen.Welche Werte sind wichtig und warum? Wenn die Schule versagt: Was können und müssen die Eltern unternehmen? Welche Funktionen haben Vorbilder? Eine "gute Erziehung" - was heißt das eigentlich? Das Buch beschreibt konkrete Probleme, vor die Eltern gestellt werden: Sind gemeinsame Mahlzeiten wichtig? Welche Rolle soll das Fernsehen spielen? Dürfen Eltern vor ihren Kindern fluchen?
Wie schon in ihrem ersten Buch wollen die Autoren keine Patentrezepte verordnen, sondern eine Diskussion auslösen. Anschaulich und mit Witz plädieren sie für eine Erziehung aus Leidenschaft, die auch den Streit nicht scheut. Denn wir müssen unseren Kindern wieder die Aufmerksamkeit geben, die sie so nötig brauchen. Wir sollten Ihnen vermitteln, wie wichtig es ist, Verantwortung zu übernehmen und Mitgefühl für den Anderen zu entwickeln. Ein engagiertes Plädoyer für die Wiederentdeckung der Werte.
Seit dem PISA-Schock herrscht Panik unter Deutschlands Bildungsexperten. Hektisch werden Lehrpläne entstaubt und Ganztagsschulen versprochen. Der "Erziehungsnotstand" ist endlich ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt. Doch was genau soll geschehen? Überall lautet die Antwort: Deutsche Schüler müssen mehr leisten, ihre "Lesekompetenz" erweitern und ihr "Weltwissen" vervollständigen. Die Forderung nach mehr Leistung und Wissen darf aber nicht die einzige Reaktion auf den Notstand sein - genauso wichtig ist eine Erziehung, die Persönlichkeit und Charakter in den Mittelpunkt stellt.
Petra Gerster und Christian Nürnberger fragen in ihrem neuen Buch, was Eltern tun können, um ihre Kinder für das Leben stark zu machen.Welche Werte sind wichtig und warum? Wenn die Schule versagt: Was können und müssen die Eltern unternehmen? Welche Funktionen haben Vorbilder? Eine "gute Erziehung" - was heißt das eigentlich? Das Buch beschreibt konkrete Probleme, vor die Eltern gestellt werden: Sind gemeinsame Mahlzeiten wichtig? Welche Rolle soll das Fernsehen spielen? Dürfen Eltern vor ihren Kindern fluchen?
Wie schon in ihrem ersten Buch wollen die Autoren keine Patentrezepte verordnen, sondern eine Diskussion auslösen. Anschaulich und mit Witz plädieren sie für eine Erziehung aus Leidenschaft, die auch den Streit nicht scheut. Denn wir müssen unseren Kindern wieder die Aufmerksamkeit geben, die sie so nötig brauchen. Wir sollten Ihnen vermitteln, wie wichtig es ist, Verantwortung zu übernehmen und Mitgefühl für den Anderen zu entwickeln. Ein engagiertes Plädoyer für die Wiederentdeckung der Werte.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.03.2003Hier werden Sie geholfen
Manche schreiben Bücher, die danach zum Bestseller werden. Andere ertragen die Ungewißheit nicht so gut. Sie schreiben lieber gleich einen Bestseller, das heißt, sie schreiben so, daß der Leser auf keiner Seite das Gefühl verliert, ein Erfolgsbuch von erfolgreichen Menschen für Leute, die auch Erfolg suchen, vor sich liegen zu haben. Das Buch des Elternpaars Petra Gerster und Christian Nürnberger gehören zu diesem Typ. Ein erster Band beschrieb die Malaise deutscher Erziehungsverhältnisse in Familien, Kindergärten und Schulen, der jetzige verspricht Rat, was dagegen zu tun sei, wenn schon die Bildungspolitik kaum hilft ("Stark für das Leben. Wege aus dem Erziehungsnotstand", Rowohlt Verlag Berlin, 2003, 271 S., geb., 19,90 [Euro]).
Worauf gründet der Erfolg des Erfolgsbuches? Daß in Erziehungsfragen Rat aus Büchern gesucht wird, ist an sich erstaunlich. Auf der Straße werden die Leute unwirsch, wenn jemand Fremder ihr Verhalten zu den eigenen Kindern beurteilt und ihnen mit Tips kommt. Außerdem gibt es keine neuen Ideen über Erziehung. Erziehung ist, wie Chesterton einmal angemerkt hat, kein Gegenstand wie Geologie oder Oxydation. Ihre Erkenntnis macht nicht ständig Fortschritte, über die man sich auf dem laufenden halten müßte. Erziehungswissenschaftler sehen das zwar anders, aber so sehen ihre Fortschritte auch aus. Erziehung kennt auch, anders als der Maschinenbau oder die Kosmetik, keine Techniken, die ständig verbessert würden. Didaktiker sehen das zwar anders, aber die meisten von ihnen bedürften eines scharfen Haftungsrechtes für ihre Versprechungen.
Nun sind die Leute offenbar verunsichert, was sie für das Glück, die Bildung oder zumindest die Zukunft ihrer Kinder tun können. Wie kommt es aber, daß sie in einer solchen Gefühlslage Rat bei Autoren suchen, die außer der Prominenz einer Fernsehmoderatorin und der wiederholt wie beiläufig unterstrichenen Tatsache, selber zwei Kinder mustergültig zu erziehen, wenig zu bieten haben? Daß jemand zuhört, wenn Ulrich Wickert sich über Tugenden oder Elke Heidenreich sich über Romane verbreitet, ist harmlos. Denn angesichts der Tatsache, daß weder Tugendlehren noch Romane einem mehr verderben können als die Laune, fällt es wenig ins Gewicht, daß beide nichts Interessantes zu sagen haben. In einer so wichtigen Angelegenheit wie dem Umgang mit Kindern aber irgendwelchen Leuten zuzuhören müßte als riskant erscheinen.
Die Autoren dürften spätestens an dieser Stelle protestieren und auf das hinweisen, was sie ihre "Recherchen" nennen. Diese Recherchen bestehen vor allem in der Auswertung von Zeitungsartikeln, zwei, drei Aufsätzen und ein paar Büchern: zur Hirnforschung und zur Psychologie der Scheidungskonflikte, über die Pisa-Studie und die Frage des Alleinerziehens, zur Sport- und Musikpädagogik. Der Traktat ist das, was man "zusammengeschrieben" nennt. Ganze Kapitel füllen sich mit Zitaten, solchen mit und solchen ohne Anführungszeichen. Dazwischen stehen Meinungen und Home-Storys. Denn die Mühe, zu den Originalquellen zurückzugehen, um gegebenenfalls zu prüfen, zu vergleichen und zu analysieren, was die Presse, ein Referat oder ein Buch ihnen zutrug, wurde nicht investiert. Man erkennt das an Kleinigkeiten, etwa daran, daß die Autoren Norbert Bolz für einen Soziologen halten, daß der israelische Staat bei ihnen seine Schulen "nach einem Losverfahren" mit Computern ausgestattet hat und nicht, wie tatsächlich, aus Mitteln der Staatslotterie, daß für sie Werner Heisenberg und nicht Niels Bohr an Hufeisen glaubte und daß sie allen Ernstes - also ohne Kenntnis der Theologiegeschichte - behaupten, die Bedeutung der Bibel bliebe vom Nachweis unberührt, sie enthielte nur reine Erfindungen, sei bloß Literatur. Aber auch einzelne Thesen wie die, der Staat müsse endlich "Elternseminare und Elternschulen" einrichten, zeugen nicht von langem oder gar soziologisch informiertem Nachdenken darüber, was sich an solchen Schulen wohl abspielen würde. Oft mündet die Argumentation in Appelle der Art, Ehepartner sollten die Kinder aus ihren Scheidungskonflikten heraushalten, oder Geigen seien besser als Gameboys. Ob die Autoren wohl schon einmal versucht haben, diese "juste milieu"-Wahrheiten jenen Familien aus der Unterschicht nahezubringen, um deren Nachwuchs es sich handelt, wenn vom Desaster des deutschen Schulsystems die Rede ist?
Der Erfolg des Erfolgsbuches beruht also nicht auf seiner Sorgfalt, auf der Frische seiner Einsichten oder seiner Durchdachtheit. Da die Autoren sich sehr um gelebte Werte und Vorbilder besorgt zeigen, ist der Hinweis gestattet, daß "Rettet die Kinder!" eine schöne Maxime ist, aber "Rettet das Fachbuch!" auch. Und doch wäre es falsch zu vermuten, der Erfolg des Erfolgsbuches beruhe ausschließlich darauf, daß sich das Autorenpaar so geschickt in Szene setzt, Forschung vortäuscht und allenthalben Blicke ins prominente Familiengeschehen erlaubt. Der Erfolg des Erfolgsbuches beruht auf mehr - auf seiner Qualität. Nur eben, daß es eine Qualität ist, die es den Umständen seiner Zeit verdankt. Denn es ist dies eine Zeit, in der man Autoren dafür dankbar sein muß, wenn sie hinschreiben, daß sich Eltern doch bitte mit ihren Kindern unterhalten sollten. Daß Bücher und Buntstifte in Schulen wichtiger sind als Computer. Daß Ganztagsschulen nicht zur Verstaatlichung der Kindheit führen würden. Daß Frauenrechte und Kinderchancen sich nicht widersprechen müssen. Daß früh gelesen werden sollte. Daß das Fernsehprogramm im Durchschnitt widerwärtig ist, vorlesende Großmütter dagegen zu ehren sind. Und daß Erziehung eine unreine Freude ist. Das alles steht auch in diesem Buch. Da es Leute gibt, die auf so etwas nicht von alleine kommen, ist ihm darum wenig Erfolg zu wünschen, aber jeder zu gönnen, den es haben wird. Wer sich hierdurch geholfen fühlt, hatte Rat dringend nötig.
JÜRGEN KAUBE
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Manche schreiben Bücher, die danach zum Bestseller werden. Andere ertragen die Ungewißheit nicht so gut. Sie schreiben lieber gleich einen Bestseller, das heißt, sie schreiben so, daß der Leser auf keiner Seite das Gefühl verliert, ein Erfolgsbuch von erfolgreichen Menschen für Leute, die auch Erfolg suchen, vor sich liegen zu haben. Das Buch des Elternpaars Petra Gerster und Christian Nürnberger gehören zu diesem Typ. Ein erster Band beschrieb die Malaise deutscher Erziehungsverhältnisse in Familien, Kindergärten und Schulen, der jetzige verspricht Rat, was dagegen zu tun sei, wenn schon die Bildungspolitik kaum hilft ("Stark für das Leben. Wege aus dem Erziehungsnotstand", Rowohlt Verlag Berlin, 2003, 271 S., geb., 19,90 [Euro]).
Worauf gründet der Erfolg des Erfolgsbuches? Daß in Erziehungsfragen Rat aus Büchern gesucht wird, ist an sich erstaunlich. Auf der Straße werden die Leute unwirsch, wenn jemand Fremder ihr Verhalten zu den eigenen Kindern beurteilt und ihnen mit Tips kommt. Außerdem gibt es keine neuen Ideen über Erziehung. Erziehung ist, wie Chesterton einmal angemerkt hat, kein Gegenstand wie Geologie oder Oxydation. Ihre Erkenntnis macht nicht ständig Fortschritte, über die man sich auf dem laufenden halten müßte. Erziehungswissenschaftler sehen das zwar anders, aber so sehen ihre Fortschritte auch aus. Erziehung kennt auch, anders als der Maschinenbau oder die Kosmetik, keine Techniken, die ständig verbessert würden. Didaktiker sehen das zwar anders, aber die meisten von ihnen bedürften eines scharfen Haftungsrechtes für ihre Versprechungen.
Nun sind die Leute offenbar verunsichert, was sie für das Glück, die Bildung oder zumindest die Zukunft ihrer Kinder tun können. Wie kommt es aber, daß sie in einer solchen Gefühlslage Rat bei Autoren suchen, die außer der Prominenz einer Fernsehmoderatorin und der wiederholt wie beiläufig unterstrichenen Tatsache, selber zwei Kinder mustergültig zu erziehen, wenig zu bieten haben? Daß jemand zuhört, wenn Ulrich Wickert sich über Tugenden oder Elke Heidenreich sich über Romane verbreitet, ist harmlos. Denn angesichts der Tatsache, daß weder Tugendlehren noch Romane einem mehr verderben können als die Laune, fällt es wenig ins Gewicht, daß beide nichts Interessantes zu sagen haben. In einer so wichtigen Angelegenheit wie dem Umgang mit Kindern aber irgendwelchen Leuten zuzuhören müßte als riskant erscheinen.
Die Autoren dürften spätestens an dieser Stelle protestieren und auf das hinweisen, was sie ihre "Recherchen" nennen. Diese Recherchen bestehen vor allem in der Auswertung von Zeitungsartikeln, zwei, drei Aufsätzen und ein paar Büchern: zur Hirnforschung und zur Psychologie der Scheidungskonflikte, über die Pisa-Studie und die Frage des Alleinerziehens, zur Sport- und Musikpädagogik. Der Traktat ist das, was man "zusammengeschrieben" nennt. Ganze Kapitel füllen sich mit Zitaten, solchen mit und solchen ohne Anführungszeichen. Dazwischen stehen Meinungen und Home-Storys. Denn die Mühe, zu den Originalquellen zurückzugehen, um gegebenenfalls zu prüfen, zu vergleichen und zu analysieren, was die Presse, ein Referat oder ein Buch ihnen zutrug, wurde nicht investiert. Man erkennt das an Kleinigkeiten, etwa daran, daß die Autoren Norbert Bolz für einen Soziologen halten, daß der israelische Staat bei ihnen seine Schulen "nach einem Losverfahren" mit Computern ausgestattet hat und nicht, wie tatsächlich, aus Mitteln der Staatslotterie, daß für sie Werner Heisenberg und nicht Niels Bohr an Hufeisen glaubte und daß sie allen Ernstes - also ohne Kenntnis der Theologiegeschichte - behaupten, die Bedeutung der Bibel bliebe vom Nachweis unberührt, sie enthielte nur reine Erfindungen, sei bloß Literatur. Aber auch einzelne Thesen wie die, der Staat müsse endlich "Elternseminare und Elternschulen" einrichten, zeugen nicht von langem oder gar soziologisch informiertem Nachdenken darüber, was sich an solchen Schulen wohl abspielen würde. Oft mündet die Argumentation in Appelle der Art, Ehepartner sollten die Kinder aus ihren Scheidungskonflikten heraushalten, oder Geigen seien besser als Gameboys. Ob die Autoren wohl schon einmal versucht haben, diese "juste milieu"-Wahrheiten jenen Familien aus der Unterschicht nahezubringen, um deren Nachwuchs es sich handelt, wenn vom Desaster des deutschen Schulsystems die Rede ist?
Der Erfolg des Erfolgsbuches beruht also nicht auf seiner Sorgfalt, auf der Frische seiner Einsichten oder seiner Durchdachtheit. Da die Autoren sich sehr um gelebte Werte und Vorbilder besorgt zeigen, ist der Hinweis gestattet, daß "Rettet die Kinder!" eine schöne Maxime ist, aber "Rettet das Fachbuch!" auch. Und doch wäre es falsch zu vermuten, der Erfolg des Erfolgsbuches beruhe ausschließlich darauf, daß sich das Autorenpaar so geschickt in Szene setzt, Forschung vortäuscht und allenthalben Blicke ins prominente Familiengeschehen erlaubt. Der Erfolg des Erfolgsbuches beruht auf mehr - auf seiner Qualität. Nur eben, daß es eine Qualität ist, die es den Umständen seiner Zeit verdankt. Denn es ist dies eine Zeit, in der man Autoren dafür dankbar sein muß, wenn sie hinschreiben, daß sich Eltern doch bitte mit ihren Kindern unterhalten sollten. Daß Bücher und Buntstifte in Schulen wichtiger sind als Computer. Daß Ganztagsschulen nicht zur Verstaatlichung der Kindheit führen würden. Daß Frauenrechte und Kinderchancen sich nicht widersprechen müssen. Daß früh gelesen werden sollte. Daß das Fernsehprogramm im Durchschnitt widerwärtig ist, vorlesende Großmütter dagegen zu ehren sind. Und daß Erziehung eine unreine Freude ist. Das alles steht auch in diesem Buch. Da es Leute gibt, die auf so etwas nicht von alleine kommen, ist ihm darum wenig Erfolg zu wünschen, aber jeder zu gönnen, den es haben wird. Wer sich hierdurch geholfen fühlt, hatte Rat dringend nötig.
JÜRGEN KAUBE
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