Der alternde Maler Olivier Bertin hat eine Malblockade: er sucht nach neuen Motiven und neuer Inspiration. Mit der verheirateten Madame Any de Guilleroy hat er seit langem ein Verhältnis, das der Ehemann zumindest ahnend akzeptiert. Graf de Guilleroy, normannischer Adel, ist Abgeordneter und
interessiert sich nur für Politik und Landwirtschaft. Er hegt kaum Verdacht, empfindet keine Eifersucht und…mehrDer alternde Maler Olivier Bertin hat eine Malblockade: er sucht nach neuen Motiven und neuer Inspiration. Mit der verheirateten Madame Any de Guilleroy hat er seit langem ein Verhältnis, das der Ehemann zumindest ahnend akzeptiert. Graf de Guilleroy, normannischer Adel, ist Abgeordneter und interessiert sich nur für Politik und Landwirtschaft. Er hegt kaum Verdacht, empfindet keine Eifersucht und ist gut Freund mit dem Maler.
Da kommt Anys Tochter Annette aus der Provinz nach Paris. Zwischen Jugend und junger Frau stehend erinnert sie Olivier an die junge Any. Er verliebt sich in die Tochter. Das wird verstärkt als die Mutter Anys stirbt und Annette dem Maler in Trauerkleidung Modell sitzt: so hatte er sich auch einst in Any verliebt.
Any erkennt sofort, dass ihr Geliebter sich der Tochter zugewendet hat, Olivier will es sich nicht eingestehen. Seine anfängliche Blockade war nicht nur künstlerischer Art: auch seine Beziehung zu Any war trotz allen Beteuerungen abgeflacht.
Für Annette ist aber bereits der reiche Marquis de Farandel als Ehemann erkoren. Olivier glaubt geheimnisvolle und heilige Rechte an Annette zu haben. Daher empört er sich anfangs gegen den Marquis, der ihm seine geheimnisvollen und heiligen Rechte an Annette streitig machen will . Er wird grausam gequält vom Gedanken, dass Annette den anderen heiratet, wie ein Kettenhund will er losheulen, er wird von einem tierischen Verlangen gepackt, „er fühlte die Unruhe eines rasenden Tieres in sich”. Nach etlichen Aussprachen mit Any scheint sich Olivier zu fügen. Um weiter Annette nahe zu sein arrangiert er sich.
Die Beziehungen zu Damen der Gesellschaft werden als ganz normal empfunden und mancher wirft die Namen der Geliebten durcheinander. Marquis de Rocdiane treibt es mit seinen Mätressen auf die Spitze und fordert daher: „Man sollte sich angewöhnen, alle Frauen »Sophie« zu nennen”. Etwa 50 Jahre nach Erscheinen des Romans sang Horst Winter, vom Orchester Benny de Weille begeleitet: „Ich nenne alle Frauen »Baby«”.
Mit dem Maler Olivier Bertin als Hauptperson fügt sich "Stark wie der Tod" in die Reihe grosser Malerromane ein. Es ist auch der Roman einer Dreiecksbeziehung und eines Doppelwesens: für Olivier gleicht Annette exakt der jungen Any. Vor allem ist es auch ein Roman des Alterns. Bertin erkennt, dass er alt ist und gegenüber dem Marquis de Farandel keine Chance hat. Mit jedem Pendelschlag der Uhr wird er auf die Vergänglichkeit der Zeit hingewiesen. Nichts kann man bewahren und man muss die Zeit in jedem Augenblick genießen.
Aber er muss auch erkennen, dass er in seinem Künstlerdasein zu einer vergangenen Epoche zählt. Auch Ruhm (und gerade dieser) ist vergänglich.
Das späte 6. Kapitel im 2. Teil widmet sich einem Besuch der Oper von Charles Gonoud: "Faust" (dt. "Margarethe"). In Goethes "Faust", Grundlage der Oper, begehrt Faust – wie der Maler Bertin – Jugend und Liebe. Als Bertin kurz nach dem Opernbesuch erkennt, dass die Jugend nicht wieder erreichbar ist, greift er zur schärfsten Waffe: er sucht und findet den Freitod. Der Freitod nach Erfüllung der Wünsche oder ihrer Negierung ist eine übliche Metapher in der Literatur um die Protagonisten aus dem Geschehen zu entfernen. Oft wird das mit Hilfe eines Fahrzeugs (man denke an Anna Karenina) bewerkstelligt.
Das Alter eines berühmten Malers und begünstigten Liebhabers wird in "Stark wie der Tod" jäh beendet. Als Olivier Bertin die Unausweichlichkeit der Vergänglichkeit der Jahre und der Liebe erweist sich seine Liebe zu Any und Annette nicht so stark wie der Tod: der Tod ist stärker, es ist seine Wahl. – Die neue Ausgabe bei der Edition Büchergilde ist von Jim Avignon ausgezeichnet bebildert und rundherum empfehlenswert.