Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.05.2012Was mal gesagt werden muss
Weshalb Israel wirtschaftlich so erfolgreich ist
Am Rande Europas entwickelt sich eine wahre Erfolgsstory, von der man vieles lernen kann. Technologieunternehmen und globale Investoren ziehen schon seit einiger Zeit in das Heilige Land, "weil sie dort eine unvergleichliche Kombination von Wagemut, Kreativität und Energie vorfinden". Das ist für die Journalisten Dan Senor und Saul Singer die Erklärung dafür, dass Israel nicht nur die höchste Konzentration von Start-ups in der Welt aufweist, sondern dass an der Technologiebörse Nasdaq mehr Unternehmen aus Israel notieren als aus allen anderen europäischen Ländern zusammen.
Der beste Indikator für die technologische Attraktivität eines Standortes ist jedoch das Wagniskapital: In Israel wird, gemessen an der Einwohnerzahl, zweieinhalb mal so viel Wagniskapital investiert wie in den Vereinigten Staaten. Die israelische Rate ist dreißig mal höher als in Europa, achtzig Mal höher als in China und dreihundertfünfzig Mal höher als in Indien.
Die israelische Volkswirtschaft ist seit 1995 in den meisten Jahren schneller gewachsen als der Durchschnitt der Industrieländer. Dabei liegt das Land in einem Krisengebiet. Das öffentliche Leben steht immer wieder still. Der Mainzer Politiker Johannes Gerster berichtet in seiner Autobiographie "Nicht angepasst" (F.A.Z. vom 7. März 2011) von 46 Bombenanschlägen mit über 150 Toten, während er an Friedensverhandlungen in Jerusalem teilnahm.
Doch auch in solchen Zeiten produziert die Wirtschaft weiter und liefert Exportgüter pünktlich aus. "Je mehr sie uns angreifen, desto erfolgreicher werden wir sein", sagen die Israelis. In ihren Unternehmen sieht man selten, dass die Leute hinter dem Rücken über andere reden. "So wird weniger Zeit mit Blödsinn verschwendet."
Die Autoren zitieren einen Unternehmer, der im Nahen Osten und in Amerika zu Hause ist: "Fünf Israelis sind schwerer zu führen als 50 Amerikaner. Denn die Israelis ziehen deine Autorität ständig in Zweifel." Das beginne bei der Frage: "Warum sind Sie mein Vorgesetzter, warum bin nicht ich Ihr Vorgesetzter?" In eine solche Kultur passen Unternehmen wie Intel, Google oder Facebook. Sie haben inzwischen wichtige Bereiche nach Israel ausgelagert.
Genau dies hat der Managementguru Jim Collins vor einigen Jahren in seinem Bestseller "Built to Last" beschrieben. Er listete dort Unternehmen auf, deren dauerhafter Erfolg auf einer zentralen Eigenschaft beruht: Sie besitzen einen zentralen Daseinsgrund, der in einem oder zwei Sätzen zusammengefasst werden kann. Er führte 15 Beispiele für solche Unternehmensmissionen an, die bis auf eine Ausnahme aus Unternehmen wie Disney, Sony und McKinsey stammen. Die Ausnahme ist Israel.
Collins sieht den zentralen Daseinsgrund Israels darin, "dem jüdischen Volk einen sicheren Ort auf Erden zu bieten". Das sei das Geheimnis des wirtschaftlichen Erfolges: Man finde in Israel eine unvergleichbare Kombination von Antrieb, Wagemut und Kreativität. Collins' Analyse deckt sich also mit dem Ergebnis aus dem lesenswerten und beeindruckenden Werk von Senor und Singer.
Was Israel an mentaler Kraft hat, fehlt den angrenzenden Ländern und Regionen. Zwar versucht zum Beispiel Abu Dhabi Unternehmenscluster zu etablieren. Aber dort eröffnen Büros bereits existierender Unternehmen aus Amerika, Europa oder China. Zu Neugründungen von Einheimischen kommt es selten. Senor und Singer nennen dafür vier Gründe: Die Einnahmen aus dem Erdöl machen träge, es mangelt an politischer Freiheit, die Lage der Frauen ist katastrophal, und die Qualität der Bildung desaströs.
Daran hat sich durch die Arabellion nichts geändert. Sieht man von den Ölexporten ab, erzielt die gesamte arabische Welt mit einer Bevölkerung von 250 Millionen Menschen ein geringeres Bruttoinlandsprodukt als Finnland. Auch die Araber könnten viel von den Israelis lernen.
JOCHEN ZENTHÖFER.
Dan Senor / Saul Singer: Start-up Nation Israel.
Hanser, München 2012, 374 Seiten, 24,90 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Weshalb Israel wirtschaftlich so erfolgreich ist
Am Rande Europas entwickelt sich eine wahre Erfolgsstory, von der man vieles lernen kann. Technologieunternehmen und globale Investoren ziehen schon seit einiger Zeit in das Heilige Land, "weil sie dort eine unvergleichliche Kombination von Wagemut, Kreativität und Energie vorfinden". Das ist für die Journalisten Dan Senor und Saul Singer die Erklärung dafür, dass Israel nicht nur die höchste Konzentration von Start-ups in der Welt aufweist, sondern dass an der Technologiebörse Nasdaq mehr Unternehmen aus Israel notieren als aus allen anderen europäischen Ländern zusammen.
Der beste Indikator für die technologische Attraktivität eines Standortes ist jedoch das Wagniskapital: In Israel wird, gemessen an der Einwohnerzahl, zweieinhalb mal so viel Wagniskapital investiert wie in den Vereinigten Staaten. Die israelische Rate ist dreißig mal höher als in Europa, achtzig Mal höher als in China und dreihundertfünfzig Mal höher als in Indien.
Die israelische Volkswirtschaft ist seit 1995 in den meisten Jahren schneller gewachsen als der Durchschnitt der Industrieländer. Dabei liegt das Land in einem Krisengebiet. Das öffentliche Leben steht immer wieder still. Der Mainzer Politiker Johannes Gerster berichtet in seiner Autobiographie "Nicht angepasst" (F.A.Z. vom 7. März 2011) von 46 Bombenanschlägen mit über 150 Toten, während er an Friedensverhandlungen in Jerusalem teilnahm.
Doch auch in solchen Zeiten produziert die Wirtschaft weiter und liefert Exportgüter pünktlich aus. "Je mehr sie uns angreifen, desto erfolgreicher werden wir sein", sagen die Israelis. In ihren Unternehmen sieht man selten, dass die Leute hinter dem Rücken über andere reden. "So wird weniger Zeit mit Blödsinn verschwendet."
Die Autoren zitieren einen Unternehmer, der im Nahen Osten und in Amerika zu Hause ist: "Fünf Israelis sind schwerer zu führen als 50 Amerikaner. Denn die Israelis ziehen deine Autorität ständig in Zweifel." Das beginne bei der Frage: "Warum sind Sie mein Vorgesetzter, warum bin nicht ich Ihr Vorgesetzter?" In eine solche Kultur passen Unternehmen wie Intel, Google oder Facebook. Sie haben inzwischen wichtige Bereiche nach Israel ausgelagert.
Genau dies hat der Managementguru Jim Collins vor einigen Jahren in seinem Bestseller "Built to Last" beschrieben. Er listete dort Unternehmen auf, deren dauerhafter Erfolg auf einer zentralen Eigenschaft beruht: Sie besitzen einen zentralen Daseinsgrund, der in einem oder zwei Sätzen zusammengefasst werden kann. Er führte 15 Beispiele für solche Unternehmensmissionen an, die bis auf eine Ausnahme aus Unternehmen wie Disney, Sony und McKinsey stammen. Die Ausnahme ist Israel.
Collins sieht den zentralen Daseinsgrund Israels darin, "dem jüdischen Volk einen sicheren Ort auf Erden zu bieten". Das sei das Geheimnis des wirtschaftlichen Erfolges: Man finde in Israel eine unvergleichbare Kombination von Antrieb, Wagemut und Kreativität. Collins' Analyse deckt sich also mit dem Ergebnis aus dem lesenswerten und beeindruckenden Werk von Senor und Singer.
Was Israel an mentaler Kraft hat, fehlt den angrenzenden Ländern und Regionen. Zwar versucht zum Beispiel Abu Dhabi Unternehmenscluster zu etablieren. Aber dort eröffnen Büros bereits existierender Unternehmen aus Amerika, Europa oder China. Zu Neugründungen von Einheimischen kommt es selten. Senor und Singer nennen dafür vier Gründe: Die Einnahmen aus dem Erdöl machen träge, es mangelt an politischer Freiheit, die Lage der Frauen ist katastrophal, und die Qualität der Bildung desaströs.
Daran hat sich durch die Arabellion nichts geändert. Sieht man von den Ölexporten ab, erzielt die gesamte arabische Welt mit einer Bevölkerung von 250 Millionen Menschen ein geringeres Bruttoinlandsprodukt als Finnland. Auch die Araber könnten viel von den Israelis lernen.
JOCHEN ZENTHÖFER.
Dan Senor / Saul Singer: Start-up Nation Israel.
Hanser, München 2012, 374 Seiten, 24,90 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"There is a great deal for America to learn from the very impressive Israeli entrepreneurial model... START-UP NATION is a playbook for every CEO who wants to develop the next generation of corporate leaders."
-Tom Brokaw, special correspondent for NBC News, and bestselling author of The Greatest Generation
-Tom Brokaw, special correspondent for NBC News, and bestselling author of The Greatest Generation