Deutschland und die Deutschen sind seit mehr als einem halben Jahrhundert das große Thema von Stefan Moses, der 1928 in Schlesien geboren wurde und seit 1950 in München lebt. Mit seinen Fotoreportagen und Bildgeschichten, vor allem aber mit seinen konzeptuell angelegten Portraitzyklen - von Politikern, Künstlern, Literaten, Geisteswissenschaftlern und unbekannten Bürgern in allen Teilen der Republik - ist er zum eigentlichen Chronisten und Portraitisten der deutschen Nachkriegsgesellschaft geworden.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.12.2005Der kalte Widerschein der Wirklichkeit
Es war ein Symbol pathetischer Hilflosigkeit, als New York im Jahr eins nach seiner Katastrophe zum ersten Mal die Silhouette des zerstörten World Trade Centers mit Laserstrahlen nachmodellierte - viel größer als die Originale, zwei kalte, blaue Säulen im Nachthimmel, megalomanischer Trotz, Licht als Abglanz, als fahler Widerschein der Wirklichkeit (unsere Abbildung). Genau solche Brechungen sind die Lieblingsmotive des Fotografen Ralf Kaspers, der auf seinen großformatigen Aufnahmen die Welt zeigt, wie sie sich der Mensch erschaffen oder wie er sie zerstört hat - selten aber den Menschen selbst. Man blickt auf die Kulissen des Daseins, auf Häuserschluchten und Rinnsteinstilleben, ist erschreckt und gefesselt zugleich vom Januskopf der Zivilisation und sehnt sich nur nach einem: nach Wärme.
str.
"Ralf Kaspers - Fotografie", herausgegeben von der Galerie Ralf Kaspers (Fürstenwall 74, 40219 Düsseldorf, Tel.: 0211/397875, www.galerie-kaspers.de). Das Buch ist nicht im Handel erhältlich.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Es war ein Symbol pathetischer Hilflosigkeit, als New York im Jahr eins nach seiner Katastrophe zum ersten Mal die Silhouette des zerstörten World Trade Centers mit Laserstrahlen nachmodellierte - viel größer als die Originale, zwei kalte, blaue Säulen im Nachthimmel, megalomanischer Trotz, Licht als Abglanz, als fahler Widerschein der Wirklichkeit (unsere Abbildung). Genau solche Brechungen sind die Lieblingsmotive des Fotografen Ralf Kaspers, der auf seinen großformatigen Aufnahmen die Welt zeigt, wie sie sich der Mensch erschaffen oder wie er sie zerstört hat - selten aber den Menschen selbst. Man blickt auf die Kulissen des Daseins, auf Häuserschluchten und Rinnsteinstilleben, ist erschreckt und gefesselt zugleich vom Januskopf der Zivilisation und sehnt sich nur nach einem: nach Wärme.
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"Ralf Kaspers - Fotografie", herausgegeben von der Galerie Ralf Kaspers (Fürstenwall 74, 40219 Düsseldorf, Tel.: 0211/397875, www.galerie-kaspers.de). Das Buch ist nicht im Handel erhältlich.
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Seit nunmehr fünfzig Jahren fotografiert Stefan Moses, und man erinnert sich besonders an die Fotoreihe um Ingeborg Bachmann, schreibt der Rezensent Roman Bucheli. Nun sei zum ersten Mal das Lebenswerk des Fotografen als Monografie erschienen. Moses selbst sage von sich, er befinde sich auf "permanenter Forschungsreise" und tatsächlich findet Bucheli, dass seine Fotos "sowohl Dokumente der Zeit und der Biografien" der fotografierten Personen, aber auch "beharrliche Recherchen" sind, die versuchen, das, was in den Personen "nistet", spürbar zu machen. Bemerkenswert auch, so Bucheli, dass in Moses' Inszenierungen die inszenatorischen Mittel immer sichtbar bleiben, etwa wenn er Adorno im Spiegel fotografiert, wie sich dieser mit Selbstauslöser selbst fotografiert, und das Foto schließlich Moses zeigt, der neben Adorno steht "und photographiert, wie der Philosoph sich beim Fotografieren fotografiert".
© Perlentaucher Medien GmbH
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