Als Robert und seine Mitbewohner einen Raum in ihrer WG vermieten wollen, kommt der bescheidene Einzelgänger Stehle auf den ersten Blick gerade recht. Er ist hilfsbereit, ordentlich, ein wenig seltsam vielleicht, aber liebenswert. Doch mit Stehle hält unmerklich noch etwas anderes Einzug, etwas subtil Bedrohliches, eine stille Zerstörungskraft. Erst verschwinden Kleidungsstücke, dann erfolgen Übergriffe auf Roberts Computer, und manchmal machen es sich wildfremde Besucher in der Wohnung bequem. Langsam bemächtigt sich Stehle des Alltags der anderen mit scheinbar unbekümmerten, aber immer dreisteren Grenzüberschreitungen. Roberts schön geordnetes Leben löst sich mehr und mehr in Chaos auf: die Wohngemeinschaft zerbricht, sein Arbeitsplatz geht verloren und schließlich verbündet sich auch noch die Freundin mit Stehle ... Mit einem meisterhaften Sprachsog der Beiläufigkeit beschwört Andreas Münzner die Geschichte einer grotesken Eskalation. Er liefert den Leser an eine aberwitzige literarische Figur aus, einen Fabulierkünstler, Hochstapler und schillernden Sonderling, den man einfach gernhaben muss solange er nicht vor der eigenen Wohnungstür steht.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Durchaus angetan zeigt sich Christoph Schröder von Andreas Münzners Roman "Stehle", auch wenn ihn das Buch nicht hundertprozentig überzeugt hat. Die Geschichte um den zunächst höflich und bescheiden auftretenden neuen WG-Bewohner Stehle, der sich mehr und mehr als Nervensäge und Schmarotzer entpuppt, hat für ihn hohen Unterhaltungswert, jedenfalls zu Beginn. Besonders gefallen ihm Humor und Situationskomik des Buchs. Er attestiert dem Autor, die Grenzüberschreitungen Stehles mit "Charme und Gespür für die Pointen des Alltäglich-Skurrilen" zu schildern. Allerdings bleibt die Konstellation seines Erachtens "recht statisch und unbeweglich". Die Entwicklung des Verhältnisses zwischen Stehle und den WG-Bewohnern scheint ihm "vorhersehbar". Außerdem hält er fest, Münzners Sprache, die zwar wunderbar dem Schelmentum von Stehle korrespondiere, vermöge an der "existentiellen Schicht", auf die der Roman auch ziele, "allenfalls zu kratzen".
© Perlentaucher Medien GmbH
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