»In den Fingern von Wagner kann alles, wirklich alles poetisiert werden.« Sandra Kegel, Frankfurter Allgemeine Zeitung
Aus dem lehmigsten, kalkigsten Boden der Tatsachen fördert Jan Wagners Blick mit großer Sprachlust das Erstaunliche zutage und verwandelt es in Gedichte, deren Leichtigkeit und Klangmagie immer wieder verblüffend sind. Alles lebt und erzählt Geschichten in diesem neuen, beeindruckenden lyrischen Kosmos - von der Karottenrakete auf ihrem Weg zum Erdmittelpunkt über die schleichend wachsende Gummiakropolis ausgedienter Reifen bis zu Dürers »Rhinozeros«.
Aus dem lehmigsten, kalkigsten Boden der Tatsachen fördert Jan Wagners Blick mit großer Sprachlust das Erstaunliche zutage und verwandelt es in Gedichte, deren Leichtigkeit und Klangmagie immer wieder verblüffend sind. Alles lebt und erzählt Geschichten in diesem neuen, beeindruckenden lyrischen Kosmos - von der Karottenrakete auf ihrem Weg zum Erdmittelpunkt über die schleichend wachsende Gummiakropolis ausgedienter Reifen bis zu Dürers »Rhinozeros«.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.10.2023Ode an die Karotte oder Wie alles mit allem zusammenhängt
Form und Freiheit: Jan Wagner bohrt in seinen neuen Gedichten tief im Erdreich und stößt dabei auf Wurzeln und Unterströmungen.
Von Sandra Kegel
Von Sandra Kegel
Gedichte, würden die Freunde von Jan Wagners Lyrik vielleicht sagen, sind die zarteste Versuchung, seit es Literatur gibt. Weil sie dazu einladen, die Dinge neu zu denken und anders zu betrachten. Deshalb sind sie trotz ihrer Formstrenge - Gedichte sind ja immer geformte Sprache - von Freiheit durchdrungen, was nur scheinbar ein Widerspruch ist. Deshalb kann auch in den Fingern von Wagner alles, wirklich alles poetisiert werden, von Pirelli-Autoreifen, die bei ihm eine "gummiakropolis" begründen, über die Siebzigerjahre mit ihrem "nylonhimmel der wäscheleinen" bis hin zu einem Löffel, der das lyrische Ich mit kaltem Visier betrachtet und zum Bestimmer wird oder der Krücke, die den damit Bestückten zum Satyr macht. Überall greift der Lyriker nach Anregung, rückt Biber in seine Verse, den Spargel ins Sonett und geht mit Rilke oder Hölderlin in den Dialog.
Es ist diese Neugier auf die Welt und auf die Sprache und wie er beides immer aufs Neue mischt wie ein Kartenspieler die beiden Stapel links und rechts, was Wagners Gedichten ihre animierende Bandbreite gibt. Mal steht zu Beginn nur ein Wort, mal ist es ein Bild, mal eine Szene, ein Fundstück oder eine Erinnerung. Vom Konkreten arbeitet er sich mit scheinbarer Mühelosigkeit durch die Verse und Strophen, bis irgendwann eine Idee aufscheint (umgekehrt macht er das interessanterweise nie).
Die Poesie ist heute keine Literaturgattung, die die Massen anzieht, auch wenn das in der Vergangenheit, etwa zur Zeit der Romantik, anders war. Doch ist hierzulande seit gut einer Dekade eine außergewöhnlich produktive Dichterszene auszumachen. Viele Lyrikerinnen und Lyriker tragen mit je eigener Stimme und eigenem Stil dazu bei, dass inzwischen schon vom goldenen Zeitalter der Poesie die Rede ist. Der Aachener Literaturwissenschaftler und Lyrikexperte Christian Metz war einer der Ersten, der 2018 im zum Standardwerk gewordenen "Poetisch denken" die zeitgenössische Lyrik systematisch vermaß. Neben Ann Cotten, Steffen Popp und Monika Rinck widmete er darin dem Büchnerpreisträger Jan Wagner als einem von vier exemplarischen Dichtern eine Einzelstudie.
Nachdem Wagner vor mehr als zwanzig Jahren "Probebohrung im Himmel" unternommen hat, stößt er nun in "Steine & Erden" tief ins Erdreich und folgt dabei allerlei unterirdischem Gewimmel und Gewächs. Alles lebt in diesem Naturkosmos und ist zugleich mit allem verbunden. Gleich zu Beginn werden wir aus dem Zentrum in die vermeintlich hässliche Peripherie geworfen, dorthin, "wo die stadt versickert, / beim bahndamm, jenseits der in ihrer pracht / erstarrten, riesigen zikade / des umspannwerkes, sieht du sie: gebraucht, / getürmt, ein ganzes feld, gezackt / oder gewellt die maserung in jedem bauch". Die Dunlops, Goodyears und eben Pirellis türmen sich da, und man begreift jäh, dass diese einstigen Götter der Mobilität mit ihren Abgasen und der Fortschrittsschlacke längst entthront sind und hier nun entsorgt, allenfalls für Kinder als speckiges Schwarz noch von Interesse.
Die Ode an "Onkel Adi" macht uns bekannt mit einem großen Schweiger in hüfthohen Gummistiefeln, der ein Kind einst in die Rituale der Angelkunst einführte, was nicht nur stundenlanges Stehen im Fluss bedeutete, sondern auch in leere Flaschen zu pieseln. Die irischen Kühe dürfen natürlich bei Jan Wagner nicht fehlen, der unter anderem in Dublin studiert hat - und bis heute neben englischen und amerikanischen auch irische Dichter wie Matthew Sweeney ins Deutsche übersetzt. Bei der ostirischen Stadt Swords zeigt er uns das liebe Vieh, das da wie Standuhren steht, "massig, mit pendelnden, zuckenden schwänzen", und uns daran erinnert, wie quälerisch man ihm mit "tiefkühlwagen, bolzen und strom" zu Leibe rückt. Der Krähe huldigt Wagner in Form der persischen Ghasele, Wespen werden im dreifachen Paarreim gefangen, während der Lyrikband auch das wohl schönste Loblied bereithält, das je auf die Karotte gesungen wurde: für Wagner ein Gemüse wie von Le Corbusier entworfen, das ganz ohne Grobheit auskommt und nie "plump und prahlerisch ist" wie etwa der Kürbis, der jedes Feld "beherrscht".
In seinen stets kleingeschriebenen Versen, die sich mal reimen, mal auch nicht oder den Reim nur noch erahnen lassen, porträtiert Wagner den Regen und wie der die Gullys "musikalisch werden lässt", dabei nicht nur die Wäsche von den Leinen hebt, sondern auch die Flüsse aus ihren Betten. Überall wuchern Pilze und Moose am Boden, und während dem Autoreifen tatsächlich so etwas wie Auferstehung innewohnt und ihm gleichsam eine neue Identität versprochen wird, ist es zuletzt der Regen, der schließlich alles bedeckt, den Wald begrünt und somit die Welt von morgen begründet.
In seinem Essay "Die Sandale des Propheten" hatte Wagner einmal behauptet, Lyrik sei "ein absichtsloses Spiel". Wie viel Augenmaß indes dahintersteckt, um eine solche scheinbare Absichtslosigkeit erst herzustellen, begreift man, wenn man hört, dass Jan Wagner ein, allerhöchstens zwei Gedichte im Monat schreibt - und mitunter noch viel länger daran feilt.
Der 1971 geborene und in Berlin lebende Autor, der als Essayist, Herausgeber und Übersetzer englischer Lyrik (darunter von Charles Simic, James Tate und Simon Armitage) 2014 für "Regentonnenvariationen" als erster Dichter überhaupt mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet wurde, geht dabei nicht nur spielerisch in die vermeintliche Absichtslosigkeit, sondern auch musikalisch. Assonanzen und Alliterationen, der Rhythmus, das Metrum, die Reime - all das führt er zu wechselnden Formationen, wobei er sich im Bewusstsein der festen Versformen wie Sonett oder Rondell überraschend frei bewegt.
Die Tradition im Gepäck, die ihn gleichwohl nicht belastet, buddelt Jan Wagner sich in "Steine & Erden" immer tiefer in die Sprachformationen, bis sich Unterströmungen offenbaren und er die etymologischen Wurzeln von Wörtern und Wendungen zu fassen bekommt. Die scheinbar banale Karotte wird zum Grenzen überwindenden Rhizom. Als gelb leuchtende "lehmlaternen" formieren sie wie auch der Biber als pelziger "fährmann" seiner Schattenwelt poetische Landschaften, in denen Menschen und Tiere hausen und Pflanzen und Gesteine ineinander übergehen.
Bei so viel Natur lassen tagespolitische Einlassungen umso mehr aufhorchen. Die Zeilen über berühmte Tische, die mal wackeln, mal das Puder einer mächtigen "Rokokokokotte" tragen, erlauben sich jedenfalls einen aktuellen Schlenker, wenn sie auch auf jenen Tisch zeigen, der "so pompös und gewaltig" ist wie ein Stier mit glänzender Haut, dass man nicht anders kann, als an den Bullen im Kreml zu denken: "komm näher, vorsichtig. / nimm platz, wenn du kannst" - dass nicht jede Einladung, die Dinge neu zu denken, ungefährlich vonstatten geht, auch das macht Jan Wagner beklemmend klar.
Ein anderes Poem macht die Angst vor Fremden greifbar, die sich den Einheimischen in seltsamen Sitten, Hütten oder Gerüchen manifestiert. Dann wiederum werden wir in die Fremde katapultiert, nach Nordeuropa oder Australien, China oder zu den Pinguinen. In einer Elegie, dem klassischen Klagegedicht, das außer Trauer stets auch den Widerspruch zwischen Ideal und Leben einzufangen sucht, setzt uns der Dichter am Hauseingang neben einen kleinen Schmetterling zwischen Tür und Rahmen.
Tatsächlich sind die Gedichte von Jan Wagner wie der Schmetterling in prekärer Lage zugleich schillernde Miniaturen, auf die man immer aufs Neue schauen kann, weil sich die Perspektive immerzu verschiebt, bis das Motiv sich Stück für Stück herausschält. Aus dem illustren Auftaktbild entfaltet sich dann der Gehalt eines ganzen Essays. "Ein Gedicht nimmt sich das Recht, die Dinge so zu denken und zu sehen, wie sie nie zuvor bedacht und gesehen worden sind", schreibt Jan Wagner in "Die Sandale des Propheten". Seine Gedichte sind genau das: eine Einladung an den Leser, es ihm gleichzutun. Man bereut es nicht.
Jan Wagner: "Steine & Erden". Gedichte.
Hanser Berlin Verlag, Berlin 2023.
114 S., geb., 22,- Euro.
Der Band erscheint am 24. Oktober.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Form und Freiheit: Jan Wagner bohrt in seinen neuen Gedichten tief im Erdreich und stößt dabei auf Wurzeln und Unterströmungen.
Von Sandra Kegel
Von Sandra Kegel
Gedichte, würden die Freunde von Jan Wagners Lyrik vielleicht sagen, sind die zarteste Versuchung, seit es Literatur gibt. Weil sie dazu einladen, die Dinge neu zu denken und anders zu betrachten. Deshalb sind sie trotz ihrer Formstrenge - Gedichte sind ja immer geformte Sprache - von Freiheit durchdrungen, was nur scheinbar ein Widerspruch ist. Deshalb kann auch in den Fingern von Wagner alles, wirklich alles poetisiert werden, von Pirelli-Autoreifen, die bei ihm eine "gummiakropolis" begründen, über die Siebzigerjahre mit ihrem "nylonhimmel der wäscheleinen" bis hin zu einem Löffel, der das lyrische Ich mit kaltem Visier betrachtet und zum Bestimmer wird oder der Krücke, die den damit Bestückten zum Satyr macht. Überall greift der Lyriker nach Anregung, rückt Biber in seine Verse, den Spargel ins Sonett und geht mit Rilke oder Hölderlin in den Dialog.
Es ist diese Neugier auf die Welt und auf die Sprache und wie er beides immer aufs Neue mischt wie ein Kartenspieler die beiden Stapel links und rechts, was Wagners Gedichten ihre animierende Bandbreite gibt. Mal steht zu Beginn nur ein Wort, mal ist es ein Bild, mal eine Szene, ein Fundstück oder eine Erinnerung. Vom Konkreten arbeitet er sich mit scheinbarer Mühelosigkeit durch die Verse und Strophen, bis irgendwann eine Idee aufscheint (umgekehrt macht er das interessanterweise nie).
Die Poesie ist heute keine Literaturgattung, die die Massen anzieht, auch wenn das in der Vergangenheit, etwa zur Zeit der Romantik, anders war. Doch ist hierzulande seit gut einer Dekade eine außergewöhnlich produktive Dichterszene auszumachen. Viele Lyrikerinnen und Lyriker tragen mit je eigener Stimme und eigenem Stil dazu bei, dass inzwischen schon vom goldenen Zeitalter der Poesie die Rede ist. Der Aachener Literaturwissenschaftler und Lyrikexperte Christian Metz war einer der Ersten, der 2018 im zum Standardwerk gewordenen "Poetisch denken" die zeitgenössische Lyrik systematisch vermaß. Neben Ann Cotten, Steffen Popp und Monika Rinck widmete er darin dem Büchnerpreisträger Jan Wagner als einem von vier exemplarischen Dichtern eine Einzelstudie.
Nachdem Wagner vor mehr als zwanzig Jahren "Probebohrung im Himmel" unternommen hat, stößt er nun in "Steine & Erden" tief ins Erdreich und folgt dabei allerlei unterirdischem Gewimmel und Gewächs. Alles lebt in diesem Naturkosmos und ist zugleich mit allem verbunden. Gleich zu Beginn werden wir aus dem Zentrum in die vermeintlich hässliche Peripherie geworfen, dorthin, "wo die stadt versickert, / beim bahndamm, jenseits der in ihrer pracht / erstarrten, riesigen zikade / des umspannwerkes, sieht du sie: gebraucht, / getürmt, ein ganzes feld, gezackt / oder gewellt die maserung in jedem bauch". Die Dunlops, Goodyears und eben Pirellis türmen sich da, und man begreift jäh, dass diese einstigen Götter der Mobilität mit ihren Abgasen und der Fortschrittsschlacke längst entthront sind und hier nun entsorgt, allenfalls für Kinder als speckiges Schwarz noch von Interesse.
Die Ode an "Onkel Adi" macht uns bekannt mit einem großen Schweiger in hüfthohen Gummistiefeln, der ein Kind einst in die Rituale der Angelkunst einführte, was nicht nur stundenlanges Stehen im Fluss bedeutete, sondern auch in leere Flaschen zu pieseln. Die irischen Kühe dürfen natürlich bei Jan Wagner nicht fehlen, der unter anderem in Dublin studiert hat - und bis heute neben englischen und amerikanischen auch irische Dichter wie Matthew Sweeney ins Deutsche übersetzt. Bei der ostirischen Stadt Swords zeigt er uns das liebe Vieh, das da wie Standuhren steht, "massig, mit pendelnden, zuckenden schwänzen", und uns daran erinnert, wie quälerisch man ihm mit "tiefkühlwagen, bolzen und strom" zu Leibe rückt. Der Krähe huldigt Wagner in Form der persischen Ghasele, Wespen werden im dreifachen Paarreim gefangen, während der Lyrikband auch das wohl schönste Loblied bereithält, das je auf die Karotte gesungen wurde: für Wagner ein Gemüse wie von Le Corbusier entworfen, das ganz ohne Grobheit auskommt und nie "plump und prahlerisch ist" wie etwa der Kürbis, der jedes Feld "beherrscht".
In seinen stets kleingeschriebenen Versen, die sich mal reimen, mal auch nicht oder den Reim nur noch erahnen lassen, porträtiert Wagner den Regen und wie der die Gullys "musikalisch werden lässt", dabei nicht nur die Wäsche von den Leinen hebt, sondern auch die Flüsse aus ihren Betten. Überall wuchern Pilze und Moose am Boden, und während dem Autoreifen tatsächlich so etwas wie Auferstehung innewohnt und ihm gleichsam eine neue Identität versprochen wird, ist es zuletzt der Regen, der schließlich alles bedeckt, den Wald begrünt und somit die Welt von morgen begründet.
In seinem Essay "Die Sandale des Propheten" hatte Wagner einmal behauptet, Lyrik sei "ein absichtsloses Spiel". Wie viel Augenmaß indes dahintersteckt, um eine solche scheinbare Absichtslosigkeit erst herzustellen, begreift man, wenn man hört, dass Jan Wagner ein, allerhöchstens zwei Gedichte im Monat schreibt - und mitunter noch viel länger daran feilt.
Der 1971 geborene und in Berlin lebende Autor, der als Essayist, Herausgeber und Übersetzer englischer Lyrik (darunter von Charles Simic, James Tate und Simon Armitage) 2014 für "Regentonnenvariationen" als erster Dichter überhaupt mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet wurde, geht dabei nicht nur spielerisch in die vermeintliche Absichtslosigkeit, sondern auch musikalisch. Assonanzen und Alliterationen, der Rhythmus, das Metrum, die Reime - all das führt er zu wechselnden Formationen, wobei er sich im Bewusstsein der festen Versformen wie Sonett oder Rondell überraschend frei bewegt.
Die Tradition im Gepäck, die ihn gleichwohl nicht belastet, buddelt Jan Wagner sich in "Steine & Erden" immer tiefer in die Sprachformationen, bis sich Unterströmungen offenbaren und er die etymologischen Wurzeln von Wörtern und Wendungen zu fassen bekommt. Die scheinbar banale Karotte wird zum Grenzen überwindenden Rhizom. Als gelb leuchtende "lehmlaternen" formieren sie wie auch der Biber als pelziger "fährmann" seiner Schattenwelt poetische Landschaften, in denen Menschen und Tiere hausen und Pflanzen und Gesteine ineinander übergehen.
Bei so viel Natur lassen tagespolitische Einlassungen umso mehr aufhorchen. Die Zeilen über berühmte Tische, die mal wackeln, mal das Puder einer mächtigen "Rokokokokotte" tragen, erlauben sich jedenfalls einen aktuellen Schlenker, wenn sie auch auf jenen Tisch zeigen, der "so pompös und gewaltig" ist wie ein Stier mit glänzender Haut, dass man nicht anders kann, als an den Bullen im Kreml zu denken: "komm näher, vorsichtig. / nimm platz, wenn du kannst" - dass nicht jede Einladung, die Dinge neu zu denken, ungefährlich vonstatten geht, auch das macht Jan Wagner beklemmend klar.
Ein anderes Poem macht die Angst vor Fremden greifbar, die sich den Einheimischen in seltsamen Sitten, Hütten oder Gerüchen manifestiert. Dann wiederum werden wir in die Fremde katapultiert, nach Nordeuropa oder Australien, China oder zu den Pinguinen. In einer Elegie, dem klassischen Klagegedicht, das außer Trauer stets auch den Widerspruch zwischen Ideal und Leben einzufangen sucht, setzt uns der Dichter am Hauseingang neben einen kleinen Schmetterling zwischen Tür und Rahmen.
Tatsächlich sind die Gedichte von Jan Wagner wie der Schmetterling in prekärer Lage zugleich schillernde Miniaturen, auf die man immer aufs Neue schauen kann, weil sich die Perspektive immerzu verschiebt, bis das Motiv sich Stück für Stück herausschält. Aus dem illustren Auftaktbild entfaltet sich dann der Gehalt eines ganzen Essays. "Ein Gedicht nimmt sich das Recht, die Dinge so zu denken und zu sehen, wie sie nie zuvor bedacht und gesehen worden sind", schreibt Jan Wagner in "Die Sandale des Propheten". Seine Gedichte sind genau das: eine Einladung an den Leser, es ihm gleichzutun. Man bereut es nicht.
Jan Wagner: "Steine & Erden". Gedichte.
Hanser Berlin Verlag, Berlin 2023.
114 S., geb., 22,- Euro.
Der Band erscheint am 24. Oktober.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Überschwänglich freut sich Rezensent Tom Schulz über den neuen Gedichtband des Lyrikers und Übersetzers Jan Wagner, in dem er sich vor allem der Materialität der Natur widmet. Es geht um Kaiserpinguine als "komiker in der stummfilmära der schöpfung" und hölzerne Madonnen, an denen die Würmer nagen, das alles, so Schulz, verknüpft der Dichter mit Fantasie und kulturgeschichtlichem Wissen zu einer neuen Betrachtungsebene. Der Kritiker liest in den poetischen Schilderungen der irdischen Schöpfung und ihrer Vergänglichkeit eine verletzliche Nachdenklichkeit, die "Empathie allem Leben gegenüber" zeigt und Jan Wagner für ihn zu einem "formvollendeten" Lyriker macht.
© Perlentaucher Medien GmbH
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"Jan Wagners Gedichte beeindrucken: Man liest eine Zeile, eine Formulierung, eine Beschreibung, die man so noch nicht gehört hat - und hat trotzdem sofort ein Bild vor Augen." SWR-Bestenliste, Dezember 2023
"In den Fingern von Wagner kann alles, wirklich alles poetisiert werden. ... Es ist diese Neugier auf die Welt und auf die Sprache und wie er beides immer aufs Neue mischt, was Wagners Gedichten ihre animierende Bandbreite gibt. Seine Gedichte sind wie der Schmetterling in prekärer Lage schillernde Miniaturen, auf die man immer aufs Neue schauen kann, weil sich die Perspektive immerzu verschiebt, bis das Motiv sich Stück für Stück herausschält." Sandra Kegel, FAZ, 14.10.23
"Worauf es beim poetischen Augenblick ankommt, gelingt Jan Wagner nicht nur formvollendet und noch nie so gehört festzuhalten, er hält gleichsam auf Augenhöhe Zwiesprache mit den Meistern, mit der Welt und ihrem sich wie von selber in den verblüffendsten Collagen darbietenden Material. Scheinbar spielerisch findet es bei ihm zusammen und ist doch in den besten Momenten weit mehr als Etüde oder Spiel: erhellend." Jan Röhnert, Welt am Sonntag, 01.10.23
"Jan Wagner ist ein Virtuose der Wahrnehmung, dazu Besitzer eines Wortschatzes, der den Leser nach Luft schnappen lässt. ... Wagners Lyrik knüpft Bildernetze und sorgt für ungewohnten Sinn. Soviel Schönheit besitzt die Welt, und jeder gelungene Text fügt ihr noch etwas hinzu." Gisela Trahms, Tagesspiegel, 12.11.23
"Wagners Sprache ist wie immer: klar, zugänglich, anmutig. Diese Lyrik weckt keinerlei Berührungsängste, hat keine Einstiegsschwelle. Sofort sind wir drin in diesem poetischen Kosmos. Tiere, Landschaften, kleine und große Alltagsgegenstände - alles bekommt einen wundersamen Glanz, eine Geschichte ... Ein kluger, sensibler Gedichtband." Juliane Bergmann, NDR Kultur, 15.11.23
"Jan Wagner geht vom Übersehenen, Unterprivilegierten, vom Kleinen aus. ... So geht es auch um den Umgang des Menschen mit der Natur, in kleinen, versteckten Botschaften, die spielerisch leicht sind. Seine Verse sind Wahrnehmungsübungen und sprachlich-assoziative Anreicherungen des jeweiligen Gegenstandes." Jörg Magenau, rbb Kultur, 23.10.23
"Es ist wirklich eine Lust, sich mit diesen Gedichten zu befassen, sich reinzudenken, in diese Bildwelt." Beate Tröger, Deutschlandfunk, 24.10.23
"Jan Wagner beweist einmal mehr in seinem neuen Gedichtband, dass man die ganz großen Fragen mit der poetischen Aufmerksamkeit für die kleinen Dinge, für das, was uns umgibt, beantworten kann." Frank Hertweck, WDR 3, 08.11.23
"Virtuos ... Schon das erste Gedicht zieht einen unweigerlich in seinen Bann ... 'Steine & Erden' enthält still funkelnde Beispiele von Gedichten, die voller Überraschungen sind." Cornelius Hell, Die Presse, 24.11.23
"Jan Wagners Gedichte evozieren eine feinsinnige und zurückhaltende Verletzlichkeit und nicht zuletzt eine starke Sensibilität und Empathie allem Leben gegenüber." Tom Schulz, NZZ, 30.10.23
"Man schwebt beim Lesen der Gedichte mit, lässt sich ganz auf den Rhythmus ein und staunt, welche großen Bilder von so kleinen Buchstaben entfacht werden." Katrin Krämer, Radio Bremen 2, 22.10.23
"Ein famoser Band. ... Wagners Virtuosität erweist sich in der Leichtigkeit der Themenfindung. ... Die Anmut seiner jambischen Poesietanzschritte ist bewunderungswürdig." Ronald Pohl, Der Standard, 02.01.24
"Der Leser wird in den Bann dieser Verse gezogen. ...Wahrlich Lyrik, diese neue von Jan Wagner, die uns etwas zu sagen hat." Stefan Dosch, Augsburger Allgemeine, 21.11.23
"Man kann sich beim Lesen herrlich amüsieren. ... 'Steine & Erden' birgt eine Fülle überraschender, inspirierender Berührungspunkte." Judith Hoffmann, ORF Ö1, 21.11.23
"Bei Jan Wagner sind Schalk und Ernst seit je untrennbar: durch raffinierte, fast altmeisterliche Rhythmisierung und klug dosierte Klangvaleurs entsteht sein Tonfall gebrochener Feierlichkeit, in dem sich Staunen und Wehmut ausbalancieren." Alexander Altmann, Münchner Merkur, 06.11.23
"Vielleicht kann niemand das so gut wie Wagner: Die Dinge anzusehen, als sähe man sie zum ersten Mal und durch sie hindurch zugleich das zu sehen, wofür sie stehen, welche Geschichten sie erzählen, womit sie zu vergleichen sind, anders gesagt: welche Poesie ihnen auch in ihrer Unscheinbarkeit innewohnt. ... Kaum irgendwo lässt sich lesend so schön in der Welt und ihrer Vergänglichkeit weilen, wie in Jan Wagners Gedichten, die er in 'Steine & Erden' zwar in altvertrauter und doch weiter vervollkommneter Meisterschaft versammelt hat." Beate Tröger, Die Rheinpfalz, 23.12.23
"Jan Wagner wirft ein helles Licht auf die Dinge, die sonst im Schatten liegen, nimmt ihnen den Nimbus des Unscheinbaren und verleiht ihnen eine ganz ungewohnte Spannung und Würde. Frisch, spontan und hellwach - voller Freude, die ansteckt." Kerstin Bachtler, SWR2, 27.10.23
"66 neue Werke für Freunde des Gratgangs zwischen Tradition und Moderne." Wolfgang Pichler, General-Anzeiger, 25.11.23
"Jan Wagner beherrscht die hohe Kunst, Dinge und Umstände etwas anders zu sehen, als man sie gemeinhin sieht ... Er macht sensibel für ein neues Empfinden von vielem, das man längst schon empfunden zu haben glaubte." Ronald Meyer-Arlt, Hannoversche Allgemeine Zeitung, 20.01.24
"Ein großer Dichter ... Ein Band mit faszinierender Poesie über das Alltägliche." Südwest Presse, 03.02.24
"Jan Wagner führt uns in neue Zusammenhänge, verbindet Kulturelles mit Natur, Schrott mit Tieren, Märchen mit Technik. Hinter dieser ästhetischen Erkenntnislehre steckt ein schöner, ja moralischer Gedanke: Wenn dieses in jenes verwandelt werden kann, dann ist doch keiner dem anderen fremd." Frank Hertweck, SWR2, 29.10.23
"Jan Wagners neuer Gedichtband überrascht mit dunklerer Tonlage. Der Götterliebling der deutschen Gegenwartslyrik überzeugt mit glänzenden Bildern und Metaphern, virtuoser Klangmagie und tiefgründigen Inhalten." Hans-Dieter Fronz, Badische Zeitung, 11.11.23
"Das Disparate zusammendenken, Unerwartetes ins Spiel bringen ... Jan Wagner verdichtet Weltreisen in ein paar Zeilen und macht nicht nur staunen, wie knapp so etwas ausfällt, sondern auch, wie nahe alles ist, als wäre die Ferne gerade um die Ecke. Nora Eckert, literaturkritik.de, 10.04.24
"In den Fingern von Wagner kann alles, wirklich alles poetisiert werden. ... Es ist diese Neugier auf die Welt und auf die Sprache und wie er beides immer aufs Neue mischt, was Wagners Gedichten ihre animierende Bandbreite gibt. Seine Gedichte sind wie der Schmetterling in prekärer Lage schillernde Miniaturen, auf die man immer aufs Neue schauen kann, weil sich die Perspektive immerzu verschiebt, bis das Motiv sich Stück für Stück herausschält." Sandra Kegel, FAZ, 14.10.23
"Worauf es beim poetischen Augenblick ankommt, gelingt Jan Wagner nicht nur formvollendet und noch nie so gehört festzuhalten, er hält gleichsam auf Augenhöhe Zwiesprache mit den Meistern, mit der Welt und ihrem sich wie von selber in den verblüffendsten Collagen darbietenden Material. Scheinbar spielerisch findet es bei ihm zusammen und ist doch in den besten Momenten weit mehr als Etüde oder Spiel: erhellend." Jan Röhnert, Welt am Sonntag, 01.10.23
"Jan Wagner ist ein Virtuose der Wahrnehmung, dazu Besitzer eines Wortschatzes, der den Leser nach Luft schnappen lässt. ... Wagners Lyrik knüpft Bildernetze und sorgt für ungewohnten Sinn. Soviel Schönheit besitzt die Welt, und jeder gelungene Text fügt ihr noch etwas hinzu." Gisela Trahms, Tagesspiegel, 12.11.23
"Wagners Sprache ist wie immer: klar, zugänglich, anmutig. Diese Lyrik weckt keinerlei Berührungsängste, hat keine Einstiegsschwelle. Sofort sind wir drin in diesem poetischen Kosmos. Tiere, Landschaften, kleine und große Alltagsgegenstände - alles bekommt einen wundersamen Glanz, eine Geschichte ... Ein kluger, sensibler Gedichtband." Juliane Bergmann, NDR Kultur, 15.11.23
"Jan Wagner geht vom Übersehenen, Unterprivilegierten, vom Kleinen aus. ... So geht es auch um den Umgang des Menschen mit der Natur, in kleinen, versteckten Botschaften, die spielerisch leicht sind. Seine Verse sind Wahrnehmungsübungen und sprachlich-assoziative Anreicherungen des jeweiligen Gegenstandes." Jörg Magenau, rbb Kultur, 23.10.23
"Es ist wirklich eine Lust, sich mit diesen Gedichten zu befassen, sich reinzudenken, in diese Bildwelt." Beate Tröger, Deutschlandfunk, 24.10.23
"Jan Wagner beweist einmal mehr in seinem neuen Gedichtband, dass man die ganz großen Fragen mit der poetischen Aufmerksamkeit für die kleinen Dinge, für das, was uns umgibt, beantworten kann." Frank Hertweck, WDR 3, 08.11.23
"Virtuos ... Schon das erste Gedicht zieht einen unweigerlich in seinen Bann ... 'Steine & Erden' enthält still funkelnde Beispiele von Gedichten, die voller Überraschungen sind." Cornelius Hell, Die Presse, 24.11.23
"Jan Wagners Gedichte evozieren eine feinsinnige und zurückhaltende Verletzlichkeit und nicht zuletzt eine starke Sensibilität und Empathie allem Leben gegenüber." Tom Schulz, NZZ, 30.10.23
"Man schwebt beim Lesen der Gedichte mit, lässt sich ganz auf den Rhythmus ein und staunt, welche großen Bilder von so kleinen Buchstaben entfacht werden." Katrin Krämer, Radio Bremen 2, 22.10.23
"Ein famoser Band. ... Wagners Virtuosität erweist sich in der Leichtigkeit der Themenfindung. ... Die Anmut seiner jambischen Poesietanzschritte ist bewunderungswürdig." Ronald Pohl, Der Standard, 02.01.24
"Der Leser wird in den Bann dieser Verse gezogen. ...Wahrlich Lyrik, diese neue von Jan Wagner, die uns etwas zu sagen hat." Stefan Dosch, Augsburger Allgemeine, 21.11.23
"Man kann sich beim Lesen herrlich amüsieren. ... 'Steine & Erden' birgt eine Fülle überraschender, inspirierender Berührungspunkte." Judith Hoffmann, ORF Ö1, 21.11.23
"Bei Jan Wagner sind Schalk und Ernst seit je untrennbar: durch raffinierte, fast altmeisterliche Rhythmisierung und klug dosierte Klangvaleurs entsteht sein Tonfall gebrochener Feierlichkeit, in dem sich Staunen und Wehmut ausbalancieren." Alexander Altmann, Münchner Merkur, 06.11.23
"Vielleicht kann niemand das so gut wie Wagner: Die Dinge anzusehen, als sähe man sie zum ersten Mal und durch sie hindurch zugleich das zu sehen, wofür sie stehen, welche Geschichten sie erzählen, womit sie zu vergleichen sind, anders gesagt: welche Poesie ihnen auch in ihrer Unscheinbarkeit innewohnt. ... Kaum irgendwo lässt sich lesend so schön in der Welt und ihrer Vergänglichkeit weilen, wie in Jan Wagners Gedichten, die er in 'Steine & Erden' zwar in altvertrauter und doch weiter vervollkommneter Meisterschaft versammelt hat." Beate Tröger, Die Rheinpfalz, 23.12.23
"Jan Wagner wirft ein helles Licht auf die Dinge, die sonst im Schatten liegen, nimmt ihnen den Nimbus des Unscheinbaren und verleiht ihnen eine ganz ungewohnte Spannung und Würde. Frisch, spontan und hellwach - voller Freude, die ansteckt." Kerstin Bachtler, SWR2, 27.10.23
"66 neue Werke für Freunde des Gratgangs zwischen Tradition und Moderne." Wolfgang Pichler, General-Anzeiger, 25.11.23
"Jan Wagner beherrscht die hohe Kunst, Dinge und Umstände etwas anders zu sehen, als man sie gemeinhin sieht ... Er macht sensibel für ein neues Empfinden von vielem, das man längst schon empfunden zu haben glaubte." Ronald Meyer-Arlt, Hannoversche Allgemeine Zeitung, 20.01.24
"Ein großer Dichter ... Ein Band mit faszinierender Poesie über das Alltägliche." Südwest Presse, 03.02.24
"Jan Wagner führt uns in neue Zusammenhänge, verbindet Kulturelles mit Natur, Schrott mit Tieren, Märchen mit Technik. Hinter dieser ästhetischen Erkenntnislehre steckt ein schöner, ja moralischer Gedanke: Wenn dieses in jenes verwandelt werden kann, dann ist doch keiner dem anderen fremd." Frank Hertweck, SWR2, 29.10.23
"Jan Wagners neuer Gedichtband überrascht mit dunklerer Tonlage. Der Götterliebling der deutschen Gegenwartslyrik überzeugt mit glänzenden Bildern und Metaphern, virtuoser Klangmagie und tiefgründigen Inhalten." Hans-Dieter Fronz, Badische Zeitung, 11.11.23
"Das Disparate zusammendenken, Unerwartetes ins Spiel bringen ... Jan Wagner verdichtet Weltreisen in ein paar Zeilen und macht nicht nur staunen, wie knapp so etwas ausfällt, sondern auch, wie nahe alles ist, als wäre die Ferne gerade um die Ecke. Nora Eckert, literaturkritik.de, 10.04.24