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Nach der Wende hat sich Wolfram Meister schon einmal neu erfunden, die Gunst der Stunde genutzt und ein Hotel aufgezogen. Als energischer Unternehmer hat er sich inzwischen beinah selbst überflüssig gemacht. Ein Mann in den besten Jahren, ein Mann, der sich alles leisten kann, sitzt er heute am liebsten rauchend auf seinem Hochsitz und träumt von Weltflucht. Doch als er sich neu verliebt, beginnt die Zukunft wieder rosarot zu leuchten. Ist das nicht der Moment, um das Hotel zu verkaufen und noch einmal auf Neustart zu drücken? So sicher sich Meister ist, dass er diese Chance nicht verspielen…mehr

Produktbeschreibung
Nach der Wende hat sich Wolfram Meister schon einmal neu erfunden, die Gunst der Stunde genutzt und ein Hotel aufgezogen. Als energischer Unternehmer hat er sich inzwischen beinah selbst überflüssig gemacht. Ein Mann in den besten Jahren, ein Mann, der sich alles leisten kann, sitzt er heute am liebsten rauchend auf seinem Hochsitz und träumt von Weltflucht. Doch als er sich neu verliebt, beginnt die Zukunft wieder rosarot zu leuchten. Ist das nicht der Moment, um das Hotel zu verkaufen und noch einmal auf Neustart zu drücken? So sicher sich Meister ist, dass er diese Chance nicht verspielen darf, so schwer tut er sich damit, der bezaubernden Nelli zu vertrauen. Er will sie auf die Probe stellen, die Zivilisation für eine Weile hinter sich lassen - und merkt nicht, wie sehr er sie mit diesem Plan brüskiert. Als ihm dann noch sein alter Freund die Geliebte streitig macht, verliert Meister jedes Maß ... Rainer Klis erzählt von der Sehnsucht und vom Wagnis, immer wieder Veränderung im Leben zu suchen. Unsentimental und pointiert ist seine Sprache, voll subtiler Spannung sein Roman.
Autorenporträt
Rainer Klis, geboren 1955 in Karl-Marx-Stadt, machte sich in den Achtzigerjahren zunächst mit Kurzprosa einen Namen. Nach 1990 zum Reisenden geworden, veröffentlichte er neben Erzählbänden eine Reihe von Reportagen. Rainer Klis ist Mitglied des PEN.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Kilian Trotier zeigt sich beeindruckt von Rainer Klis' Innenansicht eines ostdeutschen Wendeaufsteigers. Der Hotelgründer Wolfram Meister ist von außen besehen ein erfolgreicher Geschäftsmann, leidet aber unter seinen Verunsicherungen und droht unter den inneren Widersprüchen seiner Existenz zugrunde zu gehen. Die Diskrepanz zwischen Selbst- und Fremdeinschätzung als Ausgangslage eines Romans ist schon häufig verwendet worden, gewinnt seinen besonderen Reiz aber durch die Gründe für die zerrissene Existenz Meisters, erklärt der Rezensent. Meisters Grundübel sind nämlich die widerstreitenden Prinzipien des Kommunismus und des Kapitalismus, und das ist als innere Realität eines Protagonisten bisher so nicht dargestellt worden, so Trotier fasziniert. Umso bedauerlicher, dass der Autor glaubt, seine Figuren mit Kraftausdrücken um sich schmeißen lassen zu müssen, moniert der Rezensent, der findet, dass dieser fesselnde Roman dies nicht nötig gehabt hätte.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.08.2007

Rainer Klis sagt "Goodbye, Marx"

Als einer der wenigen hat es Wolfram Meister geschafft: Nach der Wende 1989 ließ er sich nicht vom Abwärtsstrudel ins soziale Niemandsland reißen, sondern nutzte diese zum Kickstart auf der Karriereleiter. Nicht, dass er zuvor keinen beruflichen Erfolg gehabt hätte. Als Abteilungsleiter des Hochbaubetriebs, bei dem er kurz vor der Beförderung zum Hauptbuchhalter stand, lernte er die Sonnenseite des sozialistischen Systems hinter dem Eisernen Vorhang kennen. Aber nun, als Meister sich auf dem freien kapitalistischen Markt umtut, gelingt ihm mit seinem Hotel der große Wurf. Nur durch seinen chronisch mittellosen Freund Hans-Hasso, der sich als Jude ausgibt, wird er mit finanziellen Notständen konfrontiert. Ansonsten könnte das Leben gar nicht besser laufen.

Doch Rainer Klis, der 1955 in Chemnitz, der Stadt mit der Marx-Büste (unser Foto), geboren wurde, lässt diese Außenansicht immer nur kurz in den Reflexionen des Protagonisten aufleuchten. Denn sein Roman "Steinzeit" bringt primär die Unebenheiten und Paradoxien des seelischen Innenlebens Meisters zum Vorschein. Die Ich-Erzählung nimmt auch den Leser in der Welt des "neureichen Emporkömmlings", wie Meister sich selbst nennt, gefangen. Eine objektive Einschätzung der Lage? Unmöglich. Wir begeben uns auf eine Seelenreise mit einer verunsicherten, von Ängsten heimgesuchten Existenz.

So weit die reizvolle, wenn auch nicht gerade wunderlich originelle Ausgangsposition. Die Diskrepanz zwischen äußerer Darstellung und inneren Verstrickungen ist schon oft erzählt worden. Was diesen Roman lesenswert macht, ist, ganz banal, der Widerstreit zwischen Kommunismus und Kapitalismus, der im Inneren vieler im ostdeutschen System Großgewordener fortbesteht und hier aus der Innenperspektive heraus aufgedeckt wird. Zwar hat das westliche System politisch die Oberhand behalten, doch der Roman zeigt, dass der in jedem einzelnen der Charaktere verankerte Konflikt noch längst nicht ausgestanden ist.

Aus Sicht der Hauptfigur stehen stellvertretend deren Freundin Nelli und der verstorbene, aber in den Gedanken immer noch sehr präsente Vater für die beiden Ideologien. Nelli, die der in seinen Beziehungen immer wieder gescheiterte Meister als seine letzte Chance für eine gutbürgerliche Eheexistenz sieht und gerade deswegen nicht weiß, ob er sie wirklich lieben soll, ist ehrgeizig und treibt ihren Freund dazu an, das Hotel weiter auszubauen - Wettbewerbsfähigkeit ist das Ziel. Gegenüber seinem Vater, einem alten kommunistischen Kadermann, fühlt sich Meister hingegen schuldig, weil er inzwischen selbst Teil des neues Systems geworden ist. So zerreibt er sich.

Neben diesem bedrückenden Bild bietet der Roman zudem die Physiognomie einer heimat- und wurzellosen Gebildetenschicht: allenthalben zerrüttete Familienverhältnisse, Untreue, Scheidung und erneute Heirat. Religion wird verbrämt, die alten Ideologien greifen nicht mehr. Die bürgerliche Hülle bietet keinen Schutz vor den eigentlichen Bedürfnissen nach Liebe und Sicherheit.

Rainer Klis zeigt eine der öffentlichen Wahrnehmung kaum zugängliche, nur im Inneren des Einzelnen greifbare Realität. Schonungslos lässt er Wolfram Meister von seinen Nöten und Problemen berichten. Schade nur, dass Klis in seiner Wortwahl häufig schludert. Der Griff in die sprachliche Fäkalgrube wertet die durchaus interessante Kernaussage des Romans unnötig ab.

KILIAN TROTIER

Rainer Klis: "Steinzeit". Roman. Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2007. 192 S., geb., 16,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.06.2007

In der gemütlichen Spießerhölle
War da was? Rainer Klis erzählt von einer Nachwendezeit ohne Wende
Eigentlich ein interessanter Stoff, oder besser gesagt: ein interessantes Milieu, das näher kennen zu lernen die Lektüre eines schmalen Romans durchaus rechtfertigen könnte. Rainer Klis erzählt in „Steinzeit” von einigen Menschen aus der ostdeutschen Provinz. Sie gehen auf die fünfzig zu, haben also auch vor dem Mauerfall bereits ein voll zurechnungsfähiges Leben geführt. Sie waren nie Dissidenten, auch nicht Sand im Getriebe, sondern ganz normale Stützen der sozialistischen Gesellschaft. Doch auch nach 1989 geht es ihnen gut – namentlich der Ich-Erzähler, Wolfram Meister, hat den Dreh raus und dank einer Hotelgründung die Kurve hingekriegt zu einem wohlhabenden Unternehmer. Fast mit Verblüffung schaut er auf seine neuen Reichtümer, die so gar nicht zu seiner Vergangenheit im Arbeiter- und Bauernstaat passen wollen. Außer als robustes Zeichen dafür, dass einer, der Meister heißt, immer obenauf ist: „Ich war 90 Unternehmer geworden, weil ich plötzlich befürchtet hatte, zu verhungern, bei der Neuaufteilung der Welt leer auszugehen.”
„Steinzeit” ist aus Wolfram Meisters Perspektive erzählt. Was zuerst auffällt: Normalerweise würde ein Roman, der das Leben eines DDR-Bürgers über 1989 hinaus entfaltet, in irgendeiner Weise die Frage aufwerfen, was es heißt, unter den Bedingungen der Diktatur gelebt zu haben. Es gäbe irgendeine Form der reflexiven Problematisierung, der kritischen Selbstvergewisserung. Dass Rainer Klis’ Roman dies ostentativ nicht tut, macht die Sache erstmal interessant. Klis legt die Figur seines unverwüstlichen Meisters weder im Rollenfach des Opportunisten an noch in dem des Wendehalses. Sondern frei von jeder Notwendigkeit, irgendwie verdruckst zu sein. Man kann also im SED-Staat auf der Sonnenseite gelebt haben, ohne deshalb nach dem Mauerfall in Selbstzweifel stürzen zu müssen. Das ist, gerade wenn man sie nicht teilt, wenigstens einmal eine Haltung. Und ihr kindlich-trotziger Gestus könnte bestimmt erkenntnisfördernd sein.
Die Fuchtel und die Würstchen
Nur macht Rainer Klis aus dieser Haltung gar nichts. Bald schon merkt man, dass diese Frage nach dem Systemwechsel überhaupt nicht zum Erzählprogramm gehört, sondern den Figuren nur als biografischer Rahmen anhängt. So verschenkt der Roman ein Thema, dem zu wünschen ist, dass es ein anderer und besserer Autor einmal aufgreifen möge. Stattdessen erzählt Klis eine Geschichte, die an sentimental-herber Männlichkeits-Romantik kaum zu überbieten ist.
Wolfram Meister hat Probleme mit den „Weibern”, wie es durchgehend heißt, weil er fürchtet, sie könnten ihm seine Freiheit rauben. Arme Würstchen sind für ihn die Männer, die sich unter die Fuchtel eines Eheweibs begeben. Andererseits hat auch er Gefühle nach mehr als nur einer Affäre. Es ist eben kein Mensch frei von Widersprüchen. Jetzt hat Meister gerade diese sexy Frau, Nelli, in seinem Hotel angestellt, und sie ist mit ihm auch fast gleich ins Bett gesprungen und vermutlich verspricht sie sich mehr davon, ja, wohl gar eine dauerhafte Partnerschaft, und warum eigentlich nicht, schließlich, ja, liebt Meister sie, aber, Mannomann, sagen würde er das natürlich nie, und außerdem: Wer könnte ihm denn bitte garantieren, dass Nelli ihn wirklich zurückliebt und es nicht nur auf seine Hotel-Millionen abgesehen hat?
Dass dabei das Bild einer neuen Honoratioren-Gesellschaft Ost entsteht, ist noch das Interessanteste. Doch was Klis dem Leser da vorführt, ist die reine Spießerhölle. Was ja immerhin ein Wort wäre. Nur bildet Klis sie höchst affirmativ ab. Denn er hält sie selbst unbegreiflicherweise für irgendwie lässig, lonely rider-mäßig und männlich-unverbildet. Harte Schale, weicher Kern, so funktionieren seine Figuren. Ost-Männer sind nicht metrosexuell, könnte die Botschaft zwischen den Zeilen lauten. Auch wo sie den Kapitalismus begriffen haben, verweigern sie sich seinem effeminisierenden Stilideal. Wäre dieses Buch eine Zigarette, dann Rothändle ohne Filter. Und so spießig wie aus den bundesdeutschen siebziger Jahren wirkt die ganze Meute.
Das Unangenehmste ist immer, wenn das Spießbürgertum sexuell wird: Peinvoll sind in diesem Buch deshalb die Beschreibungen von Frauen, ihre Dämonisierung zugleich und Überhöhung. „Ohne Hast tastete meine Hand nach ihren Brüsten. Sie waren klein und fest, und die harten Warzen reizten mich, noch immer Aug’ in Aug’ mit ihr, sie zu kenten. (. . .) Sie wimmerte, als es losging.” Oder: „Schneller, als ich aufstehen konnte, saß sie auf meinem Schoß und schob mir ihre Pfefferminzzunge in den Mund. Ihr Hände hielten meinen Kopf, und ich fuhr ihr unter den Rock.”
Ansonsten entfaltet das Buch einen Jargon ostiger Raubeinigkeit. Man sagt „Schalömchen” und „Du dämlicher Hund”, „Ihr blöden Säcke” und „lass gut sein, Alter”. Und während der Kubareise ist man sowas von patent im Umgang mit den Compañeros, den ehemaligen Genossen, auf die ein russisches Wort in brüderlicher Absicht immer wirkt.
Einen Mord und eine Männerfreundschafts-Enttäuschungsgeschichte hat Klis noch eingebaut, und das Ganze endet in einer Regressionsutopie in Lappland, wo die Wildheit der Natur den Mann aus den bürgerlichen Nöten seiner Liebesblödigkeiten erlösen soll. Muss man nicht lesen.IJOMA MANGOLD
RAINER KLIS: Steinzeit. Roman. Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2007. 188 Seiten, 16,90 Euro.
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