Stella liebt ihre Decke aus blauem Seidensatin, die sie von ihrer Ururgroßmutter geerbt hat - eine Decke, übersät mit Sternen und Schneeflocken aus Silberbrokat und mit einem goldenen Faden eingefasst. Auf jeden, der ihn besitzt, übt dieser Stoff eine magische Wirkung aus - denn seine Falten bergen die Kraft, die Geschichten seiner Besitzerinnen einzufangen: wundersame Geschichten vom alten Russland, vom Berlin der 20er Jahre, von der Flucht der jüdischen Familie nach New York und einem Neuanfang in Berlin. Dieses Erbstück begleitet Stella von der Wiege bis zum ersten Kuss. Und während der Stoff sich im Laufe der Zeit verwandelt und immer kleiner wird, wird auch Stella schließlich ein Teil seiner Geschichte.
Das neue Buch der Jugendliteraturpreisträgerin über Mütter und Töchter, über unsere Wurzeln - und über den goldenen Faden, der alles miteinander verbindet. Zum Lesen und Vorlesen für Kinder ab 9 Jahre und die ganze Familie!
Das neue Buch der Jugendliteraturpreisträgerin über Mütter und Töchter, über unsere Wurzeln - und über den goldenen Faden, der alles miteinander verbindet. Zum Lesen und Vorlesen für Kinder ab 9 Jahre und die ganze Familie!
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 26.11.2013Blauer Satin
Hundert Jahre jüdisches Familienleben
„Schneestern“, so nennt die kleine Stella ihre geliebte Schmusedecke aus blauem Satin mit silbernen Sternen und Schneeflocken, eingefasst mit einem goldenen Faden. Für ihre Mutter ist dieses Geschenk der Großmutter nur ein „verflecktes altes Erbstück“, eigentlich viel zu wertvoll für ein kleines Kind, und so will sie endlich die Gelegenheit nutzen es wegzuwerfen, als Stella es zerrissen aus der Kita mit nach Hause bringt. Tränen über Tränen, doch Großmutter Josefine hilft, und zaubert daraus nicht nur ein Kleid, sondern erzählt ihrer kleinen Enkelin die Geschichte dieses Stücks Stoff, das 1919 als Wandbehang in Russland gearbeitet, über fast ein Jahrhundert die Frauen ihrer jüdischen Familie durch die ganze Welt begleitete. Es beginnt alles mit Stellas Urgroßmutter Channa, die es von Russland aus nach Berlin verschlug, wo Josefine geboren wurde, und die 1939 auf der Flucht vor den Nazis sich über Belgien in die USA retten konnte. Oft geht der geliebte Stoff verloren und kommt doch immer wieder in die Familie zurück, auch als Josefine, inzwischen eine junge Frau, wieder nach Berlin zieht und ihre Tochter die Mutter von Stella wird.
Und es ist Stellas Geschichte, die Kindheit und Jugend eines Berliner Mädchens von heute, aufmüpfig zu ihrer Mutter und verliebt in Mats, den Kinderfreund, die die Autorin Holly-Jane Rahlens als Rahmenhandlung für die Episoden der jüdischen Familie nutzt. Es sind wohl auch ihre biografischen Erinnerungen, die aber keine belehrende Patina angesetzt haben, weil in ihnen Witz und Weisheit eine höchst lebendige Sprache finden, von Brigitte Jakobeit kongenial übertragen.
Die Großmutter erzählt während Stellas gesamter Kinderzeit weiter. Sie wiederholt manches, knüpft an schon bekannte Ereignisse an, während sie neue Verwendungsmöglichkeiten für das ständig schrumpfende Stück Stoff findet, denn ihre Enkelin stürmt ziemlich wild durchs Leben. So bleibt am Schluss nur ein kleines Band übrig, das den Hut des Mädchens ziert beim ersten Kuss auf dem Riesenrad. Doch auch der letzte Fetzen von „Schneestern“ fliegt davon und nun ist es die Mutter, immer skeptisch gegenüber diesen traditionellen Ritualen zwischen Großmutter und Enkelin, die trotzdem daraus etwas Unvergängliches schafft.
Kinder werden ungewöhnliche, überraschende und auch manchmal schräg erzählte Einblicke in 100 Jahre jüdische Geschichte bekommen, während sie der Heldin durch das Leben, das sie selbst kennen, folgen. Erwachsene werden die leicht ironische, lebenskluge Distanz beim schwierigen Umgang mit der Tradition spüren. Die Zeichnungen von Reinhard Michel machen aus diesem Kinderbuch noch dazu eine kleine Kostbarkeit. (ab 10 Jahre und Erwachsene)
ROSWITHA BUDEUS-BUDDE
Holly-Jane Rahlens: Stella Menzel und der goldene Faden. Aus dem Englischen von Brigitte Jakobeit. Mit Bildern von Reinhard Michl. Rowohlt rotfuchs 2013. 155 Seiten, 16,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Hundert Jahre jüdisches Familienleben
„Schneestern“, so nennt die kleine Stella ihre geliebte Schmusedecke aus blauem Satin mit silbernen Sternen und Schneeflocken, eingefasst mit einem goldenen Faden. Für ihre Mutter ist dieses Geschenk der Großmutter nur ein „verflecktes altes Erbstück“, eigentlich viel zu wertvoll für ein kleines Kind, und so will sie endlich die Gelegenheit nutzen es wegzuwerfen, als Stella es zerrissen aus der Kita mit nach Hause bringt. Tränen über Tränen, doch Großmutter Josefine hilft, und zaubert daraus nicht nur ein Kleid, sondern erzählt ihrer kleinen Enkelin die Geschichte dieses Stücks Stoff, das 1919 als Wandbehang in Russland gearbeitet, über fast ein Jahrhundert die Frauen ihrer jüdischen Familie durch die ganze Welt begleitete. Es beginnt alles mit Stellas Urgroßmutter Channa, die es von Russland aus nach Berlin verschlug, wo Josefine geboren wurde, und die 1939 auf der Flucht vor den Nazis sich über Belgien in die USA retten konnte. Oft geht der geliebte Stoff verloren und kommt doch immer wieder in die Familie zurück, auch als Josefine, inzwischen eine junge Frau, wieder nach Berlin zieht und ihre Tochter die Mutter von Stella wird.
Und es ist Stellas Geschichte, die Kindheit und Jugend eines Berliner Mädchens von heute, aufmüpfig zu ihrer Mutter und verliebt in Mats, den Kinderfreund, die die Autorin Holly-Jane Rahlens als Rahmenhandlung für die Episoden der jüdischen Familie nutzt. Es sind wohl auch ihre biografischen Erinnerungen, die aber keine belehrende Patina angesetzt haben, weil in ihnen Witz und Weisheit eine höchst lebendige Sprache finden, von Brigitte Jakobeit kongenial übertragen.
Die Großmutter erzählt während Stellas gesamter Kinderzeit weiter. Sie wiederholt manches, knüpft an schon bekannte Ereignisse an, während sie neue Verwendungsmöglichkeiten für das ständig schrumpfende Stück Stoff findet, denn ihre Enkelin stürmt ziemlich wild durchs Leben. So bleibt am Schluss nur ein kleines Band übrig, das den Hut des Mädchens ziert beim ersten Kuss auf dem Riesenrad. Doch auch der letzte Fetzen von „Schneestern“ fliegt davon und nun ist es die Mutter, immer skeptisch gegenüber diesen traditionellen Ritualen zwischen Großmutter und Enkelin, die trotzdem daraus etwas Unvergängliches schafft.
Kinder werden ungewöhnliche, überraschende und auch manchmal schräg erzählte Einblicke in 100 Jahre jüdische Geschichte bekommen, während sie der Heldin durch das Leben, das sie selbst kennen, folgen. Erwachsene werden die leicht ironische, lebenskluge Distanz beim schwierigen Umgang mit der Tradition spüren. Die Zeichnungen von Reinhard Michel machen aus diesem Kinderbuch noch dazu eine kleine Kostbarkeit. (ab 10 Jahre und Erwachsene)
ROSWITHA BUDEUS-BUDDE
Holly-Jane Rahlens: Stella Menzel und der goldene Faden. Aus dem Englischen von Brigitte Jakobeit. Mit Bildern von Reinhard Michl. Rowohlt rotfuchs 2013. 155 Seiten, 16,99 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
In ihrem Kinderbuch "Stella Menzel und der goldene Faden" erzählt Holly-Jane Rahlens eine kleine Parabel über den Zusammenhalt von Familien über Generationen hinweg, berichtet Ramona Lenz: ein Stück Stoff - aus blauem Seidensatin und mit silbernen Sternen und Schneeflocken drauf, zusammengenäht mit einem goldenen Faden - wird durch die Generationen gereicht, verändert immer ein wenig seine Form, seine Funktion, ist mal Tischdecke, mal Wiegenhimmel, schließlich nur noch Schleife, aber der goldene Faden reißt nie, erklärt die Rezensentin. So oder ähnlich stellt sich Rahlens Familienbande vor, erfährt Lenz am Ende des Buches und könnte sich vorstellen, dass man dieses Buch zum Anlass nehmen könnte, um mit Kindern über das Privileg zu sprechen, das eine Familie ist.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.12.2013Geschichten sind alles
Holly-Jane Rahlens knüpft goldene Familienbande
Die Geschichte beginnt mit "Es war einmal". Sie erzählt von einem Mädchen, das ein "großes Stück verzauberten Stoffes" besaß, "aus glänzendem blauen Seidensatin, übersät mit Sternen und Schneeflocken aus Silberbrokat und mit einem goldenen Faden zusammengenäht". So magisch er auch beschrieben wird, besitzt der Stoff doch keine Zauberkräfte. Seine Magie ist vielmehr den Frauen geschuldet, die ihn über einhundert Jahre und verschiedene Kontinente hinweg von Generation zu Generation weitergegeben und ihm mit ihren Geschichten Bedeutung verliehen haben. Zwischendurch verloren oder ruiniert geglaubt, taucht der Stoff wieder auf und wird ausgebessert.
Der goldene Faden, der ihn zusammenhält, scheint unverwüstlich. Zunächst hält er einen dunkelblauen Wandbehang mit Sternen, Schneeflocken und Vollmond aus Silberbrokat zusammen, der 1919 in St. Petersburg gefertigt und einer jungen Frau von ihrer Mutter mit nach Berlin gegeben wird. Dort wird der Wandbehang zum Vorhang für das Kinderzimmer, bis die Familie 1939 nach New York flieht und ihn zurücklassen muss. Nach Kriegsende taucht er wieder auf und wird als Tischdecke benutzt. 1964 geht die jüngste Tochter der Familie zurück nach Berlin. Aus der Tischdecke, die inzwischen voller Flecken ist, macht sie einen Klavierschal für ihre eigene, 1965 in Berlin geborene Tochter. Und als diese im Jahr 2000 die kleine Stella zur Welt bringt, wird aus dem Klavierschal ein Himmel für ihre Wiege. Das Stück Stoff, aus dem der Himmel ist, und vor allem der goldene Faden, mit dem er zusammengehalten wird, begleitet Stella bis zu ihrem 14. Geburtstag, an dem das Buch schließt.
Entlang der Wandlungen, die der Stoff in Stellas Leben vom Wiegenhimmel bis zur Hutschleife durchmacht, wird das Mädchen beim Heranwachsen begleitet. Familienfeiern, Freundschaften, Eifersucht, Schwärmerei, erste Liebe - nichts geschieht ohne den blauen Stoff und den goldenen Faden, der ihn zusammenhält. Es ist ein Heranwachsen in großer Geborgenheit. Stella ist Teil einer Familie, in der sie selbst einen sicheren Platz hat.
Der goldene Faden stehe "für den innigen Wunsch der Familie nach Zusammenhalt über Generationen hinweg", schreibt Holly-Jane Rahlens am Ende des liebevoll gestalteten Buches. Es gehe um die "Bedeutung von Familiengeschichten", um "unsere Wurzeln und unsere Verbundenheit mit unserer Vergangenheit". Alles keine Selbstverständlichkeiten, sondern Privilegien, die viele entbehren müssen. So könnte Stellas Geschichte einen Anlass liefern, mit den Kindern über die eigene Familie zu sprechen.
RAMONA LENZ
Holly-Jane Rahlens: "Stella Menzel und der goldene Faden". Aus dem Englischen von Brigitte Jakobeit. Rowohlt Verlag, Reinbek 2013. 160 S., br. 16,99 [Euro]. Ab 10 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Holly-Jane Rahlens knüpft goldene Familienbande
Die Geschichte beginnt mit "Es war einmal". Sie erzählt von einem Mädchen, das ein "großes Stück verzauberten Stoffes" besaß, "aus glänzendem blauen Seidensatin, übersät mit Sternen und Schneeflocken aus Silberbrokat und mit einem goldenen Faden zusammengenäht". So magisch er auch beschrieben wird, besitzt der Stoff doch keine Zauberkräfte. Seine Magie ist vielmehr den Frauen geschuldet, die ihn über einhundert Jahre und verschiedene Kontinente hinweg von Generation zu Generation weitergegeben und ihm mit ihren Geschichten Bedeutung verliehen haben. Zwischendurch verloren oder ruiniert geglaubt, taucht der Stoff wieder auf und wird ausgebessert.
Der goldene Faden, der ihn zusammenhält, scheint unverwüstlich. Zunächst hält er einen dunkelblauen Wandbehang mit Sternen, Schneeflocken und Vollmond aus Silberbrokat zusammen, der 1919 in St. Petersburg gefertigt und einer jungen Frau von ihrer Mutter mit nach Berlin gegeben wird. Dort wird der Wandbehang zum Vorhang für das Kinderzimmer, bis die Familie 1939 nach New York flieht und ihn zurücklassen muss. Nach Kriegsende taucht er wieder auf und wird als Tischdecke benutzt. 1964 geht die jüngste Tochter der Familie zurück nach Berlin. Aus der Tischdecke, die inzwischen voller Flecken ist, macht sie einen Klavierschal für ihre eigene, 1965 in Berlin geborene Tochter. Und als diese im Jahr 2000 die kleine Stella zur Welt bringt, wird aus dem Klavierschal ein Himmel für ihre Wiege. Das Stück Stoff, aus dem der Himmel ist, und vor allem der goldene Faden, mit dem er zusammengehalten wird, begleitet Stella bis zu ihrem 14. Geburtstag, an dem das Buch schließt.
Entlang der Wandlungen, die der Stoff in Stellas Leben vom Wiegenhimmel bis zur Hutschleife durchmacht, wird das Mädchen beim Heranwachsen begleitet. Familienfeiern, Freundschaften, Eifersucht, Schwärmerei, erste Liebe - nichts geschieht ohne den blauen Stoff und den goldenen Faden, der ihn zusammenhält. Es ist ein Heranwachsen in großer Geborgenheit. Stella ist Teil einer Familie, in der sie selbst einen sicheren Platz hat.
Der goldene Faden stehe "für den innigen Wunsch der Familie nach Zusammenhalt über Generationen hinweg", schreibt Holly-Jane Rahlens am Ende des liebevoll gestalteten Buches. Es gehe um die "Bedeutung von Familiengeschichten", um "unsere Wurzeln und unsere Verbundenheit mit unserer Vergangenheit". Alles keine Selbstverständlichkeiten, sondern Privilegien, die viele entbehren müssen. So könnte Stellas Geschichte einen Anlass liefern, mit den Kindern über die eigene Familie zu sprechen.
RAMONA LENZ
Holly-Jane Rahlens: "Stella Menzel und der goldene Faden". Aus dem Englischen von Brigitte Jakobeit. Rowohlt Verlag, Reinbek 2013. 160 S., br. 16,99 [Euro]. Ab 10 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Meisterhaft verwebt Holly-Jane Rahlens ihren Stoff und entwirft eine temperamentvolle, jüdisch tradierte Moderne. Selten wird das Zusammenspiel von Wurzeln und Flügeln im Kinderbuch so stimmig und gewinnbringend für alle umgesetzt. Absolut magisch, ganz ohne Zauberei. Endlich mal wieder ein perfektes Vorlesebuch für das Grundschulalter." -- Katrin Rüger, Buchhandlung Waldmann, München
All ihren Büchern gemeinsam sind der unverkennbare Humor (...), die Authentizität ihrer Charaktere und die atmosphärische Stimmigkeit ihrer Settings. Eselsohr