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Es ist 1942. Friedrich, ein stiller junger Mann, kommt vom Genfer See nach Berlin. In einer Kunstschule trifft er Kristin. Sie nimmt Friedrich mit in die geheimen Jazzclubs. Sie trinkt Kognak mit ihm und gibt ihm seinen ersten Kuss. Bei ihr kann er sich einbilden, der Krieg sei weit weg. Eines Morgens klopft Kristin an seine Tür, verletzt, mit Striemen im Gesicht: "Ich habe dir nicht die Wahrheit gesagt." Sie heißt Stella und ist Jüdin. Die Gestapo hat sie enttarnt und zwingt sie zu einem unmenschlichen Pakt: Wird sie, um ihre Familie zu retten, untergetauchte Juden denunzieren? Eine…mehr

Produktbeschreibung
Es ist 1942. Friedrich, ein stiller junger Mann, kommt vom Genfer See nach Berlin. In einer Kunstschule trifft er Kristin. Sie nimmt Friedrich mit in die geheimen Jazzclubs. Sie trinkt Kognak mit ihm und gibt ihm seinen ersten Kuss. Bei ihr kann er sich einbilden, der Krieg sei weit weg. Eines Morgens klopft Kristin an seine Tür, verletzt, mit Striemen im Gesicht: "Ich habe dir nicht die Wahrheit gesagt." Sie heißt Stella und ist Jüdin. Die Gestapo hat sie enttarnt und zwingt sie zu einem unmenschlichen Pakt: Wird sie, um ihre Familie zu retten, untergetauchte Juden denunzieren? Eine Geschichte, die auf wahren Begebenheiten beruht - über die Entscheidung, sich selbst zu verraten oder seine Liebe.
Autorenporträt
Takis Würger, geboren 1985, hat an der Henri-Nannen-Journalistenschule das Schreiben gelernt und Ideengeschichte in Cambridge studiert. Er arbeitet als Redakteur für das Nachrichtenmagazin Der Spiegel. 2017 erschien sein Debütroman Der Club, der mit dem Debütpreis der lit.Cologne ausgezeichnet wurde und für den aspekte-Literaturpreis nominiert war, 2019 bei Hanser sein Roman Stella. Takis Würger lebt in Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.02.2019

Dürfen diese Fakten in solch eine Fiktion?

Der ästhetischen Debatte über Takis Würgers Roman "Stella" könnte nun eine strafrechtliche folgen: Der Autor wird wegen Verunglimpfung Verstorbener angezeigt.

Wochenlang beschäftigte Takis Würgers neuer Roman "Stella" die deutschen Feuilletons. Der allgemeinen Empörung über die handwerkliche Qualität folgte eine moralische Debatte. Würger verzerre, so der Vorwurf, die höchst komplexe Lebensgeschichte der Jüdin Stella Goldschlag zu reißerischer Unterhaltung. Von der Gestapo erpresst, verriet Goldschlag 1943 bis zu dreihundert Berliner Juden. Im Februar 1944 wurde sie trotzdem deportiert, 1946 verurteilte sie ein sowjetisches Militärtribunal zu zehn Jahren Lagerhaft. In den fünfziger Jahren folgte eine Verurteilung durch das Berliner Schwurgericht. 1994 nahm Goldschlag sich das Leben.

Inzwischen ist die Debatte in der Staatsanwaltschaft angekommen. Vor einigen Tagen reichte der Berliner Anwalt Karl Alich Strafanzeige gegen Würger ein. Er wirft ihm Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener vor. Alich vertritt die Witwe des Historikers Ferdinand Kroh, dem Stella Goldschlag vier Jahre vor ihrem Tod ihre publizistischen Persönlichkeitsrechte übertrug. "Stella ahnte bereits im Jahre 1990, dass ihre schweren Verfehlungen, ihre Verbrechen an ihren jüdischen Glaubensschwestern und Glaubensbrüdern ausgeschlachtet . . . werden könnten", schreibt Alich. "Frau Birgit Kroh und ich, wir wollen durchsetzen, dass Stella nicht noch einmal posthum missbraucht und ausgebeutet wird." Nachdem Alich schon seit längerem von Hanser verlangt, den Roman nur nach Schwärzungen weiter zu veröffentlichen, greift er nun also zum Strafrecht. Er könnte damit einen Rechtsstreit von kulturpolitischer Bedeutung initiiert haben.

Gegenüber Hanser und in seiner Anzeige bezieht sich Alich auf 15 kursiv gesetzte dokumentarische Passagen, mit denen Würger seine Story anreichert. Es handelt sich um Feststellungen des sowjetischen Militärtribunals, wie der Autor im Vorspann schreibt. An einer Stelle heißt es etwa: "Der Zeuge Robert Zeiler beobachtete mehrmals, wie die Angeschuldigte zum Teil gemeinschaftlich mit ihrem Ehemann auf dem Kurfürstendamm Razzien nach Juden durchführte." Ohne literarischen Sinn und Verstand und aus reinen Vermarktungszwecken bemühe der Autor antisemitische Parolen, so Alich. Wenn ein Nachkriegsdeutscher, zumal des Jahrgangs 1985, das Thema des Verrats von Juden an Juden im Auftrag der Gestapo behandele, verlange dies auch die erforderliche sittliche und moralische Reife. Über Würgers Reife lässt sich streiten. Doch ist sein Buch, das nicht viel, aber immerhin die Kunstfreiheit für sich beanspruchen kann, ein Fall fürs Strafrecht? Angesichts ihres dokumentarischen Charakters seien die Textstellen nicht grundrechtlich geschützt, meint Alich. Es handele sich vielmehr um Fakten.

Um die Abgrenzung von Fiktionalität und Fakten ging es auch in der vier Jahre andauernden juristischen Auseinandersetzung um Maxim Billers 2003 erschienenen Roman "Esra". Den Anfang machte eine Unterlassungsklage, mit der die frühere Lebensgefährtin des Autors sowie ihre Mutter unmittelbar nach Erscheinen des Buches ein Publikationsverbot erwirkten. Als entscheidend sollte sich erweisen, dass Biller zahlreiche Details aus dem Leben der Klägerinnen verarbeitet hatte. In einer umstrittenen Entscheidung lehnte 2007 das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde von Billers Verlag ab. In der Bewertung der Wechselwirkung von Kunstfreiheit und Persönlichkeitsrecht betonten die Richter, dass eine kunstspezifische Betrachtungsweise des Romans nur anzulegen sei, solange der Autor selbst nicht nahelege, dass er für Teile seiner Schilderungen einen Faktizitätsanspruch erhebe. Besonders im Falle der Schilderung des Intimlebens einer der beiden Betroffenen betrachteten die Richter diese Voraussetzung als nicht erfüllt. Mit anderen Worten: Der Grad der Fiktionalisierung, den Biller in bestimmten Passagen seines Romans vorgenommen hatte, reichte nicht aus, um der Kunstfreiheit den Vorrang gegenüber dem Persönlichkeitsrecht der ehemaligen Lebensgefährtin des Autors zu sichern.

Nun geht es den Erben Goldschlags nicht um ein Verbot des Romans. Sollte die Staatsanwaltschaft Ermittlungen aufnehmen und sogar Anklage erheben, würde es aber auch in der strafrechtlichen Auseinandersetzung um das Verhältnis von Kunstfreiheit und Persönlichkeitsrechten gehen. Eine strikte Trennung von Fakten und Fiktionalität, wie sie zumal zeitgenössische Romane selten vornehmen, wird ein Gericht dann kaum durchziehen können. Wenn es um etwaige Verletzungen von Persönlichkeitsrechten geht, wiegt zudem schwer, dass Würgers Aktenfunde im Landesarchiv Berlin liegen und prinzipiell für jeden einsehbar sind. Bei Hanser will man sich zu den Vorgängen bislang nicht äußern. Für den Verlag dürfte vor allem eine Überlegung ausschlaggebend sein: Was bliebe im Fall von Schwärzungen von Würgers Werk überhaupt noch übrig?

MARLENE GRUNERT/

HUBERT SPIEGEL

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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Carsten Otte ist verärgert. Takis Würgers Buch ist für ihn weder Roman noch Reportage. Für das eine stilistisch zu unbedarft, für das andere zu schlampig gemacht, scheint ihm das Buch am ehesten dem Genre der literarischen Hochstapelei zuzugehören. Als funktionsorientiertes Treatment für ein Drehbuch kann Otte es sich allerdings gut verstorellen. Dass Autor und Verlag den heiklen Stoff (die Geschichte der jüdischen NS-Kollaborateurin Stella Goldschlag) allerdings mit einem solchen Maß an moralischer Gleichgültigkeit behandeln, findet Otte obszön. Die Frage nach Schuld und Verantwortung lässt sich nicht in einen unreflektierten Kalenderspruch fassen, meint er.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Von Daniel Kehlmann stammt der Satz, dass ein Roman besonders gut sein müsse, wenn er den Holocaust zum Gegenstand hat. Dies sei ein literarische, aber mehr noch eine moralische Verpflichtung eines jeden Autors. Takis Würger wird diesem Anspruch in seinem neuen Roman 'Stella' gerecht. Leise, glaubwürdig und ja, auch schonungslos, aber an keiner Stelle unempathisch, effekthascherisch oder gar reißerisch erzählt der Schriftsteller und Spiegel-Reporter die Geschichte der jüdischen 'Greiferin' Stella Goldschlag, der Unfassbares angetan wurde und die dann anderen Menschen selbst Unfassbares angetan hat." Philipp Peyman Engel, Jüdische Allgemeine, 16.01.19
»Der geniale Schauspieler Robert Stadlober verleiht gekonnt allen Figuren seine Stimme. Die Hörbuchpreisträgerin Valery Tscheplanowa liest mit ihrem klaren Timbre die historischen Quellen.«