Stephan Hermlin (1915-1997) war einer der bedeutendsten Schriftsteller der DDR. Als Jugendlicher hätte er wohl auch Klosterschüler werden können, wurde aber Jungkommunist. Er hätte als Dichter früh zu Ernst Jünger finden können, den er zeitlebens für einen Großen hielt, aber er fand zu Thälmanns Partei. Der Gedanke der Selbstverbesserung wich dem besseren Gedanken: die Welt zu ändern. Hans-Dieter Schütt wendet sich seinem biografischen Essay einem Charakter zu, dessen Leben auf bewegende Weise den Aufschwung wie das Scheitern einer politischen Idee widerspiegelt. Hermlin - Lyriker, Erzähler und Übersetzer - lebte einen Widerspruch: zwischen geistigem Adel und der Bereitschaft zu soldatischer Fügung. Ein linker Aristokrat, der sich mit Selbststilisierung schützte - und angreifbar machte. Der Schriftsteller, der 1976 die folgenreiche Petition gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns initiierte, bewahrte Form, wo die politischen Vergröberungen zunahmen. Als er 1978 auf dem Schriftstellerkongress betonte, ein "spätbürgerlicher Schriftsteller" zu sein, war dies der rhetorische Höhepunkt einer stetig gewachsenen inneren Entfernung von der eigenen Truppe. Hermlin: ein großer Dichter, von seiner Zeit so erhoben wie versehrt, im einfühlsamen, fragenden Porträt.
Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Rezensent Wilhelm von Sternburg liest bei Hans-Dieter Schütt über ein Künstlerleben voller Widersprüche. Schütts biografischer Essay über Stephan Hermlin, den Sternburg in eine Reihe mit Hilbig, Müller, Plenzdorf, Christa Wolf u.a. stellt, scheint dem Rezensenten brillant geschrieben und geprägt von Schütts eigenen "bitteren" Erfahrungen als Systemtreuer. Entstanden ist laut Rezensent das Psychogramm eines engagierten Bürgers und großen Lyrikers.
© Perlentaucher Medien GmbH
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