Auf Grund des äußeren Erscheinungsbildes und des Klappentextes würde ich den Roman auf den ersten Blick ins Genre ‚Liebesromane vor exotischer Kulisse’ einteilen. Erst durch etwas Recherche auf der Homepage der Autorin, wurde mir bewusst, dass es sich bei Sayyida Salima bint Sa'id um eine historisch
verbürgte Figur handelt. Sie ist als Tochter des Sultans von Sansibar im Jahre 1844 geboren und…mehrAuf Grund des äußeren Erscheinungsbildes und des Klappentextes würde ich den Roman auf den ersten Blick ins Genre ‚Liebesromane vor exotischer Kulisse’ einteilen. Erst durch etwas Recherche auf der Homepage der Autorin, wurde mir bewusst, dass es sich bei Sayyida Salima bint Sa'id um eine historisch verbürgte Figur handelt. Sie ist als Tochter des Sultans von Sansibar im Jahre 1844 geboren und floh 1866 mit ihrem Geliebten, dem Kaufmann Heinrich Ruete in Richtung Hamburg. Noch auf der Reise in Aden ließ sich Salima auf den Namen Emily taufen und heiratete Heinrich Ruete. Später schrieb sie in Deutschland als erste Muslima ihre Autobiografie.
Der Roman von Nicole C. Vosseler stellt sehr einfühlsam Salimas (Emilys) inneren Kämpfe und Zwiespälte dar, die sich in jedem Lebensabschnitt neu manifestieren. In den Jugendjahren geht es vor allem darum, wie sich Emily im kalten Hamburg einlebt und in der Familie ihres Ehemannes integriert wird. Später rückt die Situation der Kinder mehr in den Mittelpunkt, die zwischen den Kulturen gefangen, ihren persönlichen Weg finden müssen. Im Alter erlebt Emily eine lange und tiefe Phase der Nostalgie und wird sich ihrer Herkunft wieder vermehrt bewusst. Sie versucht, an einst abgebrochene Beziehungen anzuknüpfen, was ihr nur teilweise gelingt und was sie auch bis zu einem gewissen Grad verbittert.
Emily Ruetes Leben ist sehr stark beeinflusst durch die deutsche und die englische Kolonialgeschichte. So wendet sich ihr Mann und später sie selber unter anderem an den Reichskanzler Bismarck, um ihre Rechte in Sansibar durchzusetzen. Diese Briefe sind in den Roman geschickt eingearbeitet, sowie andere historische Quellen, wie Briefe, die Emily an eine Halbschwester gerichtet hat.
Der Roman ist aus der Sicht eines allwissenden Erzählers geschrieben. Dabei werden typische Merkmale des Schauplatzes so selbstverständlich eingebaut, dass sie einem erst bei genauerer Analyse auffallen, aber sicher ihren Teil zur harmonischen Komposition des Buches beitragen. Zum Beispiel ist in Sansibar der Kalender nicht so wichtig wie in Deutschland. So orientiert man sich als Leser in den Teilen, die in Sansibar spielen, am Alter der Protagonisten, während die späteren Kapitel aus Hamburg mit Jahreszahlen versehen sind. Ebenso ist die Sprache in Sansibar deutlich bunter und blumiger, als in Hamburg. Durch innere Monologe und kurze Gedanken, erfährt man sehr viel über das Innenleben der Hauptfigur. Das ist jedoch durchaus nicht immer nur positiv, die Grautöne sind sehr glaubwürdig herausgearbeitet.
Am meisten begeistert war ich bei diesem Buch von der sprachlichen Ausdruckskraft. Die Autorin malt förmlich mit Worten.
Obwohl ich bei Liebesromanen meistens froh bin, wenn die Bücher nicht allzu dick sind, hätte ich bei diesem Buch gerne noch weitere 100 Seiten ausgehalten. Die geschichtlichen Hintergründe sind zwar sehr klar eingefügt, aber ich hätte hie und da gerne noch etwas genauere Ausführungen gelesen. Wenn man wenig informiert ist über die Umbrüche im Deutschen Kaiserreich nach 1870, ist der ein oder andere diplomatische Schachzug gerade im letzten Drittel des Buches eher schwer nachzuvollziehen. Auf ihrer Autorenhomepage (http://www.nicole-vosseler.de/) bietet die Autorin jedoch reichlich Bonusmaterial zum Buch an. Begleitend durch den Roman kann man hier zeitgenössische Bilder, Karten und erläuternde Texte finden. Dieses Material hat für mich den Roman wunderbar abgerundet.
Für mich ist dieses Buch sehr ausgewogen gelungen. Es ist spannend und gefühlvoll für Liebhaber von Liebesromanen und bietet sicher auch historisch interessieren Lesern gute Unterhaltung.