Beran, ein tschechischer Kriminalkommissar, und sein Assistent Morava sind einem Gestapo-Offizier und einem Serienmörder auf der Spur. Im Mai bricht in Prag der bewaffnete Aufstand aus - jetzt geht es plötzlich nicht mehr um einen einzelnen Mörder, sondern um das generelle Problem von Schuld und Sühne, um Täter und Opfer, um Rache und Vergeltung. Prag in den Wirren der letzten Monate der deutschen Besatzung: Der tschechische Kommissar Beran und sein Assistent Morava stehen vor einer heiklen Aufgabe. Gemeinsam mit dem deutschen Oberkriminalrat Buback sollen sie den Mord an einer deutschen Generalswitwe aufklären. Doch welche Rolle spielt Buback? Ist er nur ein Spitzel, dessen Aufgabe nicht in der Aufklärung des Mordfalls liegt, sondern vielmehr darin herauszufinden, wie tief die Prager Kriminalpolizei in den Widerstand gegen die deutschen Besatzer verstrickt ist? Unterdessen schlägt der Mörder wieder zu, ein psychopathischer Serientäter, der zwischen deutschen und tschechischen Opfern keinen Unterschied macht. Aber als im Mai 1945 der Aufstand gegen die Besatzer ausbricht, geht es längst nicht mehr nur um einen Mörder ... "Sternstunde der Mörder" vom tschechischen Altmeister Pavel Kohout ist nicht nur ein historisch genauer, fesselnder Kriminalroman, sondern auch eine hintergründige Parabel über die Mechanismen von Gewalt, Mord und Hass und über ihre religiöse und nationalistische Rechtfertigung - ein Thema von brennender Aktualität.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.10.1995Sternstunde der Mörder
Pavel Kohouts neuer Roman
Eine deutsche Baronin wartet auf den Tod, und er kommt: mit dem Tranchiermesser. Während die Bomben, die eigentlich für Dresden bestimmt waren, auf Prag fallen, schneidet der Mörder seinem Opfer das Herz aus der Brust. Erst auf der Parkbank findet er wieder zu sich und begutachtet "sein Werk". Diesmal würden sie seine "Botschaft" verstehen, denn er hatte "seine Aufgabe erfüllt". Doch der deutsche Oberkriminalrat Buback und der tschechische Kriminaladjunkt Morava verstehen vorerst nur eines: daß der Krieg Häuser ausbrennt, in denen Menschen sterben, darunter Bubacks Familie.
Pavel Kohout gibt seinen Kriegsroman als Thriller aus, um Leser zu ködern. Die Sternstunden der Menschheit würden oft zur "Sternstunde der Mörder", rechtfertigt er seinen Titel, der auf Stefan Zweig anspielt. Im Theatersaal des Mousonturms stellte der Prager Autor aus Wien zur Buchmesse sein jüngstes Buch vor, das jetzt, übersetzt von Karl-Heinz Jähn, im Berliner Albrecht Knaus Verlag erschienen ist. Das Hessische Literaturbüro hatte Kohout zu einem Austauschprogramm mit böhmischen Schriftstellern geladen. Maria Gazetti, Leiterin des Literaturhauses, führte in Leben und Werk des Autors ein und bewies aufs neue ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit Paulus Böhmer und Harry Oberländer, der sich organisatorisch um seine "Bohemiens" kümmert.
Die Sternstunde - das ist bei Kohout der Prager Aufstand gegen die deutschen Besatzer. Mitten im Chaos der Helden macht sich jedoch die Gewalt eines psychopathischen Frauenmörders breit und pervertiert den Befreiungskampf zum grausigen Ritual. Kohout las aus dem ersten Kapitel, dem "Februar"; denn von Februar bis Mai 1945 und danach dauert die Suche Bubacks und Moravas nach dem Mörder. Was so effekthascherisch beginnt, entpuppt sich allmählich als Psychogramm eines deutsch-tschechischen Miteinander, das einem Gegeneinander allmählich entwächst. Buback und Morava lassen sich weder von ideologischem Haß beirren noch von Heimatliebe blenden, sie bleiben sie selbst: Menschen.
Kohout arbeitet mit den Mitteln des Kriminalfilms: wechselnden Perspektiven, raschen Schnitten, raffinierten Montagen. Und doch macht der Verfasser seine Figuren dem Plot keineswegs untertan. Seine Geschichte ist mehr als Selbstzweck. Kohout erzählt sie nicht, um zu schulmeistern, sondern um für ein Europa zu plädieren, das den Nachbarn gelten läßt. Und er weiß, wovon er spricht: Sein Vater war an dem Attentat auf Heydrich beteiligt, er selbst als Kind am Prager Aufstand.
Mancher deutsche Intellektuelle kann ihm nicht verzeihen, daß er einst Gedichte auf Stalins Tod geschrieben hatte. 1928 in Prag geboren, schrieb Kohout mit 17 Jahren die ersten Gedichte. Einen Namen machte er sich als Dramatiker, vor allem mit seiner Zirkustragödie "August, August, August". Schon Mitte der fünfziger Jahre war er mit einem armeekritischen Stück bei der Regierung in Ungnade gefallen, nach dem "Prager Frühling" durfte er nichts mehr publizieren. 1977 unterzeichnete er die "Charta", wurde schikaniert und von Bundeskanzler Kreisky in Österreich aufgenommen. 1990 kehrte Kohout als österreichischer Staatsbürger nach Prag zurück, wo er jetzt seinen zweiten Wohnsitz hat. CLAUDIA SCHÜLKE
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Pavel Kohouts neuer Roman
Eine deutsche Baronin wartet auf den Tod, und er kommt: mit dem Tranchiermesser. Während die Bomben, die eigentlich für Dresden bestimmt waren, auf Prag fallen, schneidet der Mörder seinem Opfer das Herz aus der Brust. Erst auf der Parkbank findet er wieder zu sich und begutachtet "sein Werk". Diesmal würden sie seine "Botschaft" verstehen, denn er hatte "seine Aufgabe erfüllt". Doch der deutsche Oberkriminalrat Buback und der tschechische Kriminaladjunkt Morava verstehen vorerst nur eines: daß der Krieg Häuser ausbrennt, in denen Menschen sterben, darunter Bubacks Familie.
Pavel Kohout gibt seinen Kriegsroman als Thriller aus, um Leser zu ködern. Die Sternstunden der Menschheit würden oft zur "Sternstunde der Mörder", rechtfertigt er seinen Titel, der auf Stefan Zweig anspielt. Im Theatersaal des Mousonturms stellte der Prager Autor aus Wien zur Buchmesse sein jüngstes Buch vor, das jetzt, übersetzt von Karl-Heinz Jähn, im Berliner Albrecht Knaus Verlag erschienen ist. Das Hessische Literaturbüro hatte Kohout zu einem Austauschprogramm mit böhmischen Schriftstellern geladen. Maria Gazetti, Leiterin des Literaturhauses, führte in Leben und Werk des Autors ein und bewies aufs neue ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit Paulus Böhmer und Harry Oberländer, der sich organisatorisch um seine "Bohemiens" kümmert.
Die Sternstunde - das ist bei Kohout der Prager Aufstand gegen die deutschen Besatzer. Mitten im Chaos der Helden macht sich jedoch die Gewalt eines psychopathischen Frauenmörders breit und pervertiert den Befreiungskampf zum grausigen Ritual. Kohout las aus dem ersten Kapitel, dem "Februar"; denn von Februar bis Mai 1945 und danach dauert die Suche Bubacks und Moravas nach dem Mörder. Was so effekthascherisch beginnt, entpuppt sich allmählich als Psychogramm eines deutsch-tschechischen Miteinander, das einem Gegeneinander allmählich entwächst. Buback und Morava lassen sich weder von ideologischem Haß beirren noch von Heimatliebe blenden, sie bleiben sie selbst: Menschen.
Kohout arbeitet mit den Mitteln des Kriminalfilms: wechselnden Perspektiven, raschen Schnitten, raffinierten Montagen. Und doch macht der Verfasser seine Figuren dem Plot keineswegs untertan. Seine Geschichte ist mehr als Selbstzweck. Kohout erzählt sie nicht, um zu schulmeistern, sondern um für ein Europa zu plädieren, das den Nachbarn gelten läßt. Und er weiß, wovon er spricht: Sein Vater war an dem Attentat auf Heydrich beteiligt, er selbst als Kind am Prager Aufstand.
Mancher deutsche Intellektuelle kann ihm nicht verzeihen, daß er einst Gedichte auf Stalins Tod geschrieben hatte. 1928 in Prag geboren, schrieb Kohout mit 17 Jahren die ersten Gedichte. Einen Namen machte er sich als Dramatiker, vor allem mit seiner Zirkustragödie "August, August, August". Schon Mitte der fünfziger Jahre war er mit einem armeekritischen Stück bei der Regierung in Ungnade gefallen, nach dem "Prager Frühling" durfte er nichts mehr publizieren. 1977 unterzeichnete er die "Charta", wurde schikaniert und von Bundeskanzler Kreisky in Österreich aufgenommen. 1990 kehrte Kohout als österreichischer Staatsbürger nach Prag zurück, wo er jetzt seinen zweiten Wohnsitz hat. CLAUDIA SCHÜLKE
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main