60 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges beantworten ehemalige sowjetische NS-Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter Fragen zu ihrem erschütternden Schicksal einer doppelten Unrechtserfahrung: schuldlos schuldig unter den Nazis, dann unter den Sowjets. Die Analyse nähert sich aus unterschiedlichen Perspektiven diesen einzigartigen Interviews. So wird ersichtlich, wie der diskursive Hintergrund von 60 Jahren Geschichtspolitik die Erinnerungen der "Ostarbeiter" prägte. Der Genderaspekt stellt besonders die Erfahrungen der Frauen heraus. Es geht aber auch um Emotionen und körperliche Erinnerung. Und zuletzt wird nach den Ressourcen gefragt, die diese Menschen durchhalten ließ. "Stigma und Schweigen" - der Titel verweist dabei auf ein zentrales Ergebnis der Studie, das eine erschreckende Kontinuität von Sowjetzeiten bis ins heutige Russland aufzeigt.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Einen wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung gleich zweier Unrechtsregime leistet Grete Rebstocks nun publizierte Dissertation über sowjetische Zwangsarbeiter im NS-Regime, so Rezensent Ludger Heid. Auf Basis von Interviews mit 56 ehemaligen Zwangsarbeitern erarbeitet Rebstock diese Geschichte lernen wir. Entlang des Buchs zeichnet Heid nach, wie die deutschen Besatzungstruppen Männer und Frauen teils auf offener Straße für den Arbeitseinsatz in Deutschland gefangen nahmen; wo sie dann brutaler Diskriminierung und Entrechtung ausgesetzt waren. Keineswegs endete der Leidensweg nach der Befreiung 1945: Die Zwangsarbeiter passten, zeichnet Heid mit Rebstock nach, nicht ins heroistische Bild des Stalinismus, sie wurden ausgegrenzt, teilweise auch umgebracht. Dass sie den höheren Lebensstandard in Deutschland miterlebt hatten, sorgt laut Heid, Rebstock referierend, für eine Entfremdung von der Heimat. Manche wären, heißt es, lieber in Deutschland geblieben. Lange Zeit kümmerte sich kaum jemand um die Geschichte der Zwangsarbeiter, so der Rezensent. Heid schließt seine Besprechung mit einem Hinweis auf die aktuelle Situation in Russland, wo historische Aufarbeitung stalinistischer Verbrechen immer schwieriger wird.
© Perlentaucher Medien GmbH
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