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Als ihre beste Freundin Ines in Rom plötzlich stirbt, reist Clara Burger aus Stillbach in Südtirol an, um Ines' Haushalt aufzulösen. Dabei entdeckt sie ein Romanmanuskript, das im Rom des Jahres 1978 spielt, dem Jahr der Entführung und Tötung Aldo Moros. Darin beschreibt Ines offenbar ihre eigene Ferienarbeit vor mehr als dreißig Jahren als Zimmermädchen im Hotel Manente, schreibt von Liebe, Verrat und Subversion, erzählt aber die Geschichte ihrer Chefin Emma Manente, die seit 1938 in Rom lebt und zum Leidwesen ihrer Südtiroler Familie einen Italiener geheiratet hat. War sie tatsächlich Johann…mehr

Produktbeschreibung
Als ihre beste Freundin Ines in Rom plötzlich stirbt, reist Clara Burger aus Stillbach in Südtirol an, um Ines' Haushalt aufzulösen. Dabei entdeckt sie ein Romanmanuskript, das im Rom des Jahres 1978 spielt, dem Jahr der Entführung und Tötung Aldo Moros. Darin beschreibt Ines offenbar ihre eigene Ferienarbeit vor mehr als dreißig Jahren als Zimmermädchen im Hotel Manente, schreibt von Liebe, Verrat und Subversion, erzählt aber die Geschichte ihrer Chefin Emma Manente, die seit 1938 in Rom lebt und zum Leidwesen ihrer Südtiroler Familie einen Italiener geheiratet hat. War sie tatsächlich Johann aus Stillbach versprochen gewesen, der 1944 bei einem Partisanenanschlag in Rom getötet worden war? Und ist der Historiker Paul, den Clara in Rom kennenlernt, der Geliebte von Ines aus jenem Jahr? Wie wirken die Spannungen um Südtirol und seine Zugehörigkeit seit der NS-Zeit und dem Faschismus bis heute nach? In diesem großen, wunderschön geschriebenen Roman erzählt Sabine Gruber spannend und präzise von der Verflechtung persönlicher und historischer Ereignisse, von Stillbach und von Rom, von Verrat und Verbrechen, von Sehnsucht, Wahrheit und neuer Liebe.

Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Autorenporträt
Sabine Gruber, geboren 1963 in Meran, Studium der Germanistik, Geschichte und Politikwissenschaft in Innsbruck und Wien. 1988 - 1992 Tätigkeit als Universitätslektorin in Venedig. Buchveröffentlichungen sowie Publikationen von Hörspielen und Theaterstücken. Auszeichnung mit u.a. dem Förderungspreis der Stadt Wien, dem Solitude-Stipendium, dem Priessnitz-Preis und dem Förderungspreis zum österreichischen Staatspreis, dem Heinrich-Heine-Stipendium der Stadt Lüneburg sowie 2007 dem Anton Wildgans-Preis. Die Autorin lebt in Wien.
Rezensionen
Die falschen Opfer

Sabine Gruber erzählt in ihrem akribisch recherchierten Roman „Stillbach oder Die Sehnsucht“ die Geschichte Südtirols

Die Geschichte des 20. Jahrhunderts ist voll von Opfern, die im Schatten des Gedenkens stehen, weil sie auf einer falschen Seite zu stehen schienen. Dazu zählen jene 33 Toten, die ein Anschlag der italienischen Resistenza am 23. März 1944 in der römischen Via Rasella forderte. Er traf die 11. Kompanie des 3. Bataillons des Polizeiregiments „Bozen“, deren Mannschaften aus Südtirolern bestanden (nur die wenig beliebten Offiziere waren Norddeutsche). Die Südtiroler Männer waren für ihre italienische Umgebung schon durch ihre Uniform Teil der deutschen Besatzungsmacht, die Rom und Italien seit dem Sommer 1943 besetzt hielt, dem Land nach Mussolinis Sturz am 25. Juli 1943 einen sinnlosen, grausamen Krieg voller Massaker an der Zivilbevölkerung aufzwang und es dabei nicht versäumte, Tausende italienischer Juden in die Vernichtungslager zu deportieren.

Daher steht „Via Rasella“ in Italien für einen Akt heldenmütigen Widerstands, dessen grausame Vergeltung in den Ardeatinischen Höhlen am Tag danach, dem 24. März 1944, bei der 335 Italiener ermordet wurden, bis heute zu den eisernen Gedächtnisgrundlagen der Republik gehört. Die Prozesse und Strafen gegen deutsche Hauptverantwortliche wie Herbert Kappler und Erich Priebke begleiten die italienische Geschichte bis heute; der uralte Priebke, erst 1996 zu lebenslanger Haft verurteilt, lebt heute noch unter Hausarrest in Rom.

Allerdings waren auch die Südtiroler des Regiments „Bozen“ nicht freiwillig in Rom; die italienische Provinz Alto Adige war nach dem Sturz Mussolinis 1943 faktisch vom Deutschen Reich annektiert worden. Und so wurde viele Südtiroler zwangsweise Soldaten auf der falschen Seite, „Verräter“ an der erst ganz am Ende des Zweiten Weltkriegs guten Sache Italiens – unabhängig davon, ob sie 1939 fürs Reich optiert hatten, wie es Hitler und Mussolini den deutschsprachigen Bewohnern der erst 1919 zu Italien gekommenen Provinz nach zwei Jahrzehnten ethnischer Querelen und Zurücksetzungen nahegelegt hatten.

Im speziellen Fall des Regiments „Bozen“ muss auch festgehalten werden, dass zwar einzelne Kompanien für Wachfunktionen und Sicherungsdienste herangezogen wurden, dass aber gerade die vom Anschlag des 23. März 1944 getroffene 11. Kompanie noch in Ausbildung war. Mit Selektion und Abtransport der römischen Juden im Jahr davor war sie nicht befasst gewesen. Ihre Männer wurden zu Opfern in einem Akt kollektiver Zurechnung, oft noch im nachträglichen Gedenken. Erst ein Aufsatz des Historikers Steffen Prauser in den Vierteljahrsheften für Zeitgeschichte von 2002 hat etwas Licht in die Legenden und Verwirrungen über die Bozener Opfer von Via Rasella bringen können.

Der neue Roman der 1963 in Meran geborenen Autorin Sabine Gruber nimmt sich des zwiespältigen Schicksals dieser zwischen der deutschen und der italienischen Diktatur zerriebenen Südtiroler Volksgruppe mit Feingefühl und Akribie an; die Forschungen Prausers scheint sie zu kennen. Wie immer ist es der ungewöhnliche, dabei nicht untypische Einzelfall, der das Licht des historischen Erbarmens auf ein Feld kaum auszugleichender moralischer Rechnungen wirft. Im Mittelpunkt des Romans steht die Hinterbliebene eines Opfers von Via Rasella, das Südtiroler Mädchen Emma, die mit dem „Bozen“-Soldaten Johann verlobt war. Beide stammen aus dem Dorf Stillbach, und wenn die Geschichte nicht zugeschlagen hätte, wären sie Wirtsleute in ihrem Heimatort geworden.

Emma war zur Zeit des Anschlags ebenfalls in Rom, als Zimmermädchen eines Hotels. Die jungen „deutschen“, also Südtiroler Mädchen waren im faschistischen Italien als Dienstboten beliebt, sie galten als verlässlich und sauber, auch konnte sich italienischer Siegerstolz nach 1919 an den armen ländlichen Wesen ausleben, nicht selten in sexuell übergriffiger Form. Dass auch dieses trübe Kapitel weiblicher Alltagsgeschichte inzwischen Gegenstand historischer Forschung geworden ist, verschweigt Gruber nicht; die einschlägige Fachliteratur wird sogar bibliographisch zitiert.

Ihre Heldin Emma geht nun einen ganz ungewöhnlichen Weg. Nach dem Tod ihres Verlobten bleibt sie in Rom, weil sie vom Sohn des Hotelbesitzers schwanger geworden ist; dieser heiratet sie, was alles andere als selbstverständlich ist, und so wird sie dort zur Chefin, wo sie zuvor Zimmermädchen war. Das aber ist kein Happy End, sondern die tragische Grundlage des Romans von Sabine Gruber. Emma Manente bleibt eine zerrissene Frau, die lebenslang um ihren Verlobten trauert, zugleich aus ihrer Dorfgemeinschaft und Familie verstoßen wird, weil sie sich mit einem Italiener eingelassen hat, die aber auch in ihrer neuen, römischen Umgebung voller Misstrauen betrachtet wird. Sie sitzt also zwischen allen historisch-nationalen Stühlen, doppelt gezeichnet als Frau, die eigentlich den Männern dienen sollte und nur mühsam einen eigenen Weg gegangen ist.

Dieses Schicksal blättert Gruber in raffinierter Langsamkeit, in mehrfacher erzählerischer Verschachtelung auf. Kernstück ihres Buches ist ein Roman im Roman, den eine andere Stillbacherin namens Ines viel später, nach der Jahrtausendwende, geschrieben hat; und dieses Buch im Buch wird nach dem plötzlichen Tod seiner Verfasserin in ihrem römischen Nachlass gefunden. Es handelt von einer Wiederholung: Wieder kommt ein Mädchen aus Südtirol, eben Ines, nach Rom, um in einem Hotel zu jobben, und zwar im Albergo Manente an der Via Nomentana, also bei Emma. Dieser, durch eine Intrige abrupt endende Sommeraufenthalt findet zwischen zwei anderen historischen Daten der jüngsten Geschichte Italiens statt, dem Tod des von den Roten Brigaden entführten Politikers Aldo Moro am 9. Mai 1978 und dem Tod von Papst Paul VI. am 6. August desselben Jahres.

Und so bricht sich die Tragödie der Südtirolerin Emma in der kommunistisch-antifaschistisch aufgeladenen Atmosphäre, als Italien kurz vor dem „Historischen Kompromiss“ zwischen Democrazia Cristiana und Partito Comunista zu stehen schien, der nicht zuletzt am Fall Moro scheiterte. Der italienische Linksradikalismus der siebziger Jahre wühlte auch viele der alten Resistenza-Emotionen wieder auf, zumal dem Haupttäter Kappler 1977 die spektakuläre Flucht aus einem römischen Militärkrankenhaus gelang. Andererseits wurde in denselben Monaten mit Sandro Pertini ein Heroe der Resistenza zum Staatspräsidenten – für Emma Manente muss das heißen: einer der Mörder ihres Verlobten.

Das Porträt dieser im Inneren einsam gebliebenen Frau, die ihr Unglück in der eisernen Pflichterfüllung eines präzise gezeichneten Hotelalltags einhegt, ist die Stärke dieses historisch bis ins Detail genauen Buches. Eher schwach dagegen ist die äußerste erzählerische Ummantelung der ohnehin komplex aufgebauten Geschichte: Das nachgelassene Buch von Ines über Emma nämlich, das wir – typographisch abgesetzt – zu lesen bekommen, wird von einer weiteren Stillbacherin, ihrer besten Freundin Carla, nach ihrem Tod entdeckt und herausgebracht, und bei dieser Nachlassarbeit kommt sie auch in Berührung mit einem Mann, mit dem Ines 1978 eine kurze Affäre hatte, und der noch immer in Rom lebt – tja, als was? Als Führer zu den historischen Stätten der Zeitgeschichte, also auch zur Via Rasella und den Ardeatinischen Höhlen.

Und mit diesem Mann Paul, einem hängengebliebenen Österreicher, erhält der Roman nun noch das etwas leichtlebig-nichtsnutzige Mundstück jener historischen Ausgewogenheit, der zu jeder geschichtlichen Tragödie die Gegentragödie einfällt; dort wird das, was man nicht aufrechnen darf, zum Dilemma, und am Ende bleibt nur die hilflose Feststellung, dass die Opfer der einen Seite mit denen der anderen nichts zu tun hatten.

Das Dorf Stillbach des Titels ist nicht nur der verlorene heimatliche Sehnsuchtsort der drei weiblichen Figuren Emma, Ines und Carla, es bezeichnet auch die lange Dauer jener Südtiroler Zurücksetzungen, vor allem in der Sprachpolitik, die hier für den ethnischen Wahn des 20. Jahrhunderts insgesamt stehen. Von Südtirol geht die Reise Carlas zu Beginn des Romans nach Rom, und zwar im Zug; das sind sehr schöne Seiten, denn die Freundin von Ines vergleicht diese traurige Fahrt mit den ersten Reisen der jungen Frauen nach Italien um 1978. Der Ende der siebziger Jahre noch ungebrochene italienische Machismo unterlegt das Buch mit einem alltagsgeschichtlichen Basso Continuo, der auf die Dienstmädchenerfahrungen der Südtiroler Landmädchen zurückverweist.

Wer damals, um 1978, selbst begonnen hat, über den Brenner zu fahren, ist dankbar auch für dieses in jeder Einzelheit getreue poetische Gedenken (selbst die Zäune italienischer Bahnhöfe werden erinnert) und wird dem Buch seine sich gegen Ende vermehrenden stilistischen und gedanklichen Plattheiten dafür ebenso nachsehen wie die etwas pedantische Fiktionsironie: Sabine Gruber, die Verfasserin, erscheint nämlich im Buch selbst als Empfängerin des Nachlassbuches von Ines, in dem Emma Manentes Schicksal erzählt wird – wenn’s der Wahrheitsfindung dient! GUSTAV SEIBT

SABINE GRUBER: Stillbach oder Die Sehnsucht. Roman. Verlag C.H. Beck, München 2011. 380 Seiten, 19,95 Euro.

Der typische Einzelfall wirft
das Licht des Erbarmens
auf die historische Tragödie

Den Siegerstolz bekamen
die jungen „deutschen“
Mädchen in Italien zu spüren

Die Sportnachrichten vereinen deutsche und italienische Männer friedlich im Meran des Jahres 1954. Foto: Gerd Pfeiffer

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