Stille Winkel? Auf Fischland, Darß und Zingst haben sie eine eigene Aura - können Orte sein, Augenblicke, Stim¬mungen ganz nah an unberührter Natur. Unerschöpflich sind sie auf Radwegen und zu Fuß, zum Beispiel früh¬morgens, wenn die Boddenwiesen noch taufrisch funkeln.Kristine von Soden entführt Sie auf neue Pfade - durch das Künstlerdorf Ahrenshoop, zu den "Meereslogen" auf die Seebrücken oder durch den Darßer Wald, zu den Dünen und Windwatten, aber auch zu einer Boddenfahrt mit einem alten pommerschen Zeesboot. Dazu gehört natürlich genussreiches Einkehren in kleinen feinen Restaurants mit vorzüglicher regionaler Kost. Boddenzander, Sanddorntorte - kulinarische Gedichte! Überall fragt die Autorin nach dem Geheimnis der Stille, welches so wohltuend die Seele badet und die Sinne salzt. Diesem Geheimnis kann man hier auf die Spur kommen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.08.2019Auf der Suche nach der Schönheit der Stille
Die "Bunte Stube" in Ahrenshoop ist ein schönes Beispiel für einen stillen Winkel. Still ist es da nur bedingt, es kann hier sehr voll sein, und gleich nebenan führt eine vielbefahrene Straße vorbei, schließlich sind wir mitten im Ortskern. Und doch ist die "Bunte Stube" ein Ort der Muße und Einkehr, weit weg von allem, was uns sonst so umtreibt: Alltag, Stress, Globalisierung, Digitalisierung, der ganze Lärm der Welt. Die "Bunte Stube" gibt es seit fast einem Jahrhundert, ursprünglich war sie ein Geschäft für Kurzwaren, heute führt sie Bücher, Schmuck, Kunst, Mode, Accessoires aller Art. Schon die Architektur ist beeindruckend, Neue Sachlichkeit, der runde, hutlose Turm, der blaue Schriftzug. Und nicht weniger eindrücklich sind das Kramkistenangebot, die Enge, das Knarren der Dielen. Vor allem aber: Wer hierher kommt, hat Zeit, hat Ferien, ist beschwingt von Meer und Weite und genießt. Solche stillen Winkel gibt es viele auf Fischland, Darß und Zingst, gelegen zwischen Ostsee und Bodden, zwischen Mecklenburg und Vorpommern. Eigentlich gibt es dort nur stille Winkel. Kristine von Soden kennt sie alle und hat sie vor einigen Jahren auch schon einmal in einem Buch beschrieben. Jetzt gibt es eine Neuauflage, komplett überarbeitet und erweitert. Wer könnte es besser machen als sie, denn sie lebt gleichsam den stillen Winkel, Ahrenshoop ist ihr Sehnsuchtsort seit jeher. Sie ist geborene Hamburgerin, wohnt in Schwerin und schreibt nicht nur über Fischland, Darß und Zingst, sie lädt dort auch zu Schreibwerkstätten ein und zu literarischen Spaziergängen durch die Orte ihrer Wahlheimat. Ihre regelmäßigen Lesungen sind gut besucht, ihr Publikum vor allem Frauen. Ihre Texte sind leichtfüßige Feuilletons, die keine große Rücksicht darauf nehmen, wie die Gedanken und Eindrücke der Autorin mäandern - vom Duft eines Vorgartens über eine Keramikwerkstatt, eine Galerie hin zum Blick in die Geschichte und dann wieder zum Besuch in einem Café. Nur einen roten Faden gibt es: Die Reise geht von Wustrow bis an des Ende der Halbinsel Zingst in Pramort, also einmal die Halbinselkette entlang. Als Leser muss man sich allerdings erst auf den Ton Kristine von Sodens einlassen, dann aber wird man beschenkt. Das ganze Buch ist selbst ein stiller Winkel, aus der Zeit gefallen oder besser: von einer Zeit erfüllt, die nur manchmal noch aufscheint. In der "Bunten Stube" von Ahrenshoop etwa, dort allerdings sehr verlässlich.
F.P.
"Stille Winkel auf Fischland, Darß und Zingst" von Kristine von Soden, Ellert & Richter Verlag, Hamburg 2019. 208 Seiten. Gebunden, 12,95 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die "Bunte Stube" in Ahrenshoop ist ein schönes Beispiel für einen stillen Winkel. Still ist es da nur bedingt, es kann hier sehr voll sein, und gleich nebenan führt eine vielbefahrene Straße vorbei, schließlich sind wir mitten im Ortskern. Und doch ist die "Bunte Stube" ein Ort der Muße und Einkehr, weit weg von allem, was uns sonst so umtreibt: Alltag, Stress, Globalisierung, Digitalisierung, der ganze Lärm der Welt. Die "Bunte Stube" gibt es seit fast einem Jahrhundert, ursprünglich war sie ein Geschäft für Kurzwaren, heute führt sie Bücher, Schmuck, Kunst, Mode, Accessoires aller Art. Schon die Architektur ist beeindruckend, Neue Sachlichkeit, der runde, hutlose Turm, der blaue Schriftzug. Und nicht weniger eindrücklich sind das Kramkistenangebot, die Enge, das Knarren der Dielen. Vor allem aber: Wer hierher kommt, hat Zeit, hat Ferien, ist beschwingt von Meer und Weite und genießt. Solche stillen Winkel gibt es viele auf Fischland, Darß und Zingst, gelegen zwischen Ostsee und Bodden, zwischen Mecklenburg und Vorpommern. Eigentlich gibt es dort nur stille Winkel. Kristine von Soden kennt sie alle und hat sie vor einigen Jahren auch schon einmal in einem Buch beschrieben. Jetzt gibt es eine Neuauflage, komplett überarbeitet und erweitert. Wer könnte es besser machen als sie, denn sie lebt gleichsam den stillen Winkel, Ahrenshoop ist ihr Sehnsuchtsort seit jeher. Sie ist geborene Hamburgerin, wohnt in Schwerin und schreibt nicht nur über Fischland, Darß und Zingst, sie lädt dort auch zu Schreibwerkstätten ein und zu literarischen Spaziergängen durch die Orte ihrer Wahlheimat. Ihre regelmäßigen Lesungen sind gut besucht, ihr Publikum vor allem Frauen. Ihre Texte sind leichtfüßige Feuilletons, die keine große Rücksicht darauf nehmen, wie die Gedanken und Eindrücke der Autorin mäandern - vom Duft eines Vorgartens über eine Keramikwerkstatt, eine Galerie hin zum Blick in die Geschichte und dann wieder zum Besuch in einem Café. Nur einen roten Faden gibt es: Die Reise geht von Wustrow bis an des Ende der Halbinsel Zingst in Pramort, also einmal die Halbinselkette entlang. Als Leser muss man sich allerdings erst auf den Ton Kristine von Sodens einlassen, dann aber wird man beschenkt. Das ganze Buch ist selbst ein stiller Winkel, aus der Zeit gefallen oder besser: von einer Zeit erfüllt, die nur manchmal noch aufscheint. In der "Bunten Stube" von Ahrenshoop etwa, dort allerdings sehr verlässlich.
F.P.
"Stille Winkel auf Fischland, Darß und Zingst" von Kristine von Soden, Ellert & Richter Verlag, Hamburg 2019. 208 Seiten. Gebunden, 12,95 Euro.
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