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Die Rufe nach Freiheit, die im August 2020 in Belarus begannen, haben nicht nur eine bunte und vielfältige Protestkultur hervorgebracht, sondern setzten ungewöhnliche Energien auch in künstlerischer Hinsicht frei. In den sozialen Netzwerken und bei den Protesten kursierten Reden, Erzählungen, Traumprotokolle und Gedichte. Plötzlich hatten die eine Stimme, die sonst nur schweigen durften.Stimmen der Hoffnung sammelt diese Stimmen und. macht sie durch Übersetzung auch hierzulande sichtbar. Der Band vereint Texte aus dem vielfältigen Kreis der Protestierenden in Belarus - professionelle Autoren…mehr

Produktbeschreibung
Die Rufe nach Freiheit, die im August 2020 in Belarus begannen, haben nicht nur eine bunte und vielfältige Protestkultur hervorgebracht, sondern setzten ungewöhnliche Energien auch in künstlerischer Hinsicht frei. In den sozialen Netzwerken und bei den Protesten kursierten Reden, Erzählungen, Traumprotokolle und Gedichte. Plötzlich hatten die eine Stimme, die sonst nur schweigen durften.Stimmen der Hoffnung sammelt diese Stimmen und. macht sie durch Übersetzung auch hierzulande sichtbar. Der Band vereint Texte aus dem vielfältigen Kreis der Protestierenden in Belarus - professionelle Autoren und Menschen, die das während der Proteste Erlebte spontan schriftlich ausgedrückt haben. Ausgewählt werden Texte von denen, die an den Protestenaktiv teilgenommen haben, auch aber von denen, die das Geschehen von zu Hause aus unterstützt haben.Der Band dokumentiert die Stimmen von Menschen, die es wagen, gegen autokratische Verhältnisse für die Freiheit und die Demokratie aufzustehen. Inzwischen ist die Protestbewegung massiv unter Druck geraten. Zwischen den Stimmen der Hoffnung stehen Berichte von Protestierenden, die von der Staatsmacht verhaftet und festgesetzt, zum Teil auch misshandelt wurden. Aber auch sie ließen sich nicht mundtot machen. Sie erzählen ihre Geschichten.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Autorenporträt
Aliseichyk, Volha§Volha Aliseichyk (_1976) ist deutsch-russisch-belarussische Übersetzerin, Dolmetscherin und Sprachcoach. Sie studierte in Minsk, bevor sie 1999 nach Berlin zog, wo sie lebt und arbeitet.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Viele Leserinnen und Leser wünscht Rezensent Jens Uthoff diesem Band, der sehr unterschiedliche Texte zu den Protesten in Belarus versammelt. Prominente Schriftsteller treffen hier auf Aktivistinnen und anonymisierte Autoren, theoretische Überlegungen auf Dokumente der Euphorie und erschütternde Berichte aus den Gefängnissen. Besonders hervor hebt Uthoff zwei Texte, darunter eine Schilderung der wirklich ordinären Gewalt, die von den Omon-Kräften ausgeht, und eine Hymne auf die Solidarität, deren belarussisches Wort "Hramada" noch viel umfassender gewaltiger sei und auch Stimmung, Kraft und Geist miteinschließe.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.08.2021

Vergesst uns nicht
„Stimmen der Hoffnung“ heißt ein neuer Sammelband zur
Revolution in Belarus vor einem Jahr. Darf man denn hoffen?
VON ALEX RÜHLE
Schon mal was von Roman Bondarenko gehört? Der Künstler und Designer ging am 11. November des vergangenen Jahres in den Hinterhof seines Hauses in Minsk und legte sich mit den maskierten Männern in Zivilkleidung an, die überall die rot-weiß-roten Bänder herunterrissen, die symbolisch für den Protest gegen Alexander Lukaschenko stehen. Die Männer prügelten Bondarenko zu Tode. Sein letzter Satz im Telegram-Chat – „Ich gehe raus“ – wurde danach zur Parole der Demonstrierenden in Belarus, er selbst zur „zufälligen Galionsfigur“, wie ihn Natalia Pankowa in einem Gedicht nennt, das abgedruckt ist in dem erschütternden Sammelband „Stimmen der Hoffnung“, der am Montag, dem Jahrestag des großen Wahlbetrugs, erscheint: Am 9. August ließ sich Alexander Lukaschenko bei der Präsidentenwahl mit 80,1 Prozent der Stimmen nach mehr als 25 Jahren an der Macht erneut im Amt bestätigen. Noch am selben Abend gingen die Menschen auf die Straßen und Lukaschenko ließ seine Omon-Truppen von der Kette, Spezialeinheiten in schwarzen Uniformen, die seither auf das ganze Land einprügeln.
In den wenigen Schicksalen oppositioneller Belarussen, die im Gegensatz zu Bondarenkos Todesnachricht aktuell von internationalen Medien wahrgenommen werden, könnte man fast so etwas wie das aschfahle Gegenstück zu Andy Warhols glitzerndem Fünfzehnminutenruhm sehen: Am Dienstag wurde der Aktivist Witali Schischow erhängt in einem Park in Kiew aufgefunden. Am Mittwoch begann in Minsk unter Ausschluss der Öffentlichkeit der Prozess gegen die Querflötistin und Oppositionspolitikerin Maria Kolesnikowa. Am Donnerstag landete dann die Sprinterin Kristina Timanowskaja in Polen, die von belarussischen Spezialeinheiten aus Tokio entführt werden sollte. Auch diese drei werden wir wahrscheinlich bald vergessen haben. Oder erinnert sich noch jemand an den Namen des Bloggers, den Lukaschenko im Mai vom Himmel holen ließ? Die vollbesetzte Ryanair-Maschine auf dem Weg von Athen nach Vilnius? Roman Protassewitsch, so heißt der Mann.
Auch um diesem kollektiven Alzheimer der internationalen Gemeinschaft etwas entgegenzusetzen, hat die Publizistin und Künstlerin Alina Lisitzkaya den Band zusammengestellt. Lisitzkaya heißt in Wirklichkeit anders und hofft im Vorwort, „dass die Erfahrungen der gegen das Lukaschenko-Regime protestierenden Belarussen von Menschen im Ausland gehört werden. Das Buch soll helfen, die Hoffnung zu bewahren, denn so lange man gehört wird, verliert man auch die Hoffnung nicht.“
Die 27 Beiträge von bekannten Autorinnen und Autoren, aber auch von anonymen Augenzeugen, einer Bibliothekarin oder IT-Spezialisten sind chronologisch angeordnet. Anfangs haben alle Texte einen euphorisch erhöhten Pulsschlag, das Adrenalin der täglichen Großdemonstrationen, die Aussicht auf Änderung, endlich, flößt den Menschen eine Art Kollektivschwips ein. Oder wie es in Dmitri Strozews „belarussischer Meditation“ heißt: „aus voller brust atmen / aus einer brust / das ganze land / einatmen ausatmen / einatmen ausatmen / die zeit arbeitet für uns / geduld“. Alhierd Bacharevic widmet seiner Heimatstadt Minsk eine euphorische Liebesode: „Ich hatte befürchtet, dass ich das nie erleben würde. Nun, wie auch immer es ausgehen wird: Wir haben den Höhepunkt erlebt. Minsk wird nie mehr sein wie zuvor. Das vergangene Minsk war eine Stadt, in der sich die unsichtbare, scheue Liebe in den Ritzen zwischen Angst, Stumpfsinn, zwischen Schweigen und schallender Niedertracht versteckte. Im neuen Minsk herrschen nun schon seit Tagen Liebe und Freiheit.“
Gleichzeitig ist alles von Anfang an geprägt von der brachialen Gewalt der Sicherheitskräfte. Eine anonyme „Tamara“ beschreibt am 12. August, wie sie am Abend zuvor an ihren Haaren in einen Wagen der Omon gezerrt wurde. Tritte, Schreie, Schläge mit Eisenstangen, immer noch mehr junge Männer werden in den Wagen geworfen, „fünf Schichten übereinander“. Einem Langhaarigen werden mit einem einfachen Messer seine „weibischen“ Haare abgeschnitten, wobei der Soldat dem Mann auch immer wieder grölend ins Gesicht schneidet.
Olga Romanowa erlebt die Großdemonstration am 15. August als „Fest der Freiheit“, weil all die Verhaftungen und Folterungen der ersten Tage die Menschen immer noch nicht davon abhalten, auf die Straße zu gehen. „Jetzt zeigen die Belarussen ihr Bestes. Die Menschen ringsum sind sehr schön. Das ist keine Menge, keine Masse, das ist eine Ansammlung solidarischer Menschen.“
200 Seiten und sieben Monate später schreibt dieselbe Olga Romanowa: „Wir leben in Agonie. In der Agonie der Diktatur. Sie zieht sich hin, jeden Tag gibt es neue Opfer. Zu den Genres, die hier gespielt werden, gehören: Thriller, Theater der Grausamkeit, absurdes Theater – so ist unser Leben. Ein beliebter Kulturveranstaltungsraum nach dem anderen wird geschlossen, das Erscheinen von Büchern wird verhindert – unsere kleinen Inseln, die wir uns Seite an Seite geschaffen haben, gehen unter. Säuberungen, Pro-Lukaschenko-Demos, schizoide Propaganda im Fernsehen, jeden Tag noch mehr Verschwörungstheorien. Die Gerichte arbeiten im Dauerbetriebsmodus. Die Gefängnisse meines kleinen Landes sind überfüllt.“
Und so ist das Buch, das so unbedingt ein Hoffnungskassiber sein will, gleichzeitig eine Chronik der Gewalt, Arme und Beine werden gebrochen, Rippen splittern, Schädel-Hirn-Traumata, Körper werden ausgezogen, vergewaltigt, ausgezehrt. Es ist ein Fluch, in einer Diktatur an einen menschlichen Körper gebunden zu sein, schließlich können sie den so lange foltern, bis noch der stärkste Wille bricht.
Bacharevic schreibt in seiner Ode an Minsk: „Danke, Vergangenheit, dass du uns schon vor langer Zeit von der Euphorie geheilt hast. Es gibt sie nicht, und alles kann noch viel schlimmer werden.“ Wenige Wochen später hat er Weißrussland verlassen. Heute lebt er in Graz. Im Mai veröffentlichte er einen verzweifelten Text in der FAZ, in dem er die europäische Politik dafür angriff, immer nur mit der lauwarmen diplomatischen Floskel von der „großen Besorgnis“ auf Lukaschenkos Terror zu reagieren. Was verständlich ist – andererseits kann die EU schlecht in Weißrussland einmarschieren.
Bacharevic schrieb in seinem FAZ-Beitrag auch, dass er von Westeuropäern dafür kritisiert worden sei, Lukaschenkos Regime als faschistisch bezeichnet zu haben. „Dieses abscheuliche Wort war die Stolperfalle für Leser. Faschismus ist zu stark gesagt, lieber Autor, sagten sie. Faschismus in Europa im einundzwanzigsten Jahrhundert ist unmöglich.“
In diesem Reader nun wird in drei ganz unterschiedlichen Texten Lukaschenkos Regime als faschistisch beschrieben und entweder der direkte Vergleich mit den Kriegsjahren oder mit der Schreckensherrschaft unter Stalin gezogen: „diejenigen, / die heute über achtzig sind / erinnern sie sich noch daran, / wie des nachts die nachbarn plötzlich verschwanden ... wie fast jeder im haus ein kleines haustier hatte / mit dem spitznamen angst“ (Volha Hapeyeva).
Viktor Martinowitsch bezeichnet Belarus als „exponierten Schauplatz zur Erforschung“ des Bösen, schließlich trete dieses Böse „höchst selten in einer derartigen Ausgeprägtheit zu Tage“. Er widerspricht Hannah Arendts Auffassung, das Böse entstehe aus einer Aufgabe der freien Willensentscheidung, aus der gedankenlosen Ausführung von Befehlen. Eichmann habe sehr genau gewusst, was er tat, er sei nur sicher gewesen, dass er nicht zur Verantwortung gezogen wird. Martinowitsch schreibt, das einzig verlässliche Gegengewicht zum Bösen sei die Verantwortung. „Das Böse steckt in uns allen. Im Zaum gehalten wird es von der Vorstellung, dass wir für all unsere Taten bezahlen müssen.“ Weshalb auch die Omon-Kräfte jedes mal austickten, wenn ihnen ihre Masken vom Gesicht gerissen wurden. Zu befürchten hatten sie ja nichts, sie prügeln im Namen des Staates. Und doch konnten sie erkannt werden von Nachbarn, Eltern, Freunden. Weshalb Martinowitsch zu wissen glaubt, was die Gewalt beenden würde: Wenn alle „mit unverhülltem Gesicht ihre Arbeit tun. Das offene Gesicht würde genügen, das perverse Auftreten zu unterbinden.“
Wenn das stimmt, was heißt das dann für Alexander Lukaschenko? Schließlich lässt der mittlerweile vor den Augen der Weltöffentlichkeit Flugzeuge entführen und am helllichten Tag in einem Park in Kiew Regimegegner ermorden. Dass Vitali Schischow aufgehängt in Kiew gefunden wurde, kann man einerseits als Versuch interpretieren, den Mord als Selbstmord zu tarnen. Es gibt aber auch eine unheimlichere Lesart: Wenn der fanatische Fernsehmoderator Grigori Asarjonok im belarussischen Staatssender seine allwöchentlichen Hassattacken reitet, dann baumelt vor dem Foto des jeweiligen oppositionellen „Verräters“ jedes mal die Schlaufe eines Galgenstricks. Und im Frühjahr wurde in Belarus Segodnja, der größten Propagandazeitung des Landes, dazu aufgerufen, Regimekritiker öffentlich aufzuhängen, damit allen klar sei, was sie erwarte, wenn sie den Staat kritisieren. Unter den Namen, deren Aufhängung gefordert wurde, waren auch einige der Autoren des Sammelbandes.
Man kann Schischows Ermordung also auch als explizite Ankündigung lesen, dass die Jagd jetzt auch im Ausland eröffnet ist. Verantwortlich für all das ist Alexander Lukaschenko. Der aber tut seine Diktatorenarbeit längst mit unverhülltem Gesicht. Weil er weiß, dass er nichts mehr zu verlieren hat. Vielleicht kann man daraus Hoffnung ziehen. Zunächst mal ist das aber eine eher unheimliche Nachricht.
Anfangs löst die Hoffnung
auf Änderung bei allen
eine Art Kollektivschwips aus
Alina Lisitzkaya (hrsg.):
Stimmen der Hoffnung.
Aufzeichnungen, Gedichte,
Texte der belarussischen
Freiheitsbewegung.
Verlag Das kulturelle
Gedächtnis, Berlin 2021.
224 Seiten, 22 Euro.

Revolution in Weiß, im August 2020: Es waren
vor allem Frauen, die gegen Alexander Lukaschenko auf die Straße gingen.
Foto: Natalia Fedosenko/Imago, Itar-Tass
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.08.2021

Fanal zum Jahrestag

Nicht nur eine Frage der Solidarität, auch eine der Qualität: Ein Buch versammelt Texte des Protests in Belarus.

Der vor vier Jahren in Berlin gegründete Verlag Das kulturelle Gedächtnis hat es sich zur Aufgabe gemacht, "notwendige Bücher der Literatur- und Kulturgeschichte" dem Vergessen zu entreißen. Bislang erschienen deshalb nur Neu-, keine Erstausgaben. Das ändert sich am kommenden Montag. Dann jährt sich ein rühmliches Datum der jüngeren europäischen Geschichte zum ersten Mal. Es begann mit einem unrühmlichen Ereignis: Gleich nach dem Abschluss der sechstägigen belarussischen Präsidentenwahl von 2020 war der bisherige Amtsinhaber Alexandr Lukaschenko mit angeblich fast achtzig Prozent Stimmanteil zum Sieger ausgerufen worden. Noch am Abend zogen die ersten Protestzüge durch die Städte des Landes, denn das verkündete Gesamtergebnis passte nicht zu den von Stimmauszählern für die unterschiedlichen Wahlkreise bezeugten Einzelresultaten. Bis heute sind diese nicht offiziell veröffentlicht worden.

Die Auflehnung der betrogenen Bevölkerung glich in Ursache und Wirkung den Protesten in der DDR nach den verfälschten Kommunalwahlergebnissen vom Mai 1989. Nur mündeten diese im Sturz des Regimes, während die belarussische Revolution scheiterte. Vor allem deshalb, weil Lukaschenko Rückendeckung aus Moskau erhielt und auch keine Skrupel hatte, Gewalt gegen die Opposition einzusetzen. Die OMON-Miliz verbreitete Schrecken auf den Straßen: "Aus den offenen Wagentüren springen Männer in schwarzen Uniformen. Der erste Trupp. Der zweite. Der dritte. Sie vermehren sich exponentiell wie Krebszellen, und wir alle sind ihr Zielorgan." So schrieb die Demonstrantin Alexandra Iwanowa auf dem russischen Messenger-Dienst Telegram, der sich zum wichtigsten Kommunikationsforum der Protestierer entwickelte.

Der atemlose Augenzeugenbericht ist Teil eines Buchs, das nun als erste Originalausgabe Teil des Programms von Das kulturelle Gedächtnis wird: "Stimmen der Hoffnung" erscheint zum Jahrestag des Beginns der Proteste, herausgegeben von der in Deutschland lebenden Alina Lisitzkaja und mit finanzieller Unterstützung durch die vom deutschen PEN neugegründete Stiftung für die Freiheit des Wortes. Darin finden sich 39 Texte verschiedenster Formen (Berichte, Gedichte, Traumprotokolle, Betrachtungen) von 27 Teilnehmern des belarussischen Freiheitskampfs, darunter namhafte, auch bereits zuvor ins Deutsche übersetzte Schriftsteller wie Sasha Filipenko, Viktor Martinowitsch, Alhierd Bacharevi , Volha Hapeyeva und Dmitri Strozew, aber bei weitaus mehr Personen des Buchs weist das Autorenverzeichnis aus: "keine Information vorhanden". Ausgewählt wurden die Beiträge nicht nach Prominenz, sondern nach Anschaulichkeit und Intensität.

Das Buch ist zweisprachig - eigentlich sogar dreisprachig, denn die Originalbeiträge verteilen sich auf russische und belarussische Texte. Alle Beteiligten (Autoren, Herausgeberin, Übersetzer) verzichten auf Honorare, und vom Verkaufspreis des Buchs in Höhe von 22 Euro gehen zwei Euro an gemeinnützige belarussische Organisationen. Aber das Buch dient nicht nur dem Solidaritäts-, sondern auch dem Qualitätsbewusstsein. Vieles darin knüpft an die besten Traditionen europäischer Literatur an. So beschreibt etwa Rama Abramtschuk einen Moment seiner Haftzeit: "Und plötzlich ist durch die vielen Schichten aus Gitter, Beton und trübes Glas deutlich das Zwitschern der Vögel zu hören. Sie waren plötzlich da, das Eisen, die Türme und Wachen waren ihnen egal, sie kamen zu uns geflogen, weil ihnen danach zumute war, einfach so. Diese unbewaffneten Boten setzten sich einfach auf eine Eisenstange in der Nähe des 'Fensters' und verkündeten: 'Alles wird gut! Zu Hause ist alles gut!' Und ich, ein diplomierter Fremdenführer und Dolmetscher, übersetzte meinen Mitgefangenen, was sie sagten."

Solche "Stimmen der Hoffnung" sind unvergesslich, ein Fanal, doch sie passen ins Programm des Verlags Das kulturelle Gedächtnis, denn mangels Erfolg droht die Bewegung selbst vergessen zu werden. Das Zentrum für verfolgte Künste startet deshalb auch am Montag eine Social-Media-Kampagne mit Lesungen aus dem Buch. Die Hoffnung in Belarus selbst sinkt. Auch Abramtschuks nächster Satz nach der eben zitierten Passage lautet: "Sie glaubten mir nicht." ANDREAS PLATTHAUS

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