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Landlust und Mutterglück - für die namenlose Erzählerin in "Stirb doch, Liebling" erweisen sich diese Vorbedingungen ihres neuen Lebens mit Mann und Sohn in der französischen Provinz als zutiefst verstörend. Sie möchte schon eine gute Mutter, eine liebevolle Gefährtin sein - und stellt doch fest, dass ihr eine gemütliche, fröhliche und sonnenbeschienene Normalität nichts bedeutet. Mordfantasien, sexuelle Träume und Bilder suchen sie heim, sie irritiert ihren Mann und ihre Freunde, schläft mit dem Nachbarn und hadert gleichzeitig mit ihrer Empfindung, sich weder passend zu verhalten noch…mehr

Produktbeschreibung
Landlust und Mutterglück - für die namenlose Erzählerin in "Stirb doch, Liebling" erweisen sich diese Vorbedingungen ihres neuen Lebens mit Mann und Sohn in der französischen Provinz als zutiefst verstörend. Sie möchte schon eine gute Mutter, eine liebevolle Gefährtin sein - und stellt doch fest, dass ihr eine gemütliche, fröhliche und sonnenbeschienene Normalität nichts bedeutet.
Mordfantasien, sexuelle Träume und Bilder suchen sie heim, sie irritiert ihren Mann und ihre Freunde, schläft mit dem Nachbarn und hadert gleichzeitig mit ihrer Empfindung, sich weder passend zu verhalten noch passend zu fühlen. Diese emotionale und geistige Achterbahnfahrt, voll sarkastischer Geistesblitze und magisch-dunkler Traumbilder, fasst Ariana Harwicz in eine irrlichternd schöne, messerscharf und hellsichtig pointierte Sprache, die oft mit der von Sylvia Plath oder Clarice Lispector verglichen wird. Dieser Roman ist eines der Bücher, von denen Franz Kafka sprach, als er sie "die Axt für das gefrorene Meer in uns" nannte.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.04.2019

Der Ekel hinter den Küsschen
Der unheimliche Roman "Stirb doch, Liebling" und eine Begegnung mit seiner Autorin Ariana Harwicz

Eine Frau liegt zwischen gefällten Bäumen im Gras, die Sonne scheint ihr auf die Hand, und sie träumt von einem Messer. Ein flinker Schnitt in die Halsschlagader, schon würde sie verbluten, denkt sie, während ihr Mann und ihr kleiner Sohn nebenan lachend in einem Plastikbecken planschen: "Wie konnte es sein, dass ich, eine schwache, gestörte Frau, die von einem Messer in der Hand träumte, Mutter und Ehefrau dieser beiden Wesen war?" Sie fragt sich, was sie tun wird, denkt: "Töten würde ich sie nicht." Sie steht auf, hängt Unterhosen und Hemden auf, tut so, als wäre auch sie sehr normal, sagt sich, das Wäscheaufhängen war doch echt ein Erfolg, die Familie hat von ihren düsteren Gedanken nichts bemerkt.

In etwa so beginnt der Roman der argentinischen Schriftstellerin Ariana Harwicz. "Stirb doch, Liebling" war im vergangenen Jahr, ganze sechs Jahre nach seiner spanischen Erstveröffentlichung, für den Man Booker Prize nominiert worden. Es sei ein wildes, brutales Buch, hieß es damals. Und das stimmt: Es ist eines dieser seltenen Bücher, die einen sofort mitreißen, die nicht erst ein paar Seiten lang fragen, ob man wirklich mitkommen möchte, sondern einfach mit Vollgas losrasen. Einmal quer durch das kaputte Innenleben einer namenlosen Frau. Den Halt verloren hat diese Unbekannte nach der Geburt ihres Sohnes - des "Babys", des "Babyleins", wie die Schwiegereltern dieses ebenfalls namenlose Kind nennen: Sie träumt davon, wie sie den Kinderwagen durch den Wald schiebt und den Berg herunterrollen lässt. Alles um sie herum ist Scherben, Moos, Blut. Sie verbringt, zumindest gedanklich, mehr Zeit im Wald, mit den Tieren als mit ihrer Familie. Schläft mit dem Nachbarn, ist apathisch und scheint insgesamt entfremdet.

Die Mutterschaft habe die Kraft, eine Frau in den Wahnsinn zu treiben, meint Ariana Harwicz, als wir uns an einem Samstagmorgen in Paris treffen: "Mutter zu werden, öffnet bei vielen Frauen das Tor zu ihrer dunklen Seite. Es werden Phantasien geweckt, solche, die man weder sich noch anderen eingestehen kann", sagt sie. Gerade deshalb sei es für Schriftstellerinnen ein so gutes Thema, als literarisches Material so interessant. Da sei ja alles dabei: die Liebe, der Hass, die Reinheit, die Lust, die Sexualität, der Narzissmus, ein Konzentrat aus widersprüchlichen und mit Scham besetzten Gefühlen. Bevor man nun aber denkt, es handle sich bei diesem Buch um noch eines der ohnehin schon zahlreichen Bücher, die vom Albtraum der Mutterschaft und der allgemeinen Überforderung der Frauen angesichts der überhöhten Ansprüche der Gesellschaft erzählen, sei festgehalten: Dieser Roman ist anders. Ganz anders.

Vielleicht weil er lange vor dieser Welle geschrieben wurde. Vielleicht aber auch, weil er sich nicht als feministischer Roman verstanden sehen will. "Stirb doch, Liebling" klagt nichts an, zumindest nicht direkt, er handelt nicht vom Außen, das ohnehin weit weg scheint, sondern vom brutalen Inneren dieser Frau: von ihrem Hass und ihrer Liebe, ihrem Ekel vor der Banalität des Lebens der anderen und ihrer Scham, sich mit dieser Banalität nicht abfinden zu können. Es sei auch nicht nicht-feministisch, sagt die 42 Jahre alte Autorin, nur habe sie es nicht mit diesem Gedanken geschrieben. Angefangen hat sie den Roman vor knapp sieben Jahren. Damals war gerade ihr erster Sohn geboren, sie saß in Zentralfrankreich auf dem Land, in einem Haus mit Garten und Waldblick, und hatte das Gefühl zu ersticken: "Ich hockte da mit meinem Ehemann und meinem Sohn und fragte mich: Und jetzt? Um mich herum lebten alte Menschen, die ihr Leben schon hinter sich hatten und nun seelenruhig gärtnern konnten. Ich verspürte ein großes Gefühl der Leere, eine immense Wut. Auch Angst. Ich brauchte einen Weg, das auszuleben, also begann ich zu schreiben."

Ihr Roman spielt ebenfalls in dieser undefinierten Provinz. Die Diskrepanz zwischen der romantischen Vorstellung des Familienlebens auf dem Land und dem innerlichen Fight-Club, den Harwicz da eröffnet, ist, wenn auch schon oft erzählt, stark. Es ist eine Art Madame Bovary, nur in Hard-Rock-Version. Denn ihre Protagonistin träumt nicht, sie kämpft. Sie ist auch keine Französin, sondern Ausländerin. Woher sie kommt, das weiß man nicht. Dass diese Fremdheit neben der Mutterschaft und der Ehe an ihr nagt, das wird wiederum sehr klar. Sie fühlt sich den Tieren näher als ihrem Umfeld, nicht nur, weil diese von der kleinkarierten Moral der Menschen befreit sind, weil sie Leben, Tod und Sex urteilsfrei begegnen, sondern auch, weil die Natur eine universelle Sprache spricht. Weil sie sich nicht lustig macht, wenn sie etwas falsch betont, weil sie nicht wie der Ehemann sagt: "Warum kannst du nicht cooler sein?" Warum nicht mehr wie wir?

Die Sprache, die Harwicz benutzt, ist schnell, präzise, viele sagen "messerscharf". Dann aber wiederum auch sehr sinnlich. Sie zieht einen in ihren Sog, wie ein langes Gedicht. Wäre es Theater, dann wäre ihr Roman von Antonin Artaud, ein Theater der Grausamkeit, aus dem man nicht flüchten kann, wo man mit dem Schmerz des Daseins beschallt wird. Wäre es ein Film, wäre er von David Lynch. Denn die Brutalität der Banalität verbirgt sich immer unter einer glänzenden Oberfläche: Unter den "Küsschen", den "Seufzerchen", den "Mäulchen" und "Tellerchen", all diesen Niedlichkeiten, die eine junge Mutter so von sich geben muss. Unter dem "Liebling", das eigentlich sagt: "Ich will dich nicht mehr sehen." Während auf ihrer Hochzeit alle "Hurra!" rufen, denkt die Frau an die Reiskörner, die ihr "durch die Kopfporen" drängen, die "krümeligen Münder", die sie küssen, an ein "Rudel freilaufender Jagdhunde mit Reptilschwänzen".

Diese Geschichte sei einerseits genau so passiert, dann aber wiederum auch vollkommen erfunden, sagt Ariana Harwicz, die über die schmerzhafte Entfremdung ihrer Protagonistin mit der gleichen Intensität spricht, mit der sie auch schreibt. Sie erzählt gerade von ihrer Liebe zu Sylvia Plath, als ihre zwei kleinen Söhne vor dem Fenster des Cafés erscheinen. Sie muss jetzt leider gehen, sagt sie. Es sei ja Samstag. Zeit, eine Runde auf dem Kinderkarussell zu drehen.

ANNABELLE HIRSCH

Ariana Harwicz: "Stirb doch, Liebling". Aus dem Spanischen von Dagmar Ploetz. C. H. Beck, 126 Seiten, 18,95 Euro

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"(Ein) fulminant-verstörender Debütroman (...) Harwiczs düster-poetischer Stil beschwört Sylvia Plath oder Clarice Lispector herauf, die Erzählfigur Virginia Woolfs Mrs. Dalloway."
Tagessspiegel, Anja Kümmel

"Stirb doch, Liebling steht auf der Shortlist für den Internationalen Literaturpreis, der ein herausragendes Werk und seine Übersetzung ins Deutsche auszeichnet."
Spiegel Online, Felix Bayer

"Schönheit erwächst bei Ariana Harwicz aus einem Strudel aus Wahn und Sarkasmus. Ihre dichte Sprache, die in der Übersetzung von Dagmar Ploetz ihren eigenen Sog entwickelt, lockt uns aus dem Banalen und Privaten ins Archaische, an den Rand eines Abgrunds. Ein rauschhafter Anti-Familienroman."
Süddeutsche Zeitung, Robin Detje

"Eindrücke von draußen mischen sich mit der inneren Stimme, sind zu einem beinahe lyrischen Gedankengeflecht verdichtet. Scheinbar zufällige Geschehnisse werden zu genialen Sinnbildern."
SPIEGEL Online, Isabel Metzger

"Eine bittere Abrechnung mit dem Ideal von Mutterglück (...) voller Poesie und radikaler Metaphern, mit Sätzen wie Blitzen, brutal aber ästhetisch."
rbb kulturradio, Sarah Murrenhoff

"Die gut 120 Seiten sind schnell gelesen, das verdankt sich vor allem dem mächtigen Sog, den Harwicz' Sprache erzeugt. (...) Nur wirklich große Literatur vermag derart zu beunruhigen."
Buchkultur, Jana Volkmann

"Es ist eine Art Madame Bovary, nur in Hard-Rock-Version. Denn ihre Protagonistin träumt nicht, sie kämpft."
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, Annabelle Hirsch

"126 beklemmende und zugleich mitreißende Seiten."
Neue Zürcher Zeitung, Katja Schönherr

"Eine sprachlich fulminante Tragikomödie und eine bitterböse Abrechnung mit einer gescheiterten Ehe in der Provinz (...) ein bewundernswertes, erfrischend radikales Debüt."
NDR Kultur, Tobias Wenzel

"Ariana Harwicz' Erzählen (erinnert) ein bisschen an die Filme von David Lynch (...)immer möglichst nah beim Leser (...) konsequent und drastisch im Stil."
Deutschlandfunk Kultur, Sonja Hartl

"Ariana Harwicz schreibt in einer drastischen, oft verstörenden Sprache. Ihr ringen um Echtheit und innere Abgründe lässt wohl keine Frau unberührt."
emotion. Andrea Huss

"Ein Hauch von David Lynch"
The Guardian
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