Produktdetails
- Alber Broschur, Kommunikation
- Verlag: Alber
- Seitenzahl: 189
- Abmessung: 12mm x 140mm x 215mm
- Gewicht: 274g
- ISBN-13: 9783495478059
- Artikelnr.: 05743235
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.01.1995"Kommunikationskatastrophe für Hoechst"
Studie über Chemieunfall von 1993 / Kritik an verspäteter und widersprüchlicher Information
ler. Der Unfall im Werk Griesheim der Hoechst AG vom 22. Februar 1993 war nach Ansicht des Mainzer Publizistikprofessors Hans Mathias Kepplinger "weniger ein Chemieunglück als eine Kommunikationskatastrophe". Die Fehler der Hoechst AG bei der Information über den Unfall und seine möglichen Folgen hätten wesentlich dazu beigetragen, daß der Störfall zu einem "Schlüsselereignis" geworden sei, über das die Medien wochenlang berichtet hätten. Das Fehlverhalten der Verantwortlichen in diesem Fall habe auch die Berichterstattung über spätere Betriebsstörungen und Störfälle geprägt, schreiben Kepplinger und sein Mitarbeiter Uwe Hartung in einer von dem Chemieunternehmen bezahlten Studie mit dem Titel "Störfall-Fieber" (Verlag Karl Alber, Freiburg).
Das Unternehmen, so Kepplinger, habe die Öffentlichkeit zu spät - etwa sechs bis sieben Stunden nach dem Unfall - und widersprüchlich informiert. Zum einen habe man in der Pressekonferenz davor gewarnt, Fahrzeuge selbst zu reinigen, zum anderen hätten die Verantwortlichen kurz darauf geraten, "Gebäudeteile . . . mit warmem Wasser und Haushaltsreinigungsmitteln" zu säubern.
Zur "Dramatisierung" der Lage sowie zur Verängstigung der betroffenen Menschen haben nach Ansicht Kepplingers allerdings auch Behörden, Politiker, Experten, Umweltinitiativen und die Medien beigetragen. Die dramtisierende Berichterstattung über das Unglück habe trotz vieler Unterschiede eine Gemeinsamkeit gehabt: Informationen, die nicht in das Bild von einem katastrophalen Unfall gepaßt hätten, seien "verschwiegen, diskreditiert oder allenfalls am Rande erwähnt" worden. Insbesonders die "Bild"-Zeitung sowie die Wochenblätter "Die Zeit", "Stern", "Spiegel", "Bild am Sonntag" und "Welt am Sonntag" haben nach Auffassung Kepplingers alle mehr oder weniger zur Dramatisierung des Störfalls beigetragen. Eine bemerkenswerte Ausnahme sei die vergleichsweise nüchterne Darstellung der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" gewesen.
Den entscheidenden Fehler hat nach Darstellung des Mainzer Professors allerdings die Hoechst AG direkt nach dem Störfall gemacht. Bei der ersten Pressekonferenz am Unglückstag habe der Werksleiter das ausgetretene ortho-Nitroanisol entsprechend dem Chemikaliengesetz als "minder giftig" bezeichnet. Als für die Verantwortlichen des Unternehmens klar gewesen sei, daß keine ernsthafte Gesundheitsgefährdung bestanden habe, hätten sie das Problem als weitgehend entschärft angesehen. Als später bekanntgeworden sei, daß ortho-Nitroanisol möglicherweise krebserregend sei, sei der Eindruck entstanden, das Unternehmen wolle die Gefahren verharmlosen.
In den ersten Tagen nach dem Unglück war die Hoechst AG in der Öffentlichkeit hauptsächlich durch Mitarbeiter der dritten und vierten Leitungsebene vertreten, stellt Kepplinger fest. Zu Recht werde deshalb bemängelt, daß ein Störfall dieses Ausmaßes nicht sofort Chefsache geworden sei. Kepplinger und Hartung kommen zu dem Schluß, daß die meisten Fehler des Unternehmens darauf zurückzuführen seien, daß die Hoechst-Mitarbeiter den Störfall "fast ausschließlich aus der Perspektive des Unternehmens" betrachtet hätten. Die Bürger hätten dagegen zunächst wie nach einem Einbruch reagiert - "fassungslos über die Unverschämtheit von Unbekannten, über die eigene Hilflosigkeit und über das Unverständnis der Verantwortlichen". Diese Reaktionen hätten die Mitarbeiter der Hoechst AG weder vorausgesehen noch hinreichend ernst genommen.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Studie über Chemieunfall von 1993 / Kritik an verspäteter und widersprüchlicher Information
ler. Der Unfall im Werk Griesheim der Hoechst AG vom 22. Februar 1993 war nach Ansicht des Mainzer Publizistikprofessors Hans Mathias Kepplinger "weniger ein Chemieunglück als eine Kommunikationskatastrophe". Die Fehler der Hoechst AG bei der Information über den Unfall und seine möglichen Folgen hätten wesentlich dazu beigetragen, daß der Störfall zu einem "Schlüsselereignis" geworden sei, über das die Medien wochenlang berichtet hätten. Das Fehlverhalten der Verantwortlichen in diesem Fall habe auch die Berichterstattung über spätere Betriebsstörungen und Störfälle geprägt, schreiben Kepplinger und sein Mitarbeiter Uwe Hartung in einer von dem Chemieunternehmen bezahlten Studie mit dem Titel "Störfall-Fieber" (Verlag Karl Alber, Freiburg).
Das Unternehmen, so Kepplinger, habe die Öffentlichkeit zu spät - etwa sechs bis sieben Stunden nach dem Unfall - und widersprüchlich informiert. Zum einen habe man in der Pressekonferenz davor gewarnt, Fahrzeuge selbst zu reinigen, zum anderen hätten die Verantwortlichen kurz darauf geraten, "Gebäudeteile . . . mit warmem Wasser und Haushaltsreinigungsmitteln" zu säubern.
Zur "Dramatisierung" der Lage sowie zur Verängstigung der betroffenen Menschen haben nach Ansicht Kepplingers allerdings auch Behörden, Politiker, Experten, Umweltinitiativen und die Medien beigetragen. Die dramtisierende Berichterstattung über das Unglück habe trotz vieler Unterschiede eine Gemeinsamkeit gehabt: Informationen, die nicht in das Bild von einem katastrophalen Unfall gepaßt hätten, seien "verschwiegen, diskreditiert oder allenfalls am Rande erwähnt" worden. Insbesonders die "Bild"-Zeitung sowie die Wochenblätter "Die Zeit", "Stern", "Spiegel", "Bild am Sonntag" und "Welt am Sonntag" haben nach Auffassung Kepplingers alle mehr oder weniger zur Dramatisierung des Störfalls beigetragen. Eine bemerkenswerte Ausnahme sei die vergleichsweise nüchterne Darstellung der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" gewesen.
Den entscheidenden Fehler hat nach Darstellung des Mainzer Professors allerdings die Hoechst AG direkt nach dem Störfall gemacht. Bei der ersten Pressekonferenz am Unglückstag habe der Werksleiter das ausgetretene ortho-Nitroanisol entsprechend dem Chemikaliengesetz als "minder giftig" bezeichnet. Als für die Verantwortlichen des Unternehmens klar gewesen sei, daß keine ernsthafte Gesundheitsgefährdung bestanden habe, hätten sie das Problem als weitgehend entschärft angesehen. Als später bekanntgeworden sei, daß ortho-Nitroanisol möglicherweise krebserregend sei, sei der Eindruck entstanden, das Unternehmen wolle die Gefahren verharmlosen.
In den ersten Tagen nach dem Unglück war die Hoechst AG in der Öffentlichkeit hauptsächlich durch Mitarbeiter der dritten und vierten Leitungsebene vertreten, stellt Kepplinger fest. Zu Recht werde deshalb bemängelt, daß ein Störfall dieses Ausmaßes nicht sofort Chefsache geworden sei. Kepplinger und Hartung kommen zu dem Schluß, daß die meisten Fehler des Unternehmens darauf zurückzuführen seien, daß die Hoechst-Mitarbeiter den Störfall "fast ausschließlich aus der Perspektive des Unternehmens" betrachtet hätten. Die Bürger hätten dagegen zunächst wie nach einem Einbruch reagiert - "fassungslos über die Unverschämtheit von Unbekannten, über die eigene Hilflosigkeit und über das Unverständnis der Verantwortlichen". Diese Reaktionen hätten die Mitarbeiter der Hoechst AG weder vorausgesehen noch hinreichend ernst genommen.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main