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Die zentrale Themenstellung betrifft die Frage, in welchem Maße die Verteidigung in den Nürnberger Prozessen tatsächlichen Einfluss auf den Prozessverlauf und -ausgang nehmen konnte. Hierbei wird neben den Grundlagen der Verteidigungsarbeit auch auf Fragen der Rechtsstaatlichkeit bzw. Fairness der Verfahren eingegangen. Die juristische Arbeit der Verteidiger in den Nürnberger Prozessen ist bisher kaum erforscht. Im Kern der Arbeit steht daher die Auseinandersetzung mit konkreten Prozesssituationen, deren Darstellung und Einordnung unter besonderer Berücksichtigung der Verteidigung anhand von…mehr

Produktbeschreibung
Die zentrale Themenstellung betrifft die Frage, in welchem Maße die Verteidigung in den Nürnberger Prozessen tatsächlichen Einfluss auf den Prozessverlauf und -ausgang nehmen konnte. Hierbei wird neben den Grundlagen der Verteidigungsarbeit auch auf Fragen der Rechtsstaatlichkeit bzw. Fairness der Verfahren eingegangen. Die juristische Arbeit der Verteidiger in den Nürnberger Prozessen ist bisher kaum erforscht. Im Kern der Arbeit steht daher die Auseinandersetzung mit konkreten Prozesssituationen, deren Darstellung und Einordnung unter besonderer Berücksichtigung der Verteidigung anhand von Primärquellen, vornehmlich der originalen Prozessprotokolle. Die Arbeit des Nürnberger Verteidigers Friedrich Bergold im Hauptprozess sowie in drei Nachfolgeprozessen wird insbesondere dahingehend aufbereitet, inwieweit Verteidigungsstrategien entwickelt und umgesetzt werden konnten. In einer abschließenden Betrachtung werden die gewonnenen Ergebnisse zusammengeführt und prozessübergreifend ausgewertet.
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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung

Begrenzte Möglichkeiten
Strafverteidigung in Prozessen gegen Kriegsverbrecher

Hochrangige nationalsozialistische Politiker, Beamte und Militärs in dem Hauptkriegsverbrecherprozess vor dem Internationalen Militärtribunal und in den Nachfolgeprozessen vor den amerikanischen Militärtribunalen in Nürnberg zu verteidigen, dürfte zu den schwierigsten und undankbarsten Aufgaben zählen, die einem deutschen Strafverteidiger je obliegen konnten. Dass die meisten der Angeklagten - wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß - in strafwürdiger Weise schwerste Schuld für schwerstes Unrecht auf sich geladen hatten, stand ebenso außer Frage wie die Entschlossenheit der Alliierten, sie dafür hart zu bestrafen, um den Deutschen endgültig die Augen für den verbrecherischen Charakter des NS-Regimes zu öffnen. Wer hier als Verteidiger auftrat, wurde argwöhnisch betrachtet, von den Siegern ebenso wie von den besiegten Deutschen, die in den Nürnberger Prozessen anfangs nur Siegerjustiz erkennen zu können glaubten, für deren Durchführung man sich als Deutscher nicht zur Verfügung stellen sollte.

Als Problem für die Verteidigung kam ein unvertrautes Strafverfahrensrecht hinzu; die anzuwendenden Verfahrensregeln waren in weiten Teilen dem angloamerikanischen Strafprozess entlehnt. Die Verteidigerrechte waren teilweise erheblich beschränkt. So war etwa ein Akteneinsichtsrecht, das der Verteidigung rechtzeitig Einblick in die Unterlagen der Anklagebehörde gewährt hätte, nicht vorgesehen. Für ihre effektive Ausübung war die erst nach der Anklageerhebung aufgenommene Verteidigung daher auf das Wohlwollen der Gerichte angewiesen.

Auf das Rückwirkungsverbot gestützte, grundsätzliche Einwände gegen die Jurisdiktionsgewalt der ad hoc eingesetzten Gerichte fanden, obwohl sie nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen waren, angesichts des von den Alliierten beziehungsweise der amerikanischen Besatzungsmacht gesetzten Rechts erwartungsgemäß kein Gehör. Vor diesem Hintergrund denkbar schlechter Ausgangsbedingungen für die Verteidigung unternimmt es Benedikt Salleck, die Prozessabläufe in Nürnberg daraufhin zu untersuchen, welche Strategien die Verteidigung verfolgt hat und inwieweit sie damit Erfolge erzielen konnte.

Als Referenz zieht er dabei nicht eine der bekannteren Verteidigerpersönlichkeiten, sondern den weithin unbekannten, politisch kaum belasteten Nürnberger Rechtsanwalt Dr. Friedrich Bergold heran, der im Hauptprozess Martin Bormann und weitere Angeklagte in den Nachfolgeprozessen vertrat. Das in Abwesenheit des Angeklagten durchgeführte Verfahren gegen Bormann, dessen Tod durch Selbstmord damals noch nicht bekannt war, ließ eine Verteidigung unabhängig von der nicht bestreitbaren schweren Schuld kaum zu. In den Nachfolgeprozessen konnte Bergold für seine Mandanten in einem Fall einen Teilfreispruch, in einem weiteren Fall einen vollständigen Freispruch erwirken, in einem letzten Fall, der einen Befehlshaber eines Einsatzkommandos einer für massenhafte Exekutionen verantwortlichen Einsatzgruppe betraf, dagegen die Verhängung der - später in lebenslängliche Freiheitsstrafe umgewandelten - Todesstrafe nicht abwenden.

Die Untersuchung fördert insbesondere zutage, dass der Verteidigung die Aufgabe zufiel, darauf hinzuwirken, dass die Tathandlungen und zurechenbaren Tatbeiträge exakter als in der häufig nicht hinreichend konkret argumentierenden Anklage ermittelt wurden, wodurch erst die exakte Feststellung persönlich vorwerfbarer Schuld möglich wurde. Das Fazit ist eindeutig: Das professionell-seriöse Wirken der Verteidiger, das den Richtern Respekt abnötigte, hat auch und gerade in den NS-Kriegsverbrecherprozessen zur Wahrheitsfindung entscheidend beigetragen.

CHRISTIAN HILLGRUBER

Benedikt Salleck: Strafverteidigung in den Nürnberger Prozessen. Prozessabläufe und Verteidigungsstrategien dargestellt am Wirken des Verteidigers Dr. Friedrich Bergold. Duncker & Humblot Verlag, Berlin 2016. 383 S., 89,90 [Euro].

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»Sie ist eine grundlegende strafrechtsgeschichtliche Untersuchung über die Tätigkeit nur eines Verteidigers in dem bisher kaum erforschten Gebiet:'Strafverteidiger in den Nürnberger Prozessen'. [...] Die Arbeit wirkt sowohl wegen des plastischen Schreibstils als auch wegen der überzeugenden Argumentation stets plausibel und lebendig. Dem Autor gelingt es mit seiner besonnenen, fast bedächtigen und objektiven Vorgehensweise, beim Leser den Eindruck zu erwecken, als sei er selbst dei den Verteidigungen Bergolds dabei gewesen. Die Begeisterung Sallecks an der Durchführung seiner Forschung überträgt sich auf den Leser.« Dr. Klaus Wasserburg, in: Goltdammer´s Archiv für Strafrecht, 5/2018

»Hervorzuheben ist die gründliche Quellenarbeit Sallecks, der nicht nur das vorhandene Schriftgut aus den Prozessen ausgewertet, sondern auch weitere Quellen erschlossen hat. [...] Für die Forschung zu den Nürnberger Verteidigern und ihrer Rolle in den Kriegsverbrecherverfahren stellt sie damit in jedem Fall eine Bereicherung dar.« Dr. Matthias Gemählich, in: Francia recensio, 1/2018

»Das Buch liest sich sehr gut (und schnell); es bringt insbesondere für den Strafverteidiger interessante Erkenntnisgewinne. [...] Allein die umfangreiche Auseinandersetzung mit den Prozessunterlagen und die in diesem Zusammenhang in den Kapiteln 2-5 zusammengetragenen Erkenntnisse und Fakten machen diese Schwäche aber wett, weswegen das Buch jedem Juristen, der sich auch mit internationalen Verfahren befasst, uneingeschränkt zu empfehlen ist.« Dr. Anna Oehmichen, in: Zeitschrift für die gesamte Strafrechtsdogmatik 2017, 710

»Als bahnbrechende Quellen für die Analysen dienten die Unterlagen und Materialien, welche im Bayerischen Staatsarchiv Nürnberg aufliegen. Salleck zitiert diese Unterlagen, und das ist lobenswert und zu betonen, in der englischen Originalfassung. [...] Es wäre für die Strafrechtszeitgeschichte zu wünschen, dass mehrer Historiker oder Juristen sich mit diesem Thema vertraut machen würden und andere Anwälte jener Zeit beschreiben und ihr Handeln im wissenschaftlichen Kontext eruieren würden. Sallecks formvollendete Untersuchung ist ein erster Schritt dazu.« Andreas Raffeiner, in: Journal für Strafrecht, Heft 4 /2017

»Im Rahmen der angesichts der Fülle zu berücksichtigenden Materialien vollauf gerechtfertigten Beschränkung der Untersuchungen auf einen Verteidiger liegt mit dem Werk Sallecks eine grundlegende Untersuchung zu den Nürnberger Prozessen vor, die eine genaue Lektüre erfordert und - so ist zu wünschen - weitere Untersuchungen zur Verteidigungsstrategie insbesondere von Rechtsanwälten anderer Verteidigerteams [...] anregt.« Werner Schubert, in: Zeitschrift Integrativer Europäischer Rechtsgeschichte, Band 6, Nr. 87 / 2016
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