Old Man Joe, der Trinker, das Ausreißerpärchen Dylan und Maddie, Amberton, der Filmstar, der heimlich Männer liebt, und die behütete Einwanderertochter Esperanza - sie sind die Hauptfiguren in diesem großen amerikanischen Gegenwartsroman über die Mega-City L.A. In ihren Geschichten entfaltet sich ein Kosmos urbanen Lebens, ein Kaleidoskop aus grellen und dynamischen Bildern, aus Sehnsüchten und zerstörten Träumen.
'Dylan liebt Maddie und ist mit ihr unterwegs nach L.A., Stadt der Hoffnung so vieler Menschen auf eine bessere Zukunft. Die Filmstars Amberton und Casey sind nur zur Tarnung miteinander verheiratet und ständig auf der Suche nach Sex und Bewunderung. Esperanza aus Mexiko verdient ihr Geld im Haushalt einer tyrannischen Lady und verliebt sich in deren Sohn. Der Obdachlose Old Man Joe entdeckt seine Mitmenschlichkeit, als er ein drogensüchtiges Mädchen zusammengeschlagen hinter einer Mülltonne findet. Sie und viele andere Figuren, die im Vorübergehen den Weg des Lesers kreuzen, ergeben das fesselnde Bild einer sich ständig wandelnden Metropole, seit Generationen Verheißung und Moloch zugleich. In L.A., der eigentlichen Hauptfigur, spiegeln Fakten und Fiktion einander im Rhythmus von Geschichte und Gegenwart, von Illusion, Liebe und Gewalt. Ein fulminant komponierter Roman über den unzerstörbaren American Dream.
'Dylan liebt Maddie und ist mit ihr unterwegs nach L.A., Stadt der Hoffnung so vieler Menschen auf eine bessere Zukunft. Die Filmstars Amberton und Casey sind nur zur Tarnung miteinander verheiratet und ständig auf der Suche nach Sex und Bewunderung. Esperanza aus Mexiko verdient ihr Geld im Haushalt einer tyrannischen Lady und verliebt sich in deren Sohn. Der Obdachlose Old Man Joe entdeckt seine Mitmenschlichkeit, als er ein drogensüchtiges Mädchen zusammengeschlagen hinter einer Mülltonne findet. Sie und viele andere Figuren, die im Vorübergehen den Weg des Lesers kreuzen, ergeben das fesselnde Bild einer sich ständig wandelnden Metropole, seit Generationen Verheißung und Moloch zugleich. In L.A., der eigentlichen Hauptfigur, spiegeln Fakten und Fiktion einander im Rhythmus von Geschichte und Gegenwart, von Illusion, Liebe und Gewalt. Ein fulminant komponierter Roman über den unzerstörbaren American Dream.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.09.2009Lauter Scherben
Achtung, Fiktion: James Freys Los-Angeles-Roman
James Frey gelang mit der Autobiographie "Tausend kleine Scherben", die ihn als drogensüchtigen Kriminellen darstellte, vor sechs Jahren in Amerika ein Bestseller. Nach Enthüllungsberichten musste Frey jedoch eingestehen, dass er es mit der Wahrheit nicht so genau genommen hatte. Aus dramaturgischen Gründen und gewiss auch, um auf sich aufmerksam zu machen, hatte er seiner Vita, die er fortsetzte in dem noch nicht auf Deutsch erschienenen "My Friend Leonard", mehr attraktive Anrüchigkeit verliehen, als ihr tatsächlich zugrunde lag. Er machte sein Leben interessanter, als es ist. Doch für die Fiktion ist die Fähigkeit, zu übertreiben und hinzuzuerfinden, eine grundlegende Voraussetzung.
James Freys erster echter Roman stellt dennoch vorab klar, dass es sich hierbei um keine wahre Geschichte handelt. Dabei ist sein Porträt von Los Angeles angefüllt mit Fakten und ganzen Listen komischer und weniger komischer, harter und zurechtgebogener Fakten, die von den Namen asiatischer Gangs über den Genuss kohlensäure- und koffeinhaltiger Cola bis zu den Verletzungen von Kriegsveteranen, die in den örtlichen Kliniken behandelt werden, reichen. Nichts davon muss stimmen, alles könnte richtig sein. Frey scheint seine Kritiker mit nutzlosen Informationen überschütten zu wollen, ganz nach dem Motto: Sollen sie die Suchmaschinen doch anwerfen, um mir auf die Schliche zu kommen. Ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt.
"Strahlend schöner Morgen" entwirft ein Kaleidoskop der Millionenstadt in Kalifornien. Im Zentrum stehen vier Geschichten, die stetig weitergesponnen werden; dazwischen schlängeln sich kurze Abhandlungen über das Verkehrsnetz, die Kunstszene, die Geschichte oder die Porno-Branche der Stadt. Dabei bedient Frey sich Robert Altmans Collagetechnik aus dessen ebenfalls in Los Angeles spielendem Episodenfilm "Short Cuts". Über Altmans Geschick, aus zersplitterten Teilen ein Ganzes zu schaffen, verfügt der Autor nicht - oder er hat diese Brüchigkeit gerade beabsichtigt, um einen Haufen aus tausend kleinen Scherben zusammenzufegen. Problematisch aber bleibt, dass selbst die größeren Handlungsstränge kaum mehr als einen fahlen Glanz hinterlassen. Sie erzählen von den jugendlichen Ausreißern Dylan und Maddie, die in die Machenschaften einer Motorradclique verstrickt werden; vom Obdachlosen Old Man Joe, der sich bei dem Versuch, einem verwahrlosten Mädchen zu helfen, schuldig macht; von einem Filmstar, der eine Scheinehe führt, um seine Homosexualität zu verbergen, was ihn beinahe die Karriere kostet; und zuletzt vom fleißigen Hausmädchen Esperanza, das seiner vermögenden Arbeitgeberin vorspielt, kaum Englisch zu sprechen, damit diese sich in ihrer Gegenwart ungezwungen unterhalten kann; als sich Esperanza in Doug verliebt, den duckmäuserischen Sohn der tyrannischen alten Dame, kommt es zum Eklat.
Das alles vermittelt der 1969 in Cleveland, Ohio, geborene Autor, der früher Filmdrehbücher verfasste, in einem Telegrammstil, in dem die rhythmische Wiederholung als wirkungsvollstes aller rhetorischen Mittel auftaucht. Viele der Minidramen lesen sich wie Treatments und unausgegorene Plots. Hinzu kommen Klischees innerhalb der Figurenzeichnung, der Handlungsabläufe und der Motivik. Immer wieder kommt Frey auf die verwirklichten, unrealistischen oder scheiternden Träume seiner Protagonisten zu sprechen, und keine Ausformung dieser Sehnsüchte ist ihm abgegriffen genug. Man mag darin einen subversiven Akt der konzeptionellen Aneignung des Formelhaften erkennen, der den Klatsch, die stereotype mediale Inszenierung und die Konventionalität der gesellschaftlichen wie individuellen Wunschvorstellungen unserer Tage kopiert; allein die Vervielfältigung von Oberflächlichkeit erzeugt noch keine kritische oder spannende Perspektive.
James Frey erklärt seine Annäherung an den Stoff damit, dass heutzutage jedem so viel Information entgegengeschleudert werde - und so funktioniere auch sein Buch. Mit Michel Houellebecq möchte man dem Autor entgegnen, dass es unserer Welt an allem mangelt außer eben an zusätzlicher Information. "Bright Shiny Morning", wie Freys Roman im Original heißt, fehlt es nicht an Fakten, aber dafür an vielem, was Literatur ausmacht.
ALEXANDER MÜLLER
James Frey: "Strahlend schöner Morgen". Aus dem Amerikanischen von Henning Ahrens. Ullstein Verlag, Berlin 2009. 590 S., geb., 22,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Achtung, Fiktion: James Freys Los-Angeles-Roman
James Frey gelang mit der Autobiographie "Tausend kleine Scherben", die ihn als drogensüchtigen Kriminellen darstellte, vor sechs Jahren in Amerika ein Bestseller. Nach Enthüllungsberichten musste Frey jedoch eingestehen, dass er es mit der Wahrheit nicht so genau genommen hatte. Aus dramaturgischen Gründen und gewiss auch, um auf sich aufmerksam zu machen, hatte er seiner Vita, die er fortsetzte in dem noch nicht auf Deutsch erschienenen "My Friend Leonard", mehr attraktive Anrüchigkeit verliehen, als ihr tatsächlich zugrunde lag. Er machte sein Leben interessanter, als es ist. Doch für die Fiktion ist die Fähigkeit, zu übertreiben und hinzuzuerfinden, eine grundlegende Voraussetzung.
James Freys erster echter Roman stellt dennoch vorab klar, dass es sich hierbei um keine wahre Geschichte handelt. Dabei ist sein Porträt von Los Angeles angefüllt mit Fakten und ganzen Listen komischer und weniger komischer, harter und zurechtgebogener Fakten, die von den Namen asiatischer Gangs über den Genuss kohlensäure- und koffeinhaltiger Cola bis zu den Verletzungen von Kriegsveteranen, die in den örtlichen Kliniken behandelt werden, reichen. Nichts davon muss stimmen, alles könnte richtig sein. Frey scheint seine Kritiker mit nutzlosen Informationen überschütten zu wollen, ganz nach dem Motto: Sollen sie die Suchmaschinen doch anwerfen, um mir auf die Schliche zu kommen. Ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt.
"Strahlend schöner Morgen" entwirft ein Kaleidoskop der Millionenstadt in Kalifornien. Im Zentrum stehen vier Geschichten, die stetig weitergesponnen werden; dazwischen schlängeln sich kurze Abhandlungen über das Verkehrsnetz, die Kunstszene, die Geschichte oder die Porno-Branche der Stadt. Dabei bedient Frey sich Robert Altmans Collagetechnik aus dessen ebenfalls in Los Angeles spielendem Episodenfilm "Short Cuts". Über Altmans Geschick, aus zersplitterten Teilen ein Ganzes zu schaffen, verfügt der Autor nicht - oder er hat diese Brüchigkeit gerade beabsichtigt, um einen Haufen aus tausend kleinen Scherben zusammenzufegen. Problematisch aber bleibt, dass selbst die größeren Handlungsstränge kaum mehr als einen fahlen Glanz hinterlassen. Sie erzählen von den jugendlichen Ausreißern Dylan und Maddie, die in die Machenschaften einer Motorradclique verstrickt werden; vom Obdachlosen Old Man Joe, der sich bei dem Versuch, einem verwahrlosten Mädchen zu helfen, schuldig macht; von einem Filmstar, der eine Scheinehe führt, um seine Homosexualität zu verbergen, was ihn beinahe die Karriere kostet; und zuletzt vom fleißigen Hausmädchen Esperanza, das seiner vermögenden Arbeitgeberin vorspielt, kaum Englisch zu sprechen, damit diese sich in ihrer Gegenwart ungezwungen unterhalten kann; als sich Esperanza in Doug verliebt, den duckmäuserischen Sohn der tyrannischen alten Dame, kommt es zum Eklat.
Das alles vermittelt der 1969 in Cleveland, Ohio, geborene Autor, der früher Filmdrehbücher verfasste, in einem Telegrammstil, in dem die rhythmische Wiederholung als wirkungsvollstes aller rhetorischen Mittel auftaucht. Viele der Minidramen lesen sich wie Treatments und unausgegorene Plots. Hinzu kommen Klischees innerhalb der Figurenzeichnung, der Handlungsabläufe und der Motivik. Immer wieder kommt Frey auf die verwirklichten, unrealistischen oder scheiternden Träume seiner Protagonisten zu sprechen, und keine Ausformung dieser Sehnsüchte ist ihm abgegriffen genug. Man mag darin einen subversiven Akt der konzeptionellen Aneignung des Formelhaften erkennen, der den Klatsch, die stereotype mediale Inszenierung und die Konventionalität der gesellschaftlichen wie individuellen Wunschvorstellungen unserer Tage kopiert; allein die Vervielfältigung von Oberflächlichkeit erzeugt noch keine kritische oder spannende Perspektive.
James Frey erklärt seine Annäherung an den Stoff damit, dass heutzutage jedem so viel Information entgegengeschleudert werde - und so funktioniere auch sein Buch. Mit Michel Houellebecq möchte man dem Autor entgegnen, dass es unserer Welt an allem mangelt außer eben an zusätzlicher Information. "Bright Shiny Morning", wie Freys Roman im Original heißt, fehlt es nicht an Fakten, aber dafür an vielem, was Literatur ausmacht.
ALEXANDER MÜLLER
James Frey: "Strahlend schöner Morgen". Aus dem Amerikanischen von Henning Ahrens. Ullstein Verlag, Berlin 2009. 590 S., geb., 22,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Wegen mangelnder Fakten will der Rezensent den Autor und sein Buch nicht kritisieren. Wohl aber wegen mangelnder Literarizität. James Freys Porträt von Los Angeles, in dem Abhandlungen über Verkehr und Kunst und Geschichten von Ausreißern, Obdachlosen, Hausmädchen und Filmstars Platz haben, bleibt Alexander Müller zu splitterhaft und klischeeselig. Als Treatment kann er sich das Buch gut vorstellen. Freys sich der rhythmischen Wiederholung bedienender Telegrammstil jedoch führt Müller nirgendwohin. Die vielen Teile, so klagt er, ergäben kein Ganzes und die x-fache Darstellung von Oberflächlichkeit leider "keine kritische oder spannende Perspektive".
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH