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»Straße 816« ist eine erstaunliche Reisereportage über den letzten Urwald im Osten Europas. Ein Buch zum Innehalten und Verweilen, eine poetische Wanderung der Sinne. An der Grenze zu Weißrussland und der Ukraine schlängelt sich die Straße 816 durch die unberührte Flusslandschaft des Bugs. Durch Michal Ksi?zeks Augen sehen wir eine erstaunliche Artenvielfalt, die woanders vor dem Aussterben bedroht ist, aber in der grünen Lunge Polens überleben kann - Insekten, Pflanzen und vor allem Vögel: Bluthänflinge, Erlenzeisige und die größte Eule der Welt, den Uhu, der fähig ist, eine Gans, einen…mehr

Produktbeschreibung
»Straße 816« ist eine erstaunliche Reisereportage über den letzten Urwald im Osten Europas. Ein Buch zum Innehalten und Verweilen, eine poetische Wanderung der Sinne. An der Grenze zu Weißrussland und der Ukraine schlängelt sich die Straße 816 durch die unberührte Flusslandschaft des Bugs. Durch Michal Ksi?zeks Augen sehen wir eine erstaunliche Artenvielfalt, die woanders vor dem Aussterben bedroht ist, aber in der grünen Lunge Polens überleben kann - Insekten, Pflanzen und vor allem Vögel: Bluthänflinge, Erlenzeisige und die größte Eule der Welt, den Uhu, der fähig ist, eine Gans, einen Reiher oder gar einen kleinen Hund zu fangen.

Die wenigen Menschen, die der Wanderer trifft, haben das Leben gesehen, sie tragen die Erinnerungen in sich, ob jung oder alt. Seit Jahrhunderten ist dies ein Grenzgebiet verschiedener Ethnien, Konfessionen und Kulturen. Katholische Polen, orthodoxe Ukrainer, deutsche Vernichtungslager, Sobibór lag gleich an der 816, und auch Treblinka warnicht weit weg.

»Straße 816« ist ein fesselndes Buch, das die überwältigende Naturschönheiten mit dem Grauen der Geschichte zu verbinden vermag.
Autorenporträt
Michal Ksiazek, geb. 1978 in Oraczew/Polen, ist Kulturwissenschaftler, Ornithologe, er schreibt Reportagen und Gedichte. Sein Buch 'Jakutien, Wörterbuch eines Ortes' (2013) war für den Gdynia-Preis nominiert, sein Gedichtband 'Wissenschaft von den Vögeln' (2014) wurde mit dem Silesius-Preis für Lyrik ausgezeichnet, und für seine Reisereportage 'Straße 816' (2015) erhielt er im September 2016 den Gdynia-Preis in der Kategorie Essayistik. Ksiazek lebt in Warschau und im Urwald von Bialowieza.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.03.2019

Für die Tasche Ganz im Osten Polens gibt es eine Straße, die die Nummer 816 trägt. Lange Zeit fuhren auf ihr nur Pferdefuhrwerke, dann Busse und Traktoren durch Schlamm und Staub. Seit bald fünfzig Jahren ist sie geteert, aber immer noch hat sie keinen Mittelstreifen, dafür ist sie einfach zu schmal. Die größte Besonderheit der 816 jedoch ist, dass sie zwar Abzweige nach Westen kennt, aber keinen nach Osten. Denn sie führt, von Süden nach Norden, immer an der Ostgrenze Polens entlang, und auf der anderen Seite, im Osten, liegen Weißrussland und die Ukraine. Die Europäische Union aber und mit ihr Polen hat diesen Ländern den Rücken zugekehrt. Und der Grenzfluss Bug, dem die Straße über viele hundert Kilometer in all seinen Windungen folgt, unterstreicht diese Geste noch: Hier ist die Welt zu Ende.

Selbstverständlich ist sie das nicht. Es gibt nicht nur Schlupflöcher im Grenzzaun, durch die Bier und Zigaretten geschmuggelt werden, sondern auch eine gemeinsame Geschichte. Jahrhundertelang gehörten die Gebiete auf beiden Seiten der Straße zu wechselnden Reichen: der Kiewer Rus, dem Königreich Polen, dann Polen-Litauen, der Habsburger-Monarchie. Die Grenzen wanderten, die Bewohner aber blieben, wo sie waren: Polen, Deutsche, Litauer, Ukrainer, Russen und Juden bildeten einen Vielvölkerstaat, in dem Religionsfreiheit garantiert war. Erst das 20. Jahrhundert beendete die weitgehend friedliche Koexistenz. Umsiedlungen, Pogrome, Massaker, Vernichtungskrieg sowie die Deportation und Ermordung der Juden löschten die jahrhundertealte gemeinsame Kultur aus.

Auf Spuren der in einer Generation zerstörten Vergangenheit stößt der Kulturwissenschaftler und Ornithologe Michal Ksiazek auf seiner Wanderung überall: orthodoxe Kirchen, die in katholische verwandelt wurden, Friedhöfe mit kyrillisch beschrifteten Grabsteinen, das Vernichtungslager Sobibór. Ksiazek schaut "aufmerksam und langsam"; was er unter Vögeln und Insekten gelernt hat, wendet er auch auf die Menschen, ihre Behausungen und Kleidung, ihre Tätigkeiten, ihre Sprache und Sprechweisen an. "Beobachten", schreibt er, "soll man so, als sähe man zum ersten Mal im Leben."

Aber beim Beobachten bleibt Ksiazek nicht stehen. Er verbindet das Beobachtete mit der Betrachtung, das Phänomenologische mit der Reflexion. Daraus entstehen Miniaturen, die wie knappe Essays wirken, sprachlich beeindruckend und mit langer Nachwirkzeit. Und so ist seine "Wanderung durch Polen" viel mehr als das - nämlich der Versuch, die Frage zu beantworten, was es heißt, ein Mensch zu sein.

beha.

Michal Ksiazek: "Straße 816 - Eine Wanderung durch Polen". Aus dem Polnischen von Renate Schmidgall. S. Fischer, 272 Seiten, 22 Euro

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Rezensent Olaf Velte hat sich von Schriftsteller und Ornithologe Michal Ksiazeks "Wander- und Grenzbuch" gern auf den Streifzug durch das Gebiet am Fluss Bug zwischen Polen, Weißrussland und der Ukraine mitnehmen lassen. Sowohl die feine Beobachtungsgabe Ksiazeks als auch die lyrische Sprache, in die er seine Miniaturen laut Velte gekleidet hat, haben den Rezensenten tief beeindruckt. Ksiazek hat Velte die Ruinen gezeigt, die die "Straße 816" und ihre Umgebung immer noch säumen: Verfallene Häuser, das von Käfern zerfressene Gebetbuch, aber auch die blühenden Kiefern bei Sobibor, die von den dort verscharrten verbrannten Leichen zeugen. Die Natur trägt die Erinnerung an die Juden, Ukrainer und Polen, die hier einst zusammenlebten. Heute herrscht hier Stille, so Velte, dem Europa selten so fremd erschien.

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[...] erfüllt von großer Sensibilität für die Landschaft, von der es handelt [...] Tobias Lehmkuhl Süddeutsche Zeitung 20180817