StreetArt hat sich in den letzten Jahren einen festen Platz in der Kunst-Szene erobert und ist im Städtetourismus bedeutender Kulturmetropolen nicht mehr wegzudenken. Dieses Buch schließt eine Lücke für die weltoffene Kunst- und Kulturstadt Basel - bisher existierte kein Buch über die hiesigen Wandmalereien, obwohl es gerade im Dreiländereck eine Fülle besonders herausragender StreetArt- und Graffiti-Arbeiten gibt von Künstlern, die in den sozialen Netzwerken weltweit als Szene-Stars gefeiert werden. Ein nützlicher Bildband (mit Fotos von kleinen Stencils bis hin zu XXL-Murals) und Reiseführer ("Wo sind die interessantesten Hot-Spots?").
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.06.2016Bilder an der Wand
Wenn das "Spray-Ex-Team" der Stadtreinigung mit Hochdruckstrahlern und Glasmehl anrückt, ist es ratzfatz um Graffiti geschehen. Unter dem Schlachtruf "Basel - unverschmiert schön" meldeten die Fassadenputzer mehr als zehntausendmaligen Vollzug in vier Jahren. Seit den Siebzigern wird gesprayt, was das Zeug hält; Basel war früh Graffiti-Terrain. Spät aber kam die Stadt mit der "höchsten Museumsdichte Europas" und einer der weltbesten Kunstmessen auf den Trichter, dass, wer Graffiti ausnahmslos als Sachbeschädigung behandelt, eher ein Spießbürger- als ein Kunststadt-Image fördert. Zunehmend reift in Basel wie auch auf der deutschen Seite im Dreiländereck die Einsicht, dass da nicht nur Schmierer unterwegs sind, sondern auch wahre Künstler, die noch dazu tristeste Winkel und Betonwüsten gestaltend aufmuntern können. Mit nützlichen Karten bringt uns Kai Hendrik Schlusches Street-Art-Führer zu den einschlägigen Hotspots, zu den illegalen, den freigegebenen und geduldeten. Erwartungsgemäß staunt und lacht man dann fast ausnahmslos an Unorten wie Unterführungen, Hafenmauern, Lärmschutzwänden. Da wäre etwa die im Graffiti-Milieu legendäre Bahntrasse, in der internationale Szene-Stars noch immer illegal, das heißt bei Nacht und Nebel, ihre dynamischen Writings und knallbunten Characters hinterlassen - also Schriftzüge und Bilder, wie das Kapitel zu Fachjargon und Street-Art-Varianten erläutert. Bei Lörrach hingegen gab man riesige Brückenpfeiler an der A98 für Sprüher frei, die einander in rasanter Folge mit phantasievollsten Murals übertreffen. Je mehr sich die urbane Kunst aus der Vandalismus-Ecke befreit und Wege in die Legalität findet, desto größer die Zahl derer, die ihr Hobby zum Beruf machen. Auch in Basel und der Region vermarkten spezialisierte Galerien auf Leinwand gesprayte Tags und Stencils. Und in dem einzelnen Stars gewidmeten Kapitel sieht man den Urban Artist Boogie im Basler Straßenbahn-Depot ganz offiziell und in aller Ruhe Muffins und Eiscremetüten auf einen Wagon sprayen. Aber wie immer, wenn Piraten den Schritt ins Establishment tun, entsteht auch hier ein Dilemma: Ihre Domestizierung beraubt die Untergrundaktivitäten ihrer Seele. Aus der kostenlosen Kunst für alle wird Kunst, die Kapital erfordert. Zugleich büßt der Stil etwas vom Wilden und Spontanen ein, das ihm Verbot und Zeitdruck garantierten.
bsa
"StreetArt Basel & Region. Die Hot-Spots im Dreiländereck" von Kai Hendrik Schlusche. Verlag Gudberg Nerger, Hamburg 2015. 240 Seiten, zahlreiche Abbildungen. Broschiert, 19,90 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wenn das "Spray-Ex-Team" der Stadtreinigung mit Hochdruckstrahlern und Glasmehl anrückt, ist es ratzfatz um Graffiti geschehen. Unter dem Schlachtruf "Basel - unverschmiert schön" meldeten die Fassadenputzer mehr als zehntausendmaligen Vollzug in vier Jahren. Seit den Siebzigern wird gesprayt, was das Zeug hält; Basel war früh Graffiti-Terrain. Spät aber kam die Stadt mit der "höchsten Museumsdichte Europas" und einer der weltbesten Kunstmessen auf den Trichter, dass, wer Graffiti ausnahmslos als Sachbeschädigung behandelt, eher ein Spießbürger- als ein Kunststadt-Image fördert. Zunehmend reift in Basel wie auch auf der deutschen Seite im Dreiländereck die Einsicht, dass da nicht nur Schmierer unterwegs sind, sondern auch wahre Künstler, die noch dazu tristeste Winkel und Betonwüsten gestaltend aufmuntern können. Mit nützlichen Karten bringt uns Kai Hendrik Schlusches Street-Art-Führer zu den einschlägigen Hotspots, zu den illegalen, den freigegebenen und geduldeten. Erwartungsgemäß staunt und lacht man dann fast ausnahmslos an Unorten wie Unterführungen, Hafenmauern, Lärmschutzwänden. Da wäre etwa die im Graffiti-Milieu legendäre Bahntrasse, in der internationale Szene-Stars noch immer illegal, das heißt bei Nacht und Nebel, ihre dynamischen Writings und knallbunten Characters hinterlassen - also Schriftzüge und Bilder, wie das Kapitel zu Fachjargon und Street-Art-Varianten erläutert. Bei Lörrach hingegen gab man riesige Brückenpfeiler an der A98 für Sprüher frei, die einander in rasanter Folge mit phantasievollsten Murals übertreffen. Je mehr sich die urbane Kunst aus der Vandalismus-Ecke befreit und Wege in die Legalität findet, desto größer die Zahl derer, die ihr Hobby zum Beruf machen. Auch in Basel und der Region vermarkten spezialisierte Galerien auf Leinwand gesprayte Tags und Stencils. Und in dem einzelnen Stars gewidmeten Kapitel sieht man den Urban Artist Boogie im Basler Straßenbahn-Depot ganz offiziell und in aller Ruhe Muffins und Eiscremetüten auf einen Wagon sprayen. Aber wie immer, wenn Piraten den Schritt ins Establishment tun, entsteht auch hier ein Dilemma: Ihre Domestizierung beraubt die Untergrundaktivitäten ihrer Seele. Aus der kostenlosen Kunst für alle wird Kunst, die Kapital erfordert. Zugleich büßt der Stil etwas vom Wilden und Spontanen ein, das ihm Verbot und Zeitdruck garantierten.
bsa
"StreetArt Basel & Region. Die Hot-Spots im Dreiländereck" von Kai Hendrik Schlusche. Verlag Gudberg Nerger, Hamburg 2015. 240 Seiten, zahlreiche Abbildungen. Broschiert, 19,90 Euro.
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