Als Mary Shelley sich in den Sommern von 1840 und 1842 mit ihrem achtzehnjährigen Sohn Percy Florence und einigen seiner Freunde quer durch Europa auf Reisen begibt ist ihr Ziel Italien. Das Land, in dem sie jahrelang gelebt und ihren Mann sowie zwei ihrer Kinder verloren hatte. Trotz aller Trauer aber dominiert ihre Freude über die Erkundung fremder Länder in Begleitung junger Menschen. Sie kommen durch Frankreich, Belgien, Deutschland, Tschechien, Österreich, die Schweiz und schließlich nach Italien. Shelley hält ihre Abenteuer und Eindrücke akribisch fest und veröffentlicht sie 1844 - hauptsächlich stammt der Inhalt aus ihren Tagebüchern, zum Teil aber auch aus Briefen an ihre Stiefschwester Claire. Landschaften, Politik, Geschichte, Literatur, Kunst sowie Sitten und Gebräuche sind die Themen ihrer lebendigen Schilderungen. Und nie hält Shelley mit ihrer Meinung hinter dem Berg. Sie äußert - für eine Frau ihrer Zeit ungewöhnlich - politische Ansichten neben ihren sehr persönlichen Eindrücken. Ihre kenntnisreichen und erhellenden Reflexionen zeugen von einer großen Belesenheit. Mary Shelleys großartige Reiseberichte stehen ihren literarischen Werken in nichts nach.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.05.2018Aristokratische Überheblichkeit
Weltberühmt wurde Mary Shelley durch die Erfindung von "Frankenstein", bis heute geistert die Titelfigur ihrer Schauergeschichte in allen möglichen Abwandlungen durch die literarische Szene. Sonst allerdings ist die Autorin mehrerer historischer Romane, Dramen und Kurzgeschichten zumindest in Deutschland höchstens noch als unglückliche Ehefrau des Dichters Percy Bysshe Shelley bekannt. Doch es lohnt sich, einen intensiveren Blick auf eine von vielen Schicksalsschlägen getroffene und für ihre Zeit einige unkonventionelle, ja skandalöse Leidenschaften auslebende Frau zu werfen. Gelegenheit dazu bieten die "Rambles in Germany and Italy" - Reiseberichte hier in einer guten deutschen Übersetzung, wie sie im neunzehnten Jahrhundert von vielen "Gebildeten" verfasst wurden und bei einem Publikum, das von der Ferne höchstens träumen konnte, großen Anklang fanden. Zwar hat Mary Shelleys Protokoll ihrer Tour durch Deutschland und Italien nicht die Qualität von Charles Dickens' Italien-Reise, Victor Hugos Rheinfahrt oder Mark Twains Beschreibung der "Alten Welt", aber reizvoll ist es dennoch zu lesen, wie eine Dame der britischen Gesellschaft das Fremde betrachtet und verarbeitet. Unübersehbar ist, dass Mary Shelley sich manche aristokratische Überheblichkeiten erlaubt, ziemlich schnell ihre Urteile fällt und je nach Laune etwas gut oder schlecht findet - ganz nach Art einer ihrer Bedeutung bewussten Frau, die es sich erlauben kann, kapriziös bis "zickig" zu sein. Zu erkennen ist dies etwa an der sehr süffisanten Weise, italienische Lebensart zu beschreiben, oder an solch kategorischen Sätzen wie "Frankfurt ist eine saubere, luftige, aber langweilige Stadt". Dazwischen findet man durchaus scharfsinnige Beobachtungen wie auch sehr poetische Stimmungsbilder, die dieses Buch zu einem Ereignis machen - mit Gemälden aus dem neunzehnten Jahrhundert ist es darüber hinaus großartig illustriert.
tg
"Streifzüge durch Deutschland und Italien" von Mary Shelley, Band 1. Corso Verlag, Wiesbaden 2017. 254 Seiten, zahlreiche farbige Illustrationen. Gebunden, 24 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Weltberühmt wurde Mary Shelley durch die Erfindung von "Frankenstein", bis heute geistert die Titelfigur ihrer Schauergeschichte in allen möglichen Abwandlungen durch die literarische Szene. Sonst allerdings ist die Autorin mehrerer historischer Romane, Dramen und Kurzgeschichten zumindest in Deutschland höchstens noch als unglückliche Ehefrau des Dichters Percy Bysshe Shelley bekannt. Doch es lohnt sich, einen intensiveren Blick auf eine von vielen Schicksalsschlägen getroffene und für ihre Zeit einige unkonventionelle, ja skandalöse Leidenschaften auslebende Frau zu werfen. Gelegenheit dazu bieten die "Rambles in Germany and Italy" - Reiseberichte hier in einer guten deutschen Übersetzung, wie sie im neunzehnten Jahrhundert von vielen "Gebildeten" verfasst wurden und bei einem Publikum, das von der Ferne höchstens träumen konnte, großen Anklang fanden. Zwar hat Mary Shelleys Protokoll ihrer Tour durch Deutschland und Italien nicht die Qualität von Charles Dickens' Italien-Reise, Victor Hugos Rheinfahrt oder Mark Twains Beschreibung der "Alten Welt", aber reizvoll ist es dennoch zu lesen, wie eine Dame der britischen Gesellschaft das Fremde betrachtet und verarbeitet. Unübersehbar ist, dass Mary Shelley sich manche aristokratische Überheblichkeiten erlaubt, ziemlich schnell ihre Urteile fällt und je nach Laune etwas gut oder schlecht findet - ganz nach Art einer ihrer Bedeutung bewussten Frau, die es sich erlauben kann, kapriziös bis "zickig" zu sein. Zu erkennen ist dies etwa an der sehr süffisanten Weise, italienische Lebensart zu beschreiben, oder an solch kategorischen Sätzen wie "Frankfurt ist eine saubere, luftige, aber langweilige Stadt". Dazwischen findet man durchaus scharfsinnige Beobachtungen wie auch sehr poetische Stimmungsbilder, die dieses Buch zu einem Ereignis machen - mit Gemälden aus dem neunzehnten Jahrhundert ist es darüber hinaus großartig illustriert.
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"Streifzüge durch Deutschland und Italien" von Mary Shelley, Band 1. Corso Verlag, Wiesbaden 2017. 254 Seiten, zahlreiche farbige Illustrationen. Gebunden, 24 Euro.
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