Die unternehmerischen Risiken sind in den letzten Jahren stetig gewachsen. Mehr Volatilität an den Finanzmärkten. Mehr Digitalität als Bedrohung etablierter Wettbewerbsvorteile. Eine ultimative Belastungsprobe für Wirtschaft und Gesellschaft ist aber die Corona-Pandemie. Herkömmliche Managementansätze versagen. Unsicherheitskompetenz ist die Schlüsselressource schlechthin. Was bedeutet das für Führungskräfte? Klaus Schweinsberg stellt in diesem Buch dar, worauf es ankommt, wenn es wirklich kritisch wird.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.11.2020Klug im Trüben fischen
Was Führungskräfte von Notärzten lernen können
Die mit der Corona-Krise verbundene Ungewissheit in der Wirtschaft hat den ehemaligen Journalisten und heutigen Hochschullehrer und Manager-Ratgeber veranlasst, eine Neuauflage seiner vor sechs Jahren unter dem Titel "Anständig führen" erschienenen Schrift (F.A.Z. vom 9. März 2015) vorzulegen. Der Leser wird mit einem klug gewählten Zitat von Albert Camus empfangen: "Es hat auf der Welt genauso viele Pestepidemien gegeben wie Kriege. Und doch treffen Pest und Krieg die Menschen immer unvorbereitet." In der Tat: Unsere Spitzenmanager waren auf die Pandemie nicht vorbereitet und befinden sich in einem noch nie dagewesenen Stresstest. Der Autor führt dies augenzwinkernd auf das schon seit der Jahrtausendwende grassierende "Continuous-Reluctance-of-Noting-Alerts-Syndrom" zurück: Frühe Warnsignale seien unbeachtet geblieben. Im Jahre 2020 seien Gesundheitskrise, Konjunkturkrise, Strukturkrise und auch Sinnkrise zusammengekommen. Daher gebe es heute kaum Planbarkeit und Berechenbarkeit. Der Eckstein der gängigen Managementkonzeptionen sei zerbrochen. Dennoch - und damit macht der Autor doch ein wenig Hoffnung - gebe es statt Planbarkeit heute in großem Maße Gestaltbarkeit für engagierte Unternehmerpersönlichkeiten. Sie müssten jedoch vor allem über eines verfügen: Ungewissheitskompetenz. Dieser etwas sperrige Begriff steht für die Fähigkeit, trotz unvollständiger Information beherzt und schnell zu entscheiden und dabei aus Fehlern rasch zu lernen. Diese Kompetenz sei der entscheidende Erfolgsfaktor in der militärischen Führung, aber auch in der Notfallmedizin. Hiervon könnten Manager vieles übernehmen. Die Entwicklung der Fähigkeit, sich im Nebel der Ungewissheit zu bewegen, gehöre ganz nach oben auf die Management-Agenda 2020. Um die Krise zu bestehen, müssten Manager den Mitarbeitern ihre Absichten und Ziele klar und einfach kommunizieren, um sie als Gestalter neuer Geschäftsmodelle mitzunehmen. Vertrauen und Engagement könnten Manager nur gewinnen, wenn sie die Erfolgsfaktoren einer anständigen Führung verinnerlichten.
Das handliche Buch ist kurzweilig und anregend für seine Zielgruppe geschrieben. Dennoch ist es keine Blaupause für den Erwerb von Ungewissheitskompetenz. Es bietet Managern aber reichlich Anregungen für eine Neujustierung ihres Führungsverhaltens in einer möglicherweise noch länger andauernden Krise.
ROBERT FIETEN
Klaus Schweinsberg: Stresstest 2020. Welches Management funktioniert. Und warum. Herder, Freiburg, Basel, Wien 2020, 207 Seiten, 19 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Was Führungskräfte von Notärzten lernen können
Die mit der Corona-Krise verbundene Ungewissheit in der Wirtschaft hat den ehemaligen Journalisten und heutigen Hochschullehrer und Manager-Ratgeber veranlasst, eine Neuauflage seiner vor sechs Jahren unter dem Titel "Anständig führen" erschienenen Schrift (F.A.Z. vom 9. März 2015) vorzulegen. Der Leser wird mit einem klug gewählten Zitat von Albert Camus empfangen: "Es hat auf der Welt genauso viele Pestepidemien gegeben wie Kriege. Und doch treffen Pest und Krieg die Menschen immer unvorbereitet." In der Tat: Unsere Spitzenmanager waren auf die Pandemie nicht vorbereitet und befinden sich in einem noch nie dagewesenen Stresstest. Der Autor führt dies augenzwinkernd auf das schon seit der Jahrtausendwende grassierende "Continuous-Reluctance-of-Noting-Alerts-Syndrom" zurück: Frühe Warnsignale seien unbeachtet geblieben. Im Jahre 2020 seien Gesundheitskrise, Konjunkturkrise, Strukturkrise und auch Sinnkrise zusammengekommen. Daher gebe es heute kaum Planbarkeit und Berechenbarkeit. Der Eckstein der gängigen Managementkonzeptionen sei zerbrochen. Dennoch - und damit macht der Autor doch ein wenig Hoffnung - gebe es statt Planbarkeit heute in großem Maße Gestaltbarkeit für engagierte Unternehmerpersönlichkeiten. Sie müssten jedoch vor allem über eines verfügen: Ungewissheitskompetenz. Dieser etwas sperrige Begriff steht für die Fähigkeit, trotz unvollständiger Information beherzt und schnell zu entscheiden und dabei aus Fehlern rasch zu lernen. Diese Kompetenz sei der entscheidende Erfolgsfaktor in der militärischen Führung, aber auch in der Notfallmedizin. Hiervon könnten Manager vieles übernehmen. Die Entwicklung der Fähigkeit, sich im Nebel der Ungewissheit zu bewegen, gehöre ganz nach oben auf die Management-Agenda 2020. Um die Krise zu bestehen, müssten Manager den Mitarbeitern ihre Absichten und Ziele klar und einfach kommunizieren, um sie als Gestalter neuer Geschäftsmodelle mitzunehmen. Vertrauen und Engagement könnten Manager nur gewinnen, wenn sie die Erfolgsfaktoren einer anständigen Führung verinnerlichten.
Das handliche Buch ist kurzweilig und anregend für seine Zielgruppe geschrieben. Dennoch ist es keine Blaupause für den Erwerb von Ungewissheitskompetenz. Es bietet Managern aber reichlich Anregungen für eine Neujustierung ihres Führungsverhaltens in einer möglicherweise noch länger andauernden Krise.
ROBERT FIETEN
Klaus Schweinsberg: Stresstest 2020. Welches Management funktioniert. Und warum. Herder, Freiburg, Basel, Wien 2020, 207 Seiten, 19 Euro.
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