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Lang entwickelt das Konzept einer strukturalen Psychoanalyse. In den hier versammelten Studien stellt der Autor Überlegungen zum wissenschaftlichen Standpunkt der Psychoanalyse an, untersucht zentrale Begriffe wie das Konzept des Subjekts, der Identität, der Geschichtlichkeit, des Unbewußten, der Abwehr. Im Begriff der »strukturalen Triade« wird der Ödipuskomplex neu geortet und die Konzeption des »Vaters« bei Freud diskutiert. Phänomene wie Fremdenfeindlichkeit und Gewalt erfahren eine struktural-analytische Interpretation ebenso wie die Psychologie und Philosophie Nietzsches. Der zweite -…mehr

Produktbeschreibung
Lang entwickelt das Konzept einer strukturalen Psychoanalyse. In den hier versammelten Studien stellt der Autor Überlegungen zum wissenschaftlichen Standpunkt der Psychoanalyse an, untersucht zentrale Begriffe wie das Konzept des Subjekts, der Identität, der Geschichtlichkeit, des Unbewußten, der Abwehr. Im Begriff der »strukturalen Triade« wird der Ödipuskomplex neu geortet und die Konzeption des »Vaters« bei Freud diskutiert. Phänomene wie Fremdenfeindlichkeit und Gewalt erfahren eine struktural-analytische Interpretation ebenso wie die Psychologie und Philosophie Nietzsches. Der zweite - klinische - Teil erörtert zunächst sprachliche Bedingungen psychischer Erkrankung, um dann im Lichte des struktural-analytischen Ansatzes Neurose - insbesondere Zwang, Angst und Depression -, Psychosomatose und Psychose zu thematisieren. »Halluzination« und »Wahn«, zentrale Phänomene psychotischer Erkrankung, werden dabei besonders behandelt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.05.2000

Können Sie den Schmerz verstehen?
Grenzen der Hermeneutik: Hermann Lang vermittelt zwischen Lacan und Gadamer

Siebenundzwanzig Jahre nach Hermann Langs Monographie über die psychoanalytische Theorie Jacques Lacans (Die Sprache und das Unbewusste) hat der Suhrkamp Verlag jetzt zwei Aufsatzsammlungen des Würzburger Psychiaters und Psychoanalytikers veröffentlicht. Das methodologische und disziplinäre "Cross-over" der Doktorarbeit von 1973, durch das Lang den kapriziösen Stil des Pariser Strukturalisten Lacan mit der philosophischen Langmut gadamerscher Hermeneutik zu synchronisieren verstand, war damals auch Ausdruck seiner zweifachen institutionellen Verankerung: Über Jahre arbeitete Lang bei Lacan in Paris, von Gadamer wurde er in Heidelberg promoviert. Auch heute hält Lang einem lacanianisch angeeigneten Freud die Treue, er verschreibt sich der Interdisziplinarität auch auf der Ebene psychotherapeutischer Methoden.

Neben psychoanalytischen Erklärungsmustern zieht Hermann Lang systematisch Einsichten aus anderen Disziplinen heran: aus der medizinischen Anthropologie, der systemischen Familientherapie, Motive aus dem Umkreis der Daseinsanalyse. Und sogar verhaltenstherapeutische Gesichtspunkte zur Interpretation pathologischer Phänomene sind Lang nicht fremd.

Dieser Methodenpluralismus erlaubt ihm, die Realität, die sich hinter geschlossenen theoretischen Weltbildern abzeichnet, oftmals als identische wahrzunehmen. Die Problematik vererbter Schuld oder besser: der unbewussten Übertragung von Schuldgefühlen an die nachfolgende Generation, die Lacan in seiner Interpretation des "Rattenmanns" den "Individualmythos des Neurotikers" nannte, kennt die psychiatrische Familienforschung Lang zufolge unter dem Namen der "Delegation".

Wie der von Freud analysierte Zwangsneurotiker verwende der "Delegierte" fast seine gesamte Energie für den Versuch, Konflikte auszugleichen, "die seine Eltern ihm heimlich untergeschoben haben". Erst durch Lacans Entdeckung, dass das Unbewusste gleich einer Sprache gebildet ist, kann nach Ansicht Langs genauer bestimmt werden, wie eine solche "Vererbung" von Konflikten funktioniere, nämlich als unbewusste Verarbeitung rätselhafter Botschaften.

Die Plausibilität psychoanalytischer Ätiologien hängt aber grundsätzlich davon ab, ob man die psychoanalytische Konzeption von Gefühlen akzeptiert. Gefühle sind für Psychoanalytiker kein reines Naturprodukt. Sie tragen stets Spuren der Biographie dessen, der sie erlebt. Und weil ihre Ursprünge oft nicht nur Außenstehenden verborgen bleiben, muss jede Gefühls-Deutung aufs engste mit der Theorie des Unbewussten verknüpft sein.

Hier ist nun, worauf Hermann Lang in mehreren Artikeln hinweist, ein Unterschied zwischen Freud und Lacan festzustellen. Lacan ergreift eindeutig Partei für eines der beiden Modelle, die der Erfinder der Psychoanalyse vom Unbewussten oder wie es später heißt: vom "Es" entworfen hat. Ganz im Sinne Lacans verwirft auch Lang das so genannte "Strukturmodell" Freuds, in dem das "Es" als "brodelnder Kessel ungezügelter Triebregungen", mithin als reines Chaos, vorgestellt wird. Er bekennt sich zur symbolischen Ordnung des lacanschen Unbewussten, an deren "Superrationalismus" er den Einfluss des Systemdenkens von Hegel und Lévi-Strauss abliest.

Wer zum Zweck einer strukturalen Trockenlegung des "brodelnden Es" auf die Patenschaft Freuds nicht verzichten möchte, der beruft sich gewöhnlich auf die "Rhetorik des Unbewussten", die Freud in seiner "Traumdeutung" nachzeichnete. Auch Lang beantwortet deshalb die Frage, ob Freud ein Strukturalist gewesen sei, im Hinblick auf die "Traumdeutung" mit einem augenzwinkernden "Ja".

Mag es vielleicht gute Gründe geben, Freud in die Ahnengalerie des Strukturalismus einzureihen, so sollte man dem Versuch, Lacan als latenten Hermeneutiker zu etikettieren, mit Misstrauen begegnen. Nicht nur Analytiker in der (kritischen) Nachfolge Lacans wie beispielsweise Jean Laplanche haben sich vehement gegen eine hermeneutische Vereinnahmung der Psychoanalyse gewehrt. Auch Lacan hat seinen Standpunkt an vielen Stellen explizit als "antihermeneutisch" bezeichnet. Selbst wenn sich die Wahrheit einer Theorie möglicherweise nicht als diejenige erweist, die ihr Urheber anvisierte, so müsste Hermann Lang zur Verteidigung dieser heute noch provokanten These schwereres argumentatives Geschütz auffahren.

Aus dem hochherzigen psychoanalytisch-philosophischen Vermittlungsprojekt "Die Sprache und das Unbewusste" ist vielleicht nur eine genuin philosophische Erkenntnis in das neue Textkorpus eingeflossen: Versteht man das Unbewusste im Sinne von Lacan und Lévi-Strauss als symbolische Funktion, so avanciert es seiner Universalität wegen zur "Bedingung der Möglichkeit von Kommunikation".

Doch ist durch diese Erkenntnis längst noch kein Urteil über den Letztbegründungsanspruch der Hermeneutik ergangen. Gerade die Grenzen der Analysierbarkeit von Psychotikern, die auszuloten und nach Kräften zu verschieben Lacans großes Verdienst war, sollten das Vertrauen in die Einheitlichkeit hermeneutischen Sinns erschüttern. Im Gegensatz zum Unbewussten des Neurotikers ist für Lacan das Unbewusste des Psychotikers, wie Lang selbst sehr anschaulich darlegt, nicht verdrängt, sondern verworfen. Die in frühester Kindheit abgespaltenen Realitätszeichen ("Signifikanten") können deshalb niemals durch eine psychoanalytische Mäeutik ins Gedächtnis zurückgerufen werden. Sie führen in Form von Halluzinationen und Wahnvorstellung ein eigenes Leben im Leben des Psychotikers, das für beide - Analytiker und Patient - in keinem nachvollziehbaren Sinn zu verstehen oder zu integrieren, eben bestenfalls zu analysieren ist.

Verschiedene Lesergruppen sind, wie Gadamer in einem kurzen Geleitwort zur "Strukturalen Psychoanalyse" schreibt, für die Wiederveröffentlichung einzelner Arbeiten sicherlich dankbar. Doch eine Lesergruppe, die diesen oder den anderen Band gerne von Anfang bis Ende durchliest, wird sich kaum finden lassen - viel zu uneinheitlich sind die Anforderungen an das Vorwissen.

Weit störender als die Niveauschwankungen sind aber die Wiederholungen. Wiederholt werden nicht nur dieselben klinischen Fälle zur Illustration unterschiedlicher Problemstellungen herangezogen; satz-, absatz- und seitenweise wiederholen sich sowohl die Fallbeispiele als auch die theoretischen Ausführungen und Schlussfolgerungen wortwörtlich. Das ist ärgerlich - hat man doch ständig das Gefühl, dem Autor beim Schreiben in die Karteikarten gucken zu können.

BETTINA ENGELS

Hermann Lang: "Das Gespräch als Therapie". Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1999. 269 S., br., 19,80 DM.

Hermann Lang: "Strukturale Psychoanalyse". Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1999. 349 S., br., 24,80 DM.

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Andreas Cremonini rezensiert zwei Bände mit Aufsätzen des Psychoanalytikers und Philosophen Hermann Lang, der 1973 mit dem Buch "Die Sprache und das Unbewußte. Jacques Lacans Grundlegung der Psychoanalyse" bekannt geworden ist. Hans-Georg Gadamer hat den beiden nun vorliegenden Büchern seineseinstigen Schü