Yorkshire, 1801: Als der neu zugezogene Mr. Lockwood seinem Mietsherrn Heathcliff einen ersten Besuch abstattet, wird er von diesem und dessen seltsamen Mitbewohner:innen der Wuthering Heights, der Sturmhöhe, nicht gerade freundlich empfangen. Doch wieso lebt dieser Heathcliff überhaupt zusammen mit
dem jungen Hareton, der nicht sein Sohn ist? Als Lockwood sich von einer Krankheit erholen muss,…mehrYorkshire, 1801: Als der neu zugezogene Mr. Lockwood seinem Mietsherrn Heathcliff einen ersten Besuch abstattet, wird er von diesem und dessen seltsamen Mitbewohner:innen der Wuthering Heights, der Sturmhöhe, nicht gerade freundlich empfangen. Doch wieso lebt dieser Heathcliff überhaupt zusammen mit dem jungen Hareton, der nicht sein Sohn ist? Als Lockwood sich von einer Krankheit erholen muss, erzählt ihm seine Haushälterin Nelly Dean die ganze unglaubliche Geschichte - und blickt dafür fast 40 Jahre zurück auf die Familie Earnshaw, deren beschauliches Leben durch die Aufnahme des Findelkinds Heathcliff eine dramatische Wendung erfuhr.
Vor etwa einem Jahr startete der Penguin Verlag mit seiner "Penguin Edition" eine neue Klassiker-Reihe im Taschenbuchformat, in der populäre Werke der Weltliteratur in knallbuntem Design "Farbe ins Bücherregal" bringen sollten. In knalligem Rot ist nun Emily Brontës einziger Roman "Sturmhöhe" (Übersetzung: Siegfried Lang) erschienen und selten wirkte eine Farbwahl so angemessen wie in diesem Fall. Denn "Sturmhöhe" ist ein gewaltiger Ritt auf der Klaviatur aller menschlicher Emotionen. Und nicht nur Protagonist Heathcliff sieht auf seinem Rachefeldzug mehr als einmal Rot. Die Ausgabe verzichtet auf den Abdruck des in anderen Editionen üblichen Stammbaums, was Vor- und Nachteil zugleich ist. Zum einen sind die teilweise sehr ähnlichen Namen und Verwandtschaftsverhältnisse so komplex, dass man ohne den Stammbaum doch häufiger durcheinander gerät. Zum anderen nimmt der Stammbaum durch bestimmte Geburts-, Hochzeits- und Todesdaten auch einiges vorweg, wodurch der Überraschungseffekt etwas verpuffen würde.
Zunächst einmal ist es Emily Brontës Sprache, die auffallend schön ist und die Leser:innen unmittelbar teilhaben lässt an den Empfindungen Lockwoods, als dieser sich erstmals der rauen Landschaft der Heights nähert und auf eine unwirtliche Mischung aus Mooren, Heide und einem stetig wehenden Wind trifft. Die schillernden Naturbeschreibungen und die Einsamkeit des Anwesens lassen ihn beglückt ausrufen: "Der wahre Himmel für einen Menschenfeind!" Dass sich dieser für die Beteiligten als wahre Hölle entpuppt, kann er zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal ahnen.
Äußerst gelungen ist auch die komplexe Erzählstruktur, die beim Erscheinen des Romans im Jahre 1847 - und damit einem Jahr vor Emily Brontës viel zu frühem Tod - als revolutionär galt. So erfahren wir es im informativen Nachwort von Susanne Ostwald. Das Besondere daran ist, dass sich Brontë hauptsächlich auf zwei unterschiedliche Erzählstimmen verlässt: Lockwood in der Rahmenhandlung und eben Nelly Dean in den Rückblicken. Beide schildern völlig subjektiv ihre Eindrücke und man muss ihnen als Leser:in vertrauen, um das ganze Drama für bare Münze zu nehmen. Vor allem mit Lockwood geht die Leserschaft eine Art Symbiose ein, denn wenn dieser den Heights und ihren Bewohner:innen am Ende des Romans einen weiteren Besuch abstattet, sieht er die Figuren eben mit genau denselben Augen wie die Leser:innen. Ein äußerst gelungener Schachzug der Autorin, die in weiteren Verschachtelungen der Erzählstruktur ihr großes Können beweist, indem sie beispielsweise Briefe oder Zitate der handelnden Figuren geschickt in die Erzählungen Nellys einwebt und dadurch für Abwechslung, Spannung und eine permanente Aufmerksamkeit der Leser:innen sorgt.
Ein weiterer Pluspunkt sind die äußerst komplexen und ambivalenten Figuren. So gibt es wohl keinen der Charaktere, der durch sein Fehlverhalten nicht den Zorn der anderen Figuren und der Leser:innen auf sich zieht. Andererseits gelingt es Brontë, dass man dafür Verständnis zeigt, dass man mit den Figuren leidet und sie nicht permanent verurteilt - wie schlimm ihr Verhalten auch sein mag. In dieser Hinsicht sticht besonders Heathcliff hervor, und es ist umso bemerkenswerter, dass Emily Brontë ausgerechnet ihn zum Fixpunkt ihres Romans macht. Heathcliff ist ein klassischer Bösewicht, ein Antiheld ersten Grades, ein