Der verzweifelte Kampf einer isländischen Fischercrew gegen die Kräfte der Natur.
Winter 1959, ein isländischer Trawler liegt vor Neufundland auf stiller See. Zweiunddreißig Mann sind an Bord, das Wetter ausgezeichnet. Keiner ahnt, dass die Harmonie innerhalb von Minuten in ein monströses, traumatisches Szenario umschlagen wird: Ein Sturm kommt auf, das schwere Schiff ist plötzlich von Eis überzogen, droht zu bersten und in den unbändigen Wellen zu versinken. Notrufe anderer Schiffe laufen ins Nichts, niemand scheint eine Chance zu haben. Es ist ein erbitterter Kampf um Leben und Tod.
Der verzweifelte Kampf einer isländischen Fischercrew gegen die Kräfte der Natur. Nach einer wahren Begebenheit - übersetzt von Bestsellerautor Kristof Magnusson.»Kárason ist einer der großen nordischen Autoren, ein isländischer Erskine Caldwell oder William Faulkner.« (Boken)Bestes fremdsprachiges Buch 2020 der Sunday Times.»Ein packender Roman, der das Meer und die unversöhnlichen Elemente genauso fesselnd beschreibt wie die gefangene Besatzung, die unablässig gegen die unerbittliche Natur ankämpft.« (Financial Times)
Winter 1959, ein isländischer Trawler liegt vor Neufundland auf stiller See. Zweiunddreißig Mann sind an Bord, das Wetter ausgezeichnet. Keiner ahnt, dass die Harmonie innerhalb von Minuten in ein monströses, traumatisches Szenario umschlagen wird: Ein Sturm kommt auf, das schwere Schiff ist plötzlich von Eis überzogen, droht zu bersten und in den unbändigen Wellen zu versinken. Notrufe anderer Schiffe laufen ins Nichts, niemand scheint eine Chance zu haben. Es ist ein erbitterter Kampf um Leben und Tod.
Der verzweifelte Kampf einer isländischen Fischercrew gegen die Kräfte der Natur. Nach einer wahren Begebenheit - übersetzt von Bestsellerautor Kristof Magnusson.»Kárason ist einer der großen nordischen Autoren, ein isländischer Erskine Caldwell oder William Faulkner.« (Boken)Bestes fremdsprachiges Buch 2020 der Sunday Times.»Ein packender Roman, der das Meer und die unversöhnlichen Elemente genauso fesselnd beschreibt wie die gefangene Besatzung, die unablässig gegen die unerbittliche Natur ankämpft.« (Financial Times)
»Ein packender Roman, der das Meer und die unversöhnlichen Elemente genauso fesselnd beschreibt wie die gefangene Besatzung, die unablässig gegen die unerbittliche Natur ankämpft.« Financial Times
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.01.2022Fischer im Unwetter
Frostig: Einar Kárasons Roman "Sturmvögel"
Stürme gehören seit jeher zur Literatur und erst recht zu dem, was man sich mit ernster Stimme in Island erzählt, dem Land der Fischer. "Die Seefahrt", raunt Einar Kárason in seinem historischen Roman "Sturmvögel", "war in Island so gefährlich wie in anderen Ländern das Soldatenleben in Kriegszeiten." Die Mutter von Lárus, eines achtzehnjährigen Jünglings, der sich im Februar 1959 an Bord des Trawlers Mávur befindet, habe bereits den Tod von drei Verwandten im Meer verkraften müssen. Und allein das historisch bezeugte Unwetter, von dem "Sturmvögel" handelt - ausschließlich handelt, sollte man betonen, denn mit Ausnahme kurzer Rückblenden, in denen Lárus und ein lebensmüder "Bootsmann" die Mávur besteigen, schüttelt das Buch uns durch -, kostete mehr als zweihundert Seeleute das Leben.
Gehören zu ihnen auch die Männer der Mávur, 1200 Seemeilen südwestlich von Island? Das ist die Frage. Wobei die Gestalten nicht richtig zu fassen sind. Kárason hat seine Helden einfach nur nach ihren Funktionen wie "Kapitän", "Steuermann" oder "Funker" benannt, selbst der Name des unerfahrenen Lárus, die einzige Ausnahme, spielt hier auf eine Gattung von Möwen an, und "Möwe" ist die Übersetzung von "Mávur".
Auf diesem Wege hält der schmale, nach Abschluss von Kárasons umfangreicher Isländer-Saga "Die Sturlungen" geschriebene Roman respektvoll Abstand zu den wahren Geschichten, von denen er inspiriert wurde; die erfundenen Personen können stellvertretend für alle stehen, die auf den Meeren ihre Arbeit verrichteten, und der Kunstgriff ergibt obendrein einen leicht archaischen, melancholischen Ton. Den Gewalten, die den Atlantik beherrschen, bedeutet ein Menschlein nicht viel. Fischer sind Vögel, sind Fische, alles ist eins.
Für ein gutes Ende des Dramas an der Neufundlandbank spricht die Erzählperspektive: Der Icherzähler muss den Sturm überlebt haben. Diese Gewissheit verliert sich jedoch, weil er ein passiver Beobachter ist, der sich über seine Rolle an Bord bis kurz vor Schluss ausschweigt und an seine Anwesenheit selten erinnert.
Und erst recht die Umstände, in denen sich die Mávur befindet, geben wenig Anlass zu Hoffnung. Das Schiff ist von Eis wie mit Glas überzogen, eine "massive, bizarr geformte Skulptur aus Kristallglas". Mit jeder Welle, jedem Brecher ergießt sich neues Wasser über das Deck, das bei den lausigen Temperaturen augenblicklich gefriert und an einigen Stellen des Schiffes, den Pfeilern und Winden, riesige Klumpen geformt hat. Immer wieder müssen die Fischer hinaus, ein lebensgefährliches Rutschen und Hangeln. Sie bekämpfen das Eis bei heftigstem Seegang mit Äxten und Stangen und purer Gewalt.
Ohne Erfolg. Bald sind die beiden Rettungsboote derart vereist, dass ihr Gewicht das Boot in Seitenlage noch tiefer hinunterdrückt als ohnehin. Die Fenster der Brücke sind weiß oder zersplittert. Und der Sturm aus Nordnordwest, der bereits andere Schiffe auf den Meeresgrund zog, nimmt kein Ende. Die Männer hatten bereits vorher, als sie "tonnenweise Rotbarsch aus dem Meer holten, manchmal von ihm gestochen wurden und Wunden davontrugen, die sich nicht selten entzündeten", die Grenzen ihrer Kräfte erreicht. Sie können sich trotz des Essens, das der Schiffskoch in rauen Mengen zubereitet, kaum mehr auf den Beinen halten, und hoffen inständig, dass der Dieselmotor durchhält.
Das Reizvolle an "Sturmvögel" ist nicht bloß die schlichte Handlung, die augenblicklich in medias res geht, auf den Überlebenskampf der Fischer beschränkt bleibt und ohne intellektuelle Schnörkel auskommt (nur für die Bedeutung von Büchern auf See ist natürlich Zeit) - es ist Kárasons Blick fürs Detail, von der Zigarette, die bei Sturm angezündet werden will, über die vielen Handgriffe an Deck bis zu dem heißen Ofenrohr, das neben der einzigen intakten Toilette entlangführt. Man nimmt die Erzählung wie in Zeitlupe wahr, und doch geht es atemlos von einer Welle in die nächste. Ein Roman wie ein scharfes Glas Brennivin: ein kleiner Kurzer für zwischendurch. MATTHIAS HANNEMANN
Einar Kárason: "Sturmvögel". Roman.
Aus dem Isländischen von Kristof Magnusson. Btb Verlag, München 2021. 142 S., geb., 18,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Frostig: Einar Kárasons Roman "Sturmvögel"
Stürme gehören seit jeher zur Literatur und erst recht zu dem, was man sich mit ernster Stimme in Island erzählt, dem Land der Fischer. "Die Seefahrt", raunt Einar Kárason in seinem historischen Roman "Sturmvögel", "war in Island so gefährlich wie in anderen Ländern das Soldatenleben in Kriegszeiten." Die Mutter von Lárus, eines achtzehnjährigen Jünglings, der sich im Februar 1959 an Bord des Trawlers Mávur befindet, habe bereits den Tod von drei Verwandten im Meer verkraften müssen. Und allein das historisch bezeugte Unwetter, von dem "Sturmvögel" handelt - ausschließlich handelt, sollte man betonen, denn mit Ausnahme kurzer Rückblenden, in denen Lárus und ein lebensmüder "Bootsmann" die Mávur besteigen, schüttelt das Buch uns durch -, kostete mehr als zweihundert Seeleute das Leben.
Gehören zu ihnen auch die Männer der Mávur, 1200 Seemeilen südwestlich von Island? Das ist die Frage. Wobei die Gestalten nicht richtig zu fassen sind. Kárason hat seine Helden einfach nur nach ihren Funktionen wie "Kapitän", "Steuermann" oder "Funker" benannt, selbst der Name des unerfahrenen Lárus, die einzige Ausnahme, spielt hier auf eine Gattung von Möwen an, und "Möwe" ist die Übersetzung von "Mávur".
Auf diesem Wege hält der schmale, nach Abschluss von Kárasons umfangreicher Isländer-Saga "Die Sturlungen" geschriebene Roman respektvoll Abstand zu den wahren Geschichten, von denen er inspiriert wurde; die erfundenen Personen können stellvertretend für alle stehen, die auf den Meeren ihre Arbeit verrichteten, und der Kunstgriff ergibt obendrein einen leicht archaischen, melancholischen Ton. Den Gewalten, die den Atlantik beherrschen, bedeutet ein Menschlein nicht viel. Fischer sind Vögel, sind Fische, alles ist eins.
Für ein gutes Ende des Dramas an der Neufundlandbank spricht die Erzählperspektive: Der Icherzähler muss den Sturm überlebt haben. Diese Gewissheit verliert sich jedoch, weil er ein passiver Beobachter ist, der sich über seine Rolle an Bord bis kurz vor Schluss ausschweigt und an seine Anwesenheit selten erinnert.
Und erst recht die Umstände, in denen sich die Mávur befindet, geben wenig Anlass zu Hoffnung. Das Schiff ist von Eis wie mit Glas überzogen, eine "massive, bizarr geformte Skulptur aus Kristallglas". Mit jeder Welle, jedem Brecher ergießt sich neues Wasser über das Deck, das bei den lausigen Temperaturen augenblicklich gefriert und an einigen Stellen des Schiffes, den Pfeilern und Winden, riesige Klumpen geformt hat. Immer wieder müssen die Fischer hinaus, ein lebensgefährliches Rutschen und Hangeln. Sie bekämpfen das Eis bei heftigstem Seegang mit Äxten und Stangen und purer Gewalt.
Ohne Erfolg. Bald sind die beiden Rettungsboote derart vereist, dass ihr Gewicht das Boot in Seitenlage noch tiefer hinunterdrückt als ohnehin. Die Fenster der Brücke sind weiß oder zersplittert. Und der Sturm aus Nordnordwest, der bereits andere Schiffe auf den Meeresgrund zog, nimmt kein Ende. Die Männer hatten bereits vorher, als sie "tonnenweise Rotbarsch aus dem Meer holten, manchmal von ihm gestochen wurden und Wunden davontrugen, die sich nicht selten entzündeten", die Grenzen ihrer Kräfte erreicht. Sie können sich trotz des Essens, das der Schiffskoch in rauen Mengen zubereitet, kaum mehr auf den Beinen halten, und hoffen inständig, dass der Dieselmotor durchhält.
Das Reizvolle an "Sturmvögel" ist nicht bloß die schlichte Handlung, die augenblicklich in medias res geht, auf den Überlebenskampf der Fischer beschränkt bleibt und ohne intellektuelle Schnörkel auskommt (nur für die Bedeutung von Büchern auf See ist natürlich Zeit) - es ist Kárasons Blick fürs Detail, von der Zigarette, die bei Sturm angezündet werden will, über die vielen Handgriffe an Deck bis zu dem heißen Ofenrohr, das neben der einzigen intakten Toilette entlangführt. Man nimmt die Erzählung wie in Zeitlupe wahr, und doch geht es atemlos von einer Welle in die nächste. Ein Roman wie ein scharfes Glas Brennivin: ein kleiner Kurzer für zwischendurch. MATTHIAS HANNEMANN
Einar Kárason: "Sturmvögel". Roman.
Aus dem Isländischen von Kristof Magnusson. Btb Verlag, München 2021. 142 S., geb., 18,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Voll Spannung liest Rezensent Rudolf von Bitter diesen Roman des isländischen Autors Einar Kárason. Er erzählt von einer Gruppe Seemännern, die 1959 einem tagelangen Unwetter ausgesetzt sind und ums Überleben kämpfen. Vor dieser "existenziellen Grenzsituation" heraus liest sich der Rezensent durch eine Geschichte über Männerzusammenhalt, Solidarität und die Arbeitsbedingungen der isländischen Gesellschaft. Aber auch wie Karason die stürmische See beschreibt, geht dem Rezensenten unter die Haut.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 03.02.2022Die mit den Stürmen kämpfen
Einar Kárason erzählt von einer Bootsbesatzung in der entfesselten Natur
Seenot im Wintersturm. Mit ihrer Ladung von 400 Tonnen frisch gefangenem Fisch liegt die Mávur, ein solider Fischtrawler von 700 Tonnen, tief im Wasser. Eine Polarfront bringt schwere See und eisige Temperaturen. Der Schiffsbug senkt sich in die Wellentäler, und 18 Meter hohe Brecher fallen mit der Wucht von Lawinen aufs Deck. Das auftreffende Wasser fließt nicht ganz ab, es bleibt eine anwachsende Eisschicht auf den Ankerwinden, den Kränen, Netzen, Körben, Wannen, dem Angelgerät. Das Gewicht des Eises drückt das Schiff weiter nach unten und lähmt es. Wenn es sich unter dem Druck einer Welle zur Seite geneigt hat, braucht es lange, bis es sich wieder aufrichtet, sodass die nächste Welle schon den Untergang bedeuten kann.
Das Eis bildet „massive, bizarr geformte Skulpturen wie aus Kristallglas“, hart, schwer, aber immerhin spröde, sodass man es mit Axt und Hammer abschlagen kann. Wo man sich eben noch festhalten konnte, ist das Eis schon wieder nachgewachsen – es ist eine Sisyphos-Arbeit unter der Gefahr, den Halt zu verlieren oder von Bord gespült zu werden. Ein Fenster der Kapitänskajüte hat die See schon eingeschlagen, so kann der Kapitän immerhin klar sehen und seine Warnung schreien, wenn sich ein neuer Brecher vor dem Bug erhebt. Seit die Matrosen gemerkt haben, dass sich das Schiff anders bewegt als sonst, sind sie still geworden. Ihnen ist unheimlich, Angst macht sich breit, und der Sturm, „gewöhnlich dauert so ein Sturm zwölf Stunden“, dauert jetzt schon mehr als zwanzig Stunden, und dann anderthalb Tage. Von den Schiffen der Kollegen ist nach gestörten Notrufen im Funkgerät nur noch Rauschen zu vernehmen.
Dazwischen eine Szene, irritierend in ihrer Gemächlichkeit und in einer Breite erzählt, die der angespannten Situation in der schäumenden Gischt ganz unangemessen zu sein scheint: Wie sich einer eine Zigarette aus der Packung klopft und wie er sie anzündet. Genauso die Ausführlichkeit, mit der der Erzähler die Bestandteile des Mittagessens ausbreitet, während doch größte Eile herrscht und draußen die Eisschichten abgeschlagen werden müssen, wenn das Schiff sich halten soll, sodass die Seeleute auf alles Besteck verzichten und sich das Essen hastig in den Mund schieben. Statt Ruhezeiten gibt es allenfalls zwei Stunden Pause, zur körperlichen Erschöpfung kommt geistige Leere. Aufgeregte Selbstgespräche, Wahn und Visionen erfassen die Leute, aber durchdrehen geht nicht: Sie müssen weiter ran und Eis abschlagen und können sich allenfalls mit Kaffee und Taba aufputschen.
Einar Kárason gehört schon eine gute Weile zu den wichtigen Stimmen der isländischen Literatur. Was er hier nun geschaffen hat, ist aber ein Kabinettstück ganz besonderer Art. Ein Unwetter hundert Seemeilen vor Neufundland im Februar 1959 dient ihm als Kulisse für den Überlebenskampf eines Männerkollektivs. Zunächst mag es verwundern, dass Kárason dies Abenteuer im Imperfekt verfasst hat und auf die Dramatik verzichtet, die er mit einem unmittelbareren Präsens hätte erzielen können. Stattdessen hat er die Geschichte als Erinnerung angelegt.
Der Erzähler ist Lárus, für den das Ganze so lange her ist, dass er sich in der Vergangenheit als anderen Menschen sieht und von sich in der dritten Person spricht. Er war damals ein junger Kerl, der davon träumte, ein anerkannter Seemann zu werden. Er ist der Einzige an Bord, dessen Namen wir erfahren, die anderen werden nur nach ihren Funktionen benannt: Kapitän, Bootsmann, Maschinist, Netzmann. Held der Geschichte ist die Mannschaft, „die Männer“, die die Notlage zusammenschweißt und die jede Aktion gemeinsam beschließen. Zum Beispiel, dass sie die Rettungsboote ins Meer fallen lassen, weil die mit dem sich türmenden Eis zu schwer werden.
In die Schilderung der andauernden Bedrohung flicht Kárason noch Einzelheiten ein über Mitglieder der Mannschaft: Der eine kann gar nichts anderes als zur See fahren, der andere verliert an Land alle Lebensfreude. Dinge, die sie alle betreffen: die Stellung der Seefahrer in der isländischen Gesellschaft und ihre Arbeitsbedingungen; wie es zum ersten sogenannten Kabeljaukrieg zwischen Island und England im Jahr zuvor gekommen war; welche Bücher es in der Bordbibliothek gibt (besonders beliebt: Seeabenteuer); vor allem aber, welche Schiffe in der letzten Zeit wo und unter welchen Umständen gesunken sind: „Die Seefahrt war in Island so gefährlich wie in anderen Ländern das Soldatenleben in Kriegszeiten.“
Obwohl klar ist, dass die Mávur davongekommen ist, ist es so spannend erzählt, dass man immer wieder Passagen überspringen möchte. Dass das Buch vom isländisch-deutschen Schriftsteller Kristof Magnusson, der sich aufs packende Erzählen versteht, übersetzt wurde, hat ihm bestimmt nicht geschadet. Nur einen Gedanken bringen weder die Männer noch der Erzähler auf: den Fang über Bord zu werfen, um das Schiff zu erleichtern. Aber Kárasons Thema ist ja auch die existenzielle Grenzsituation, das Verschmelzen einer Gruppe von Männern zu einer Art Organismus aus Haut und Knochen, Verstand und Mut, der sich der Gewalt einer entfesselten Natur entgegenstemmt.
RUDOLF VON BITTER
Wenn es denn einen
Helden gibt, dann ist es die Mannschaft: Fischtrawler in schwerer See.
Foto: dpa
Einar Kárason:
Sturmvögel. Roman.
Aus dem Isländischen von Kristof Magnusson.
btb, München 2021.
144 Seiten, 18 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Einar Kárason erzählt von einer Bootsbesatzung in der entfesselten Natur
Seenot im Wintersturm. Mit ihrer Ladung von 400 Tonnen frisch gefangenem Fisch liegt die Mávur, ein solider Fischtrawler von 700 Tonnen, tief im Wasser. Eine Polarfront bringt schwere See und eisige Temperaturen. Der Schiffsbug senkt sich in die Wellentäler, und 18 Meter hohe Brecher fallen mit der Wucht von Lawinen aufs Deck. Das auftreffende Wasser fließt nicht ganz ab, es bleibt eine anwachsende Eisschicht auf den Ankerwinden, den Kränen, Netzen, Körben, Wannen, dem Angelgerät. Das Gewicht des Eises drückt das Schiff weiter nach unten und lähmt es. Wenn es sich unter dem Druck einer Welle zur Seite geneigt hat, braucht es lange, bis es sich wieder aufrichtet, sodass die nächste Welle schon den Untergang bedeuten kann.
Das Eis bildet „massive, bizarr geformte Skulpturen wie aus Kristallglas“, hart, schwer, aber immerhin spröde, sodass man es mit Axt und Hammer abschlagen kann. Wo man sich eben noch festhalten konnte, ist das Eis schon wieder nachgewachsen – es ist eine Sisyphos-Arbeit unter der Gefahr, den Halt zu verlieren oder von Bord gespült zu werden. Ein Fenster der Kapitänskajüte hat die See schon eingeschlagen, so kann der Kapitän immerhin klar sehen und seine Warnung schreien, wenn sich ein neuer Brecher vor dem Bug erhebt. Seit die Matrosen gemerkt haben, dass sich das Schiff anders bewegt als sonst, sind sie still geworden. Ihnen ist unheimlich, Angst macht sich breit, und der Sturm, „gewöhnlich dauert so ein Sturm zwölf Stunden“, dauert jetzt schon mehr als zwanzig Stunden, und dann anderthalb Tage. Von den Schiffen der Kollegen ist nach gestörten Notrufen im Funkgerät nur noch Rauschen zu vernehmen.
Dazwischen eine Szene, irritierend in ihrer Gemächlichkeit und in einer Breite erzählt, die der angespannten Situation in der schäumenden Gischt ganz unangemessen zu sein scheint: Wie sich einer eine Zigarette aus der Packung klopft und wie er sie anzündet. Genauso die Ausführlichkeit, mit der der Erzähler die Bestandteile des Mittagessens ausbreitet, während doch größte Eile herrscht und draußen die Eisschichten abgeschlagen werden müssen, wenn das Schiff sich halten soll, sodass die Seeleute auf alles Besteck verzichten und sich das Essen hastig in den Mund schieben. Statt Ruhezeiten gibt es allenfalls zwei Stunden Pause, zur körperlichen Erschöpfung kommt geistige Leere. Aufgeregte Selbstgespräche, Wahn und Visionen erfassen die Leute, aber durchdrehen geht nicht: Sie müssen weiter ran und Eis abschlagen und können sich allenfalls mit Kaffee und Taba aufputschen.
Einar Kárason gehört schon eine gute Weile zu den wichtigen Stimmen der isländischen Literatur. Was er hier nun geschaffen hat, ist aber ein Kabinettstück ganz besonderer Art. Ein Unwetter hundert Seemeilen vor Neufundland im Februar 1959 dient ihm als Kulisse für den Überlebenskampf eines Männerkollektivs. Zunächst mag es verwundern, dass Kárason dies Abenteuer im Imperfekt verfasst hat und auf die Dramatik verzichtet, die er mit einem unmittelbareren Präsens hätte erzielen können. Stattdessen hat er die Geschichte als Erinnerung angelegt.
Der Erzähler ist Lárus, für den das Ganze so lange her ist, dass er sich in der Vergangenheit als anderen Menschen sieht und von sich in der dritten Person spricht. Er war damals ein junger Kerl, der davon träumte, ein anerkannter Seemann zu werden. Er ist der Einzige an Bord, dessen Namen wir erfahren, die anderen werden nur nach ihren Funktionen benannt: Kapitän, Bootsmann, Maschinist, Netzmann. Held der Geschichte ist die Mannschaft, „die Männer“, die die Notlage zusammenschweißt und die jede Aktion gemeinsam beschließen. Zum Beispiel, dass sie die Rettungsboote ins Meer fallen lassen, weil die mit dem sich türmenden Eis zu schwer werden.
In die Schilderung der andauernden Bedrohung flicht Kárason noch Einzelheiten ein über Mitglieder der Mannschaft: Der eine kann gar nichts anderes als zur See fahren, der andere verliert an Land alle Lebensfreude. Dinge, die sie alle betreffen: die Stellung der Seefahrer in der isländischen Gesellschaft und ihre Arbeitsbedingungen; wie es zum ersten sogenannten Kabeljaukrieg zwischen Island und England im Jahr zuvor gekommen war; welche Bücher es in der Bordbibliothek gibt (besonders beliebt: Seeabenteuer); vor allem aber, welche Schiffe in der letzten Zeit wo und unter welchen Umständen gesunken sind: „Die Seefahrt war in Island so gefährlich wie in anderen Ländern das Soldatenleben in Kriegszeiten.“
Obwohl klar ist, dass die Mávur davongekommen ist, ist es so spannend erzählt, dass man immer wieder Passagen überspringen möchte. Dass das Buch vom isländisch-deutschen Schriftsteller Kristof Magnusson, der sich aufs packende Erzählen versteht, übersetzt wurde, hat ihm bestimmt nicht geschadet. Nur einen Gedanken bringen weder die Männer noch der Erzähler auf: den Fang über Bord zu werfen, um das Schiff zu erleichtern. Aber Kárasons Thema ist ja auch die existenzielle Grenzsituation, das Verschmelzen einer Gruppe von Männern zu einer Art Organismus aus Haut und Knochen, Verstand und Mut, der sich der Gewalt einer entfesselten Natur entgegenstemmt.
RUDOLF VON BITTER
Wenn es denn einen
Helden gibt, dann ist es die Mannschaft: Fischtrawler in schwerer See.
Foto: dpa
Einar Kárason:
Sturmvögel. Roman.
Aus dem Isländischen von Kristof Magnusson.
btb, München 2021.
144 Seiten, 18 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
»Einar Kárason gehört schon eine gute Weile zu den wichtigen Stimmen der isländischen Literatur. Was er hier nun geschaffen hat, ist aber ein Kabinettstück ganz besonderer Art.« Rudolf von Bitter, Süddeutsche Zeitung
Rezensent Matthias Hannemann nimmt Einar Karasons kleinen Roman wie einen scharfen Schnaps zu sich. Mitten hinein in das historisch verbürgte Drama eines vereisten Trawlers im Sturm vor Island und das Leid seiner namenlosen Besatzung führt ihn die schnörkellos erzählte Handlung. Dass die Figuren wie Stellvertreter für alle Fischer der Welt erscheinen, macht die Geschichte nicht weniger dramatisch, verspricht Hannemann. Vor allem der Detailreichtum, mit dem Karason den Überlebenskampf der Männer schildert, macht den Text für den Rezensenten so faszinierend, die Lektüre so atemlos.
© Perlentaucher Medien GmbH
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