Donald Davidson (1917-2003) gehört zu den herausragenden Philosophen des 20. Jahrhunderts und hatte schon zu Lebzeiten den Rang eines Klassikers erreicht. Seit Erscheinen seiner ersten wichtigen philosophischen Abhandlung im Jahre 1963 bis zu seinem Tod hat Davidson die Debatten im Bereich der philosophischen Semantik, der Erkenntnis- und Handlungstheorie und der Philosophie des Geistes maßgeblich geprägt. Ohne je eine philosophische Monographie vorgelegt zu haben, hat dieser "Denker ohne Buch" in einer Fülle von bahnbrechenden Aufsätzen von analytischer Präzision und stilistischer Brillanz ein einheitliches Bild der Sprache, des Geistes und der Handlung entworfen, das entscheidend dazu beigetragen hat, die theoretische Philosophie aus ihrer dogmatisch-sprachanalytischen Erstarrung zu befreien.
Mit Subjektiv, intersubjektiv, objektiv liegt nun der lang erwartete dritte Band der philosophischen Aufsätze Davidsons in deutscher Sprache vor. Die vom Autor noch selbst zusammengestellten und mit einer Einleitung versehenen Abhandlungen kreisen um das klassische erkenntnistheoretische Thema des Wissens.
Entgegen der traditionellen Zweiteilung in subjektives und objektives Wissen zeigt Davidson, daß es drei Spielarten von Wissen gibt: subjektives Wissen von unseren eigenen Gedanken, intersubjektives Wissen von den Gedanken anderer Personen und objektives Wissen über die uns umgebende, nichtpersonale Welt. Wie diese Wissensarten miteinander verknüpft sind, ist das Thema dieses Buches.
Mit Subjektiv, intersubjektiv, objektiv liegt nun der lang erwartete dritte Band der philosophischen Aufsätze Davidsons in deutscher Sprache vor. Die vom Autor noch selbst zusammengestellten und mit einer Einleitung versehenen Abhandlungen kreisen um das klassische erkenntnistheoretische Thema des Wissens.
Entgegen der traditionellen Zweiteilung in subjektives und objektives Wissen zeigt Davidson, daß es drei Spielarten von Wissen gibt: subjektives Wissen von unseren eigenen Gedanken, intersubjektives Wissen von den Gedanken anderer Personen und objektives Wissen über die uns umgebende, nichtpersonale Welt. Wie diese Wissensarten miteinander verknüpft sind, ist das Thema dieses Buches.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.03.2004Ich und du und die Welt dazu
Donald Davidson denkt uns noch einmal, als ob wir neu wären / Von Dietmar Dath
Das Werk eines der bedeutendsten englisch schreibenden Denker des zwanzigsten Jahrhunderts umfaßt, wie immer wieder erstaunt festgestellt worden ist, eigentlich nur drei Bücher - nicht einmal besonders umfangreiche dazu, fünfhundert Seiten erreicht keines davon: eins über "Handlung und Ereignis" von 1980 (deutsch 1985), eins über "Wahrheit und Interpretation" von 1984 (deutsch 1986) und das letzte über alles, was wir "Subjektiv, intersubjektiv, objektiv" erfahren können, von 2001. Letztes Jahr ist Donald Davidson gestorben, nun erscheint in Kürze das dritte Buch auch auf deutsch.
Wie in den beiden vorangegangenen befindet sich der Held dieses episodischen, in einzelne Aufsätze zu besonderen Fragen gegliederten dritten Abenteuers, nämlich der Philosoph selbst, dabei auf dem Weg zu "einer einheitlichen Theorie des Sprechens, Handelns und Interpretierens", wie Hans Friedrich Fulda seine Laudatio zur Verleihung des Hegel-Preises an Davidson 1992 überschrieben hat. Das Schönste daran aber ist, daß diesem Helden die Richtigkeit der Theorie wichtiger ist als ihre Einheitlichkeit. So konnte er von einem Verfahren Abschied nehmen, das seine nicht minder heroischen Vorgänger in der analytischen Philosophie lange Zeit mit Eifer praktiziert hatten und von dem er überzeugt war, daß es in die Irre führt: dem Versuch, bestimmte konkrete, alltägliche Erfahrungsweisen als Sonderfälle allgemeinerer, verläßlicherer und fundamentalerer Sorten des Wissenserwerbs zu behandeln.
Für Davidson gab es, je länger er an seinem Programm arbeitete, desto weniger ein dem Ich gegebenes "erstes Wissen", auf dessen Fundament alles weitere ruhen könnte. Die drei Erfahrungsweisen "Was da draußen los ist" (objektiv), "Was die andern denken" (intersubjektiv) und "Was ich selber denke" (subjektiv) machen erst zusammen das Erlebnis "Ich befinde mich in der Welt" aus. Fürs Objektive hat man den Nachweis der Untauglichkeit als Ausgangspunkt mit Gewißheitsgarantie seit dem frühen Empirismus tausendmal geleistet - er läuft naturgemäß immer auf die Binsenweisheit raus, daß man sich darüber, was da draußen los ist, ganz schön täuschen kann. "Was andere denken" ist auch nicht verläßlicher, denn das muß ich an ihrem Reden und Verhalten ablesen; sie könnten lügen, sich verstellen oder - und da wird es interessant - sich irren.
Mit diesem letzten Einfall gerät der "Mythos des Subjektiven" (Davidson) ins kritische Fadenkreuz: Ist es möglich, daß jemand selber nicht weiß, was er denkt? Anstatt Davidsons vor allem im ersten Teil des Buches unter glasklaren Problemkopfzeilen wie "Was ist dem Geist gegenwärtig?", "Wissen, was man denkt" oder "Die Irreduzibilität des ,Selbst'" aufgefahrene Argumentation hier mühsam zusammenzustreichen - es geht nicht: Dieser Philosoph hat so wenig veröffentlicht, weil es ihm gefallen hat, alles wegzulassen, was man weglassen kann -, fällt dem Rezensenten nur folgende Anregung zur weiteren Meditation des Problems ein: Es gibt liberale Leute, die fest davon überzeugt sind, keine Rassisten zu sein, und dennoch besorgt sind, daß die Immobilienwerte fallen, wenn Ausländer in die Nachbarschaft ziehen. Soweit Rassismus nicht einfach heißt "ein böser Mensch sein", sondern "sich weigern, die Tatsache anzuerkennen, daß ethnisch homogene Gemeinschaften keine Zukunft haben, wenn wir vernünftig zusammenleben wollen", irren sich diese Leute über ihre eigene Überzeugung. Man spiele dasselbe für andere unbeliebte subjektive Zustände wie "Geiz" oder "Neid" durch, dann für angenehme und löbliche wie "Liebe" und "Vorsicht", und man wird sehen, daß das Verhältnis, das man zu den eigenen Einstellungen, Meinungen und Gedanken hat, zwar einzigartig ist, aber nicht weniger irrtumsanfällig als dasjenige, das man zu den Meinungen anderer oder den Vorgängen in der Welt unterhält.
Bei dieser Einsicht aber fängt Davidson erst an - man muß sich auf sie einlassen wollen, wenn man dieses Buch liest, das vom genannten ersten Drittel übers "Subjektive" zum zweiten übers "Intersubjektive" und schließlich zum letzten übers "Objektive" fortschreitet. Im mittleren Teil erkundet der Philosoph von verschiedenen Gesichtspunkten aus seine faszinierende Überlegung, daß man "Gedanken gar nicht alleine haben kann": Man wüßte nicht, daß man denkt, wenn es nicht andere gäbe, die auch denken und mit denen man drüber reden kann. Das läßt sich als eine Variante der Idee Wittgensteins darstellen, "daß wir ohne unsere Interaktionen mit anderen Personen gar keinen Begriff davon hätten, daß man etwas falsch oder richtig machen kann" (Davidson). Ebensoviel wie dem Proto-Sprachpragmatisten, zu dem Wittgenstein in dieser Pespektive wird, verdankt Davidson dabei allerdings W.V.O. Quine und dessen Ansatz, Sprache grundsätzlich von der Position eines "Interpreten" aus zu erklären.
Im letzten Abschnitt des Buchs, dem "Objektiven" vorbehalten, geht es um die Ur-Davidsonsche Trias von Wahrheit, Erfahrung und Erkenntnis, das heißt vor allem um das Unternehmen, den Begriff der Wahrheit unabhängig von impliziten Allwissenheitsansprüchen des Definierenden zu definieren. Das ist gar nicht so leicht, denn wenn ich sage, ein wahrer Satz sei einer, der sagt, wie die Dinge sind, behaupte ich, ob ich das will oder nicht, immer auch, daß es eine Möglichkeit gibt, in jedem einzelnen Fall zu erfahren, wie die Dinge sind, sprachunabhängig und unmittelbar. Davidson weiß, daß eine solche Allwissenheit nicht zu haben und wenn doch, dann nicht zu diskutieren ist, will aber, anders als klassische Skeptiker, postmoderne Poststrukturalisten oder Richard Rorty, den Begriff nicht fallenlassen; letzlich wohl aus Gründen, die wieder mit seiner Überzeugung zusammenhängen, die drei Erfahrungsweisen des Buchtitels seien nicht aufeinander reduzierbar.
Denn wenn das so ist, muß es, da wir ja doch miteinander in der Welt leben, offenbar andere Wege geben, diese Erfahrungsweisen zueinander in Beziehung zu setzen, als den reduktionistischen - und für deren Beschreibung sind wir auf Kriterien angewiesen, die wie "Wahrheit" in allen dreien eine Rolle spielen können.
Wer sich nur für die Sache, nicht für Veröffentlichungszeitpunkte und andere Parameter des wissenschaftlichen Prioritätenwettlaufs interessiert, könnte Davidsons Interesse an multivalenter Nichtreduzierbarkeit für eine Reaktion auf die grobschlächtigeren unter den Neodeterminismen halten, die im Zuge einschlägiger Hirndebatten in den letzten Jahren zunehmend selbstsicherer geäußert wurden. Das hieße allerdings übersehen, daß dieser Philosoph selbst einerseits immer schon Naturalist war, andererseits aber sein Scherflein zur Zurückweisung deterministischer Vorstellungen vom Neuro-Kognitions-Interface schon mit seiner Theorie des "anomalen Monismus" beigetragen hat, welche besagt, daß Gedankenprozesse zwar - "monistisch" - in jedem einzelnen Fall mit physiologischen, neuroelektrischen Prozessen identisch sind, daraus aber noch lange nicht folgt, daß es etwas so Spiritistisches wie "psychophysische Gesetze" geben müsse, die es etwa erlauben würden, vom gegenwärtigen Zustand eines Gehirns zwingend auf die nächsten Gedanken zu schließen, die es denken wird. Die Argumentation dazu mutet wie die mit engelhafter Geduld ausgearbeitete anspruchsvollere Variante von logischem Urgestein der Sorte "Wenn der Redakteur miserabel arbeitet, wird er zwar entlassen, aber wenn er entlassen wird, folgt daraus noch lange nicht, daß er miserabel gearbeitet hat" an - man lese sie im psychologischen Teil von "Handlung und Ereignis" nach.
Makellos aus seinen Teilen komponiert wie alle Davidsonschen Bücher schließt sein letztes nun mit der präzisesten, gedrängtesten Erläuterung seines Leitmotivs, der "Drei Spielarten des Wissens", die alle obengenannten Fäden noch einmal aufnimmt und freihändig, aber zwingend miteinander verflicht: Davidson will, daß wir uns von Epistomologien verabschieden, in denen "gilt, daß das Subjektive vor dem Objektiven kommt, daß es eine subjektive Welt gibt, die der Erkenntis der äußeren Realität vorgeordnet ist. Es leuchtet ein, daß das hier von mir skizzierte Bild des Denkens und der gemeinten Bedeutung für eine solche Vorrangstellung keinen Platz hat, denn dieses Bild gründet die Selbsterkenntnis auf die Erkenntnis des Fremdpsychischen und der Welt."
Davidson schreibt, als wären die Phänomene eben erst entdeckt, die Begriffe gerade erst erfunden worden - es ist, als würde man sehr alte Philosophie lesen, ein Effekt, der immer eintritt, wenn es einer ganz genau wissen will. Tatsächlich uralte Philosophie ist demgegenüber viel dunkler, vager, weniger aufbruchselig. Joachim Schulte, der sich nach Ausstoß und Qualität seiner Übersetzungen längst den Titel "deutsche Synchronstimme der analytischen Philosophie" verdient hat, wird diesem Aufbruch hier in allen Zügen gerecht.
Donald Davidson: "Subjektiv, intersubjektiv, objektiv". Aus dem Amerikanischen von Joachim Schulte. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2004. 400 S., geb., 34,90 [Euro].
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Donald Davidson denkt uns noch einmal, als ob wir neu wären / Von Dietmar Dath
Das Werk eines der bedeutendsten englisch schreibenden Denker des zwanzigsten Jahrhunderts umfaßt, wie immer wieder erstaunt festgestellt worden ist, eigentlich nur drei Bücher - nicht einmal besonders umfangreiche dazu, fünfhundert Seiten erreicht keines davon: eins über "Handlung und Ereignis" von 1980 (deutsch 1985), eins über "Wahrheit und Interpretation" von 1984 (deutsch 1986) und das letzte über alles, was wir "Subjektiv, intersubjektiv, objektiv" erfahren können, von 2001. Letztes Jahr ist Donald Davidson gestorben, nun erscheint in Kürze das dritte Buch auch auf deutsch.
Wie in den beiden vorangegangenen befindet sich der Held dieses episodischen, in einzelne Aufsätze zu besonderen Fragen gegliederten dritten Abenteuers, nämlich der Philosoph selbst, dabei auf dem Weg zu "einer einheitlichen Theorie des Sprechens, Handelns und Interpretierens", wie Hans Friedrich Fulda seine Laudatio zur Verleihung des Hegel-Preises an Davidson 1992 überschrieben hat. Das Schönste daran aber ist, daß diesem Helden die Richtigkeit der Theorie wichtiger ist als ihre Einheitlichkeit. So konnte er von einem Verfahren Abschied nehmen, das seine nicht minder heroischen Vorgänger in der analytischen Philosophie lange Zeit mit Eifer praktiziert hatten und von dem er überzeugt war, daß es in die Irre führt: dem Versuch, bestimmte konkrete, alltägliche Erfahrungsweisen als Sonderfälle allgemeinerer, verläßlicherer und fundamentalerer Sorten des Wissenserwerbs zu behandeln.
Für Davidson gab es, je länger er an seinem Programm arbeitete, desto weniger ein dem Ich gegebenes "erstes Wissen", auf dessen Fundament alles weitere ruhen könnte. Die drei Erfahrungsweisen "Was da draußen los ist" (objektiv), "Was die andern denken" (intersubjektiv) und "Was ich selber denke" (subjektiv) machen erst zusammen das Erlebnis "Ich befinde mich in der Welt" aus. Fürs Objektive hat man den Nachweis der Untauglichkeit als Ausgangspunkt mit Gewißheitsgarantie seit dem frühen Empirismus tausendmal geleistet - er läuft naturgemäß immer auf die Binsenweisheit raus, daß man sich darüber, was da draußen los ist, ganz schön täuschen kann. "Was andere denken" ist auch nicht verläßlicher, denn das muß ich an ihrem Reden und Verhalten ablesen; sie könnten lügen, sich verstellen oder - und da wird es interessant - sich irren.
Mit diesem letzten Einfall gerät der "Mythos des Subjektiven" (Davidson) ins kritische Fadenkreuz: Ist es möglich, daß jemand selber nicht weiß, was er denkt? Anstatt Davidsons vor allem im ersten Teil des Buches unter glasklaren Problemkopfzeilen wie "Was ist dem Geist gegenwärtig?", "Wissen, was man denkt" oder "Die Irreduzibilität des ,Selbst'" aufgefahrene Argumentation hier mühsam zusammenzustreichen - es geht nicht: Dieser Philosoph hat so wenig veröffentlicht, weil es ihm gefallen hat, alles wegzulassen, was man weglassen kann -, fällt dem Rezensenten nur folgende Anregung zur weiteren Meditation des Problems ein: Es gibt liberale Leute, die fest davon überzeugt sind, keine Rassisten zu sein, und dennoch besorgt sind, daß die Immobilienwerte fallen, wenn Ausländer in die Nachbarschaft ziehen. Soweit Rassismus nicht einfach heißt "ein böser Mensch sein", sondern "sich weigern, die Tatsache anzuerkennen, daß ethnisch homogene Gemeinschaften keine Zukunft haben, wenn wir vernünftig zusammenleben wollen", irren sich diese Leute über ihre eigene Überzeugung. Man spiele dasselbe für andere unbeliebte subjektive Zustände wie "Geiz" oder "Neid" durch, dann für angenehme und löbliche wie "Liebe" und "Vorsicht", und man wird sehen, daß das Verhältnis, das man zu den eigenen Einstellungen, Meinungen und Gedanken hat, zwar einzigartig ist, aber nicht weniger irrtumsanfällig als dasjenige, das man zu den Meinungen anderer oder den Vorgängen in der Welt unterhält.
Bei dieser Einsicht aber fängt Davidson erst an - man muß sich auf sie einlassen wollen, wenn man dieses Buch liest, das vom genannten ersten Drittel übers "Subjektive" zum zweiten übers "Intersubjektive" und schließlich zum letzten übers "Objektive" fortschreitet. Im mittleren Teil erkundet der Philosoph von verschiedenen Gesichtspunkten aus seine faszinierende Überlegung, daß man "Gedanken gar nicht alleine haben kann": Man wüßte nicht, daß man denkt, wenn es nicht andere gäbe, die auch denken und mit denen man drüber reden kann. Das läßt sich als eine Variante der Idee Wittgensteins darstellen, "daß wir ohne unsere Interaktionen mit anderen Personen gar keinen Begriff davon hätten, daß man etwas falsch oder richtig machen kann" (Davidson). Ebensoviel wie dem Proto-Sprachpragmatisten, zu dem Wittgenstein in dieser Pespektive wird, verdankt Davidson dabei allerdings W.V.O. Quine und dessen Ansatz, Sprache grundsätzlich von der Position eines "Interpreten" aus zu erklären.
Im letzten Abschnitt des Buchs, dem "Objektiven" vorbehalten, geht es um die Ur-Davidsonsche Trias von Wahrheit, Erfahrung und Erkenntnis, das heißt vor allem um das Unternehmen, den Begriff der Wahrheit unabhängig von impliziten Allwissenheitsansprüchen des Definierenden zu definieren. Das ist gar nicht so leicht, denn wenn ich sage, ein wahrer Satz sei einer, der sagt, wie die Dinge sind, behaupte ich, ob ich das will oder nicht, immer auch, daß es eine Möglichkeit gibt, in jedem einzelnen Fall zu erfahren, wie die Dinge sind, sprachunabhängig und unmittelbar. Davidson weiß, daß eine solche Allwissenheit nicht zu haben und wenn doch, dann nicht zu diskutieren ist, will aber, anders als klassische Skeptiker, postmoderne Poststrukturalisten oder Richard Rorty, den Begriff nicht fallenlassen; letzlich wohl aus Gründen, die wieder mit seiner Überzeugung zusammenhängen, die drei Erfahrungsweisen des Buchtitels seien nicht aufeinander reduzierbar.
Denn wenn das so ist, muß es, da wir ja doch miteinander in der Welt leben, offenbar andere Wege geben, diese Erfahrungsweisen zueinander in Beziehung zu setzen, als den reduktionistischen - und für deren Beschreibung sind wir auf Kriterien angewiesen, die wie "Wahrheit" in allen dreien eine Rolle spielen können.
Wer sich nur für die Sache, nicht für Veröffentlichungszeitpunkte und andere Parameter des wissenschaftlichen Prioritätenwettlaufs interessiert, könnte Davidsons Interesse an multivalenter Nichtreduzierbarkeit für eine Reaktion auf die grobschlächtigeren unter den Neodeterminismen halten, die im Zuge einschlägiger Hirndebatten in den letzten Jahren zunehmend selbstsicherer geäußert wurden. Das hieße allerdings übersehen, daß dieser Philosoph selbst einerseits immer schon Naturalist war, andererseits aber sein Scherflein zur Zurückweisung deterministischer Vorstellungen vom Neuro-Kognitions-Interface schon mit seiner Theorie des "anomalen Monismus" beigetragen hat, welche besagt, daß Gedankenprozesse zwar - "monistisch" - in jedem einzelnen Fall mit physiologischen, neuroelektrischen Prozessen identisch sind, daraus aber noch lange nicht folgt, daß es etwas so Spiritistisches wie "psychophysische Gesetze" geben müsse, die es etwa erlauben würden, vom gegenwärtigen Zustand eines Gehirns zwingend auf die nächsten Gedanken zu schließen, die es denken wird. Die Argumentation dazu mutet wie die mit engelhafter Geduld ausgearbeitete anspruchsvollere Variante von logischem Urgestein der Sorte "Wenn der Redakteur miserabel arbeitet, wird er zwar entlassen, aber wenn er entlassen wird, folgt daraus noch lange nicht, daß er miserabel gearbeitet hat" an - man lese sie im psychologischen Teil von "Handlung und Ereignis" nach.
Makellos aus seinen Teilen komponiert wie alle Davidsonschen Bücher schließt sein letztes nun mit der präzisesten, gedrängtesten Erläuterung seines Leitmotivs, der "Drei Spielarten des Wissens", die alle obengenannten Fäden noch einmal aufnimmt und freihändig, aber zwingend miteinander verflicht: Davidson will, daß wir uns von Epistomologien verabschieden, in denen "gilt, daß das Subjektive vor dem Objektiven kommt, daß es eine subjektive Welt gibt, die der Erkenntis der äußeren Realität vorgeordnet ist. Es leuchtet ein, daß das hier von mir skizzierte Bild des Denkens und der gemeinten Bedeutung für eine solche Vorrangstellung keinen Platz hat, denn dieses Bild gründet die Selbsterkenntnis auf die Erkenntnis des Fremdpsychischen und der Welt."
Davidson schreibt, als wären die Phänomene eben erst entdeckt, die Begriffe gerade erst erfunden worden - es ist, als würde man sehr alte Philosophie lesen, ein Effekt, der immer eintritt, wenn es einer ganz genau wissen will. Tatsächlich uralte Philosophie ist demgegenüber viel dunkler, vager, weniger aufbruchselig. Joachim Schulte, der sich nach Ausstoß und Qualität seiner Übersetzungen längst den Titel "deutsche Synchronstimme der analytischen Philosophie" verdient hat, wird diesem Aufbruch hier in allen Zügen gerecht.
Donald Davidson: "Subjektiv, intersubjektiv, objektiv". Aus dem Amerikanischen von Joachim Schulte. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2004. 400 S., geb., 34,90 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
"Fasziniert zeigt sich Rezensent Dietmar Dath von diesem nun auf Deutsch vorliegenden, letzten Werk des 2003 verstorbenen Philosophen Donald Davidson, den er als einen der "bedeutendsten englisch schreibenden Denker des zwanzigsten Jahrhunderts" würdigt. Beeindruckend findet Dath schon die makellose Komposition des Buchs, das in drei Abschnitten, die in einzelne Aufsätze ("Was ist am Geist gegenwärtig?", "Wissen, was man denkt", usw.) untergliedert sind, zunächst das Subjektive, dann das Intersubjektive und schließlich das Objektive behandelt. Eingehend befasst sich Dath mit den teils außerordentlich diffizilen Fragen, denen Davidson präzise und gedrängt auf den Grund gehe. Vereinfacht gesagt geht es dem Autor darum, den "Mythos des Subjektiven" kritisch zu hinterfragen, um ein Bild des Denkens zu entwerfen, nach dem Selbsterkenntnis auf der Erkenntnis des Fremdpsychischen und der Welt basiert. Dath kommt zu der Einschätzung, dass Davidson in seinem Bestreben, es genau wissen zu wollen, schreibt, "als wären die Phänomene eben erst entdeckt, die Begriffe erst erfunden worden". Großen Respekt zollt er dem Übersetzter Joachim Schulter, dem er den Titel "deutsche Synchronstimme der analytischen Philosophie" verleiht.
© Perlentaucher Medien GmbH"
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