Ein lähmender gesamtgesellschaftlicher Konsens bestimmte das Jahrzehnt vor 1968, Subkulturen wurden von der alles erdrückenden Mehrheit als kriminell oder als psychopatisch wahrgenommen. An den Universitäten war die Autoritätshörigkeit ungebrochen, der Milieukatholizismus legte sich bleiern über die Gesellschaft. Das Spielen von Stücken Bertold Brechts war - dank Friedrich Torberg und Hans Weigel - verboten.Rolf Schwendter, einer der Gründungsväter der "Informellen Gruppe", beschreibt in seinem Buch ein Stück österreichischer Kulturgeschichte, das nach 1968 zusehends in Vergessenheit geraten ist. Zuunrecht, denn die Aufbereitung eines subkulturellen Klimas durch jenen "Freundeskreis", der zeitweise bis zu 300 informelle Mitglieder umfasste, war eine Vorbedingung für die kulturelle Revolution des Jahres 1968.
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Rolf Schwendters Buch über das "subkulturelle Wien" hat Paul Jandl mit Sympathie gelesen. Schwendter, ein Wiener Devianzforscher und Gründungsmitglied der "informellen Gruppe", erweise sich als "höchst formeller" Chronist vergangener Zeiten. Zwischen 1959 und 1971 entwarf die "informelle Gruppe" gegenkulturelle Programme zur "Spießergesellschaft", organisierte Lesungen und Dada-Happenings, debattierte und spielte Theater. Mit "buchhalterischer Genauigkeit" liste Schwendter Veranstaltungsdaten und Sympathisantenzahlen eines etwa fünfzig Mitglieder zählenden Freundeskreises auf. Entstanden ist ein nach Ansicht des Rezensenten "rührendes Porträt", das den Aufbruch einer Epoche in seinen Wiener Möglichkeiten zeige.
© Perlentaucher Medien GmbH
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