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Bernhard Streck kennt den Sudan nicht nur von außen. Er kennt die Menschen dieses zerrissenen Landes, sie haben ihm ihre Kultur und den Sinn hinter ihrem Denken und Handeln vermittelt. Mit diesem besonderen Hintergrund beschreibt Streck die Geschichte und die Dilemmata der Entwicklung des so reichen und doch zerrütteten Sudan.

Produktbeschreibung
Bernhard Streck kennt den Sudan nicht nur von außen. Er kennt die Menschen dieses zerrissenen Landes, sie haben ihm ihre Kultur und den Sinn hinter ihrem Denken und Handeln vermittelt. Mit diesem besonderen Hintergrund beschreibt Streck die Geschichte und die Dilemmata der Entwicklung des so reichen und doch zerrütteten Sudan.
Autorenporträt
Bernhard Streck, geboren 1945, war bis 2010 Professor auf dem Lehrstuhl für Ethnologie der Universität Leipzig. Seine zahlreichen Veröffentlichungen betreffen Kulturtheorie, Fachgeschichte, Ethnographie und Tsiganologie. Er ist Mitglied der Sächsischen Akademie der Wissenschaften und der Frobenius-Gesellschaft Frankfurt am Main.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.03.2008

Religiöser Wahn
Einblicke in die sudanesische politische Kultur

Die sudanesische Hauptstadt Khartum erlebt gegenwärtig einen Bauboom. Nicht zuletzt mit Hilfe chinesischer Investitionen wird ein modernes Gebäude nach dem anderen hochgezogen. Das nach Rohstoffen hungrige China ist jedoch besonders an den Ölvorkommen von Sudan interessiert. Überdies versorgt China die sudanesische Armee mit Helikoptern, Militärlastern und anderem Kriegsgerät, das im Süden des Landes, in der Provinz Darfur, eingesetzt wird. Dort vollzieht sich seit Jahren ein Völkermord auf Raten. Das Militär und von ihm unterstützte Reitereinheiten verüben Greueltaten an der Zivilbevölkerung in Darfur, mehr als zwei Millionen Menschen sind auf der Flucht.

Diese und andere Entwicklungen sind gut dokumentiert. Es herrscht also durchaus kein Mangel an Informationen zu Sudan. Doch an der Gegenwart des Landes, schreibt Bernhard Streck, "scheitern bislang alle westlichen Erklärungsmodelle: ein enormer Schub an technischem Fortschritt auf der einen, staatlich verordnete Exzesse von Grausamkeit auf der anderen Seite". Der in Leipzig lehrende Ethnologe kennt Sudan aus langjährigen Forschungsreisen und nennt ihn ein "zerrissenes Land". Die Bevölkerung sei gespalten zwischen einem tiefgreifenden ethnischen Zugehörigkeitsgefühl, Islamismus, Misstrauen gegenüber der Obrigkeit und tiefer Verzweiflung. Sudan werde in der Literatur zwar häufig gepriesen für seine geographische und kulturelle Vielfalt. Die Vielgestaltigkeit habe jedoch ihren Preis. Es gelinge nicht, "aus diesem bunten Angebot einen funktionsfähigen Nationalstaat zu bilden".

In vielen Analysen wird vor allem die Religion für den längsten Bürgerkrieg Afrikas verantwortlich gemacht. Der islamisch geprägte Norden versucht demnach den christlich missionierten Süden unter seine Kontrolle zu bringen. Diese Interpretation habe, so Streck, einiges für sich, reiche aber als Erklärung nicht aus. Er verweist auf weniger bekannte Bruchlinien und Unvereinbarkeiten. Dem Autor geht es dabei weniger um eine politische Analyse oder gar Prognose, sondern um eine differenzierte Beschreibung und Erklärung aus ethnologischer Perspektive. Damit will er keineswegs die Augen vor den Verwerfungen im Land schließen oder Gewalt und Elend beschönigen. Doch plädiert Streck in seinem unkonventionellen Buch mit Nachdruck dafür, die Vielfalt möglicher Standpunkte ernst zu nehmen. Die Regierung in Khartum mag aus westlicher Sicht wie eine orientalische Despotie anmuten, könne aus lokaler Sicht jedoch ganz anders erscheinen: etwa "als Bollwerk gegen die für verhängnisvoll erachtete Okzidentalisierung, als von Gott eingesetzte Obrigkeit, die für alle Erniedrigungen nun mit Öl entschädigt wird, oder als Gewaltzentrum weit weg, das schon bisher erfolgreich unterlaufen wurde" und die Chance auf eine Art Halbautonomie auch weiterhin biete.

Streck sieht die politische Kultur von Sudan durch plurale Rechtssysteme und außerordentlich asymmetrische Beziehungen geprägt. Als besonders prägend identifiziert er "den sudanesischen Komplex", den "Widerspruch zwischen afrikanischem Sein und arabischem Wollen", ein "spezifischer religiöser Wahn", der viele Intellektuelle schon lange ins Ausland getrieben habe. Was es damit genau auf sich hat, bleibt allerdings unklar. In jedem Fall meint Streck, dass Sudan "gegenwärtig von einer islamisch-eschatologisch ergriffenen oder wenigstens so argumentierenden Elite" gesteuert werde. Damit will er nicht "den Islam" kritisieren, sondern seine heute in Teilen der Welt und eben auch am Nil vorzufindende, bewusst kämpferische und globalistische Variante. Als eigentliche Opfer des islamistischen Aufbruchs in Sudan sieht der Autor weniger die Christen, für die der Islam ja immerhin traditionelle Schutzrechte kenne, sondern "die Heiden", die lokalen Religionen anhängen und in einigen Regionen des Landes immer noch einen beträchtlichen Prozentsatz der Bevölkerung ausmachen.

Strecks Buch enthält eine Fülle von historisch fundierten, anregenden Beobachtungen. Man muss die Ansichten des Autors nicht allesamt teilen, aber seine Studie hilft ohne Zweifel, die komplexe Situation in Sudan besser nachvollziehen zu können.

ANDREAS ECKERT

Bernhard Streck: Sudan. Ansichten eines zerrissenen Landes. Edition Trickster im Peter Hammer Verlag. Wuppertal 2007. 267 S., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Instruktiv scheint dem Rezensenten Andreas Eckert dieses Buch über den Sudan, das Benhard Streck vorgelegt hat. Dem Autor geht es seines Erachtens in erster Linie nicht um eine politische Analyse dieses gespaltenen Landes, sondern um eine präzise Beschreibung und Erklärung aus "ethnologischer Perspektive". Er hebt etwa Strecks Erklärung des sudanesischen Bürgerkriegs hervor, die neben den üblichen religiösen Ursachen auch weitere, weniger bekannte Faktoren einbezieht. Insgesamt findet Eckerts in dem Buch eine Vielzahl von "historisch fundierten, anregenden Beobachtungen", die in seinen Augen zu einem besseren Verständnis der schwierigen Situation im Sudan beitragen.

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