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Die Geschichte der Südostforschung und ihrer Forschungseinrichtungen ist so gut wie unbekannt - ebenso wie die inhaltlichen und methodischen Grundlagen der in diesem Rahmen betriebenen Forschung und der beteiligten Wissenschaftler. Diese Lücke schließt der von Mathias Beer und Gerhard Seewann herausgegebene Tagungsband Zur Tagung: "Der frische Wind aus Südost wird nicht nur neue Einsichten in die Wissenschaftsgeschichte bringen. Er könnte auch das Fundament freilegen für einen Neuanfang der Südostforschung jenseits des Freund-Feind-Denkens der Politik." Christian Jostmann in der SZ, 29.10.2002…mehr

Produktbeschreibung
Die Geschichte der Südostforschung und ihrer Forschungseinrichtungen ist so gut wie unbekannt - ebenso wie die inhaltlichen und methodischen Grundlagen der in diesem Rahmen betriebenen Forschung und der beteiligten Wissenschaftler. Diese Lücke schließt der von Mathias Beer und Gerhard Seewann herausgegebene Tagungsband Zur Tagung: "Der frische Wind aus Südost wird nicht nur neue Einsichten in die Wissenschaftsgeschichte bringen. Er könnte auch das Fundament freilegen für einen Neuanfang der Südostforschung jenseits des Freund-Feind-Denkens der Politik." Christian Jostmann in der SZ, 29.10.2002 Aus dem Inhalt: Mathias Beer: Wege zur Historisierung der Südostforschung. Voraussetzungen, Ansätze, Themenfelder Michael Fahlbusch: Im Dienste des Deutschtums in Südosteuropa: Ethnopolitische Berater als Tathelfer für Verbrechen gegen die Menschlichkeit Gerhard Seewann: Das Südost-Institut 1930-1960 Christian Promitzer: Täterwissenschaft: Das Südostdeutsche Institut in Graz Christoph Morrisey: Das Institut für Heimatforschung in Käsmark (Slowakei), 1941-1944 Harald Roth: Wissenschaft zwischen Nationalsozialismus und Stalinismus: Vom Forschungsinstitut der Deutschen Volksgruppe in Rumänien zum Forschungsinstitut für Gesellschaftswissenschaften der Rumänischen Akademie Willi Oberkrome: Regionalismus und historische 'Volkstumsforschung' 1890-1960 Isabel Heinemann: Die Rasseexperten der SS und die bevölkerungspolitische Neuordnung Südosteuropas Christian Töchterle: Wir und die "Dinarier" - Der europäische Südosten in den rassentheoretischen Abhandlungen vor und im Dritten Reich Norbert Spannenberger: Vom volksdeutschen Nachwuchswissenschaftler zum Protagonisten nationalsozialistischer Südosteuropapolitik. Fritz Valjavec im Spiegel seiner Korrespondenz 1934-1939 Gerhard Grimm: Georg Stadtmüller und Fritz Valjavec. Zwischen Anpassung und Selbstbehauptung Krista Zach: Friedrich Valjavec nach seinen privaten tagebuchartigen Aufzeichnungen (1934-1946) Edgar Hösch: Südostforschung vor und nach 1945. Eine historiographische Herausforderung
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.01.2005

Kämpfende Köpfe
Die politisierte Südostforschung während der Zeit des Nationalsozialismus und in der frühen Bundesrepublik

Mathias Beer/Gerhard Seewann (Herausgeber): Südostforschung im Schatten des Dritten Reiches. Institutionen - Inhalte - Personen. R. Oldenburg Verlag, München 2004. 288 Seiten, 44,80 [Euro].

Die systemkonforme Politisierung der Südostforschung während der Zeit des Nationalsozialismus war besonders ausgeprägt und daher lange tabuisiert. Wurde sie doch seit ihrer Institutionalisierung in der Weimarer Republik über das "Dritte Reich" bis hinein in die Bundesrepublik als "kämpfende Wissenschaft" begriffen, die sich wohlwollender Aufmerksamkeit und entsprechender finanzieller Zuwendungen sicher sein durfte. Dies zeigt der vorliegende Sammelband. Im Vordergrund der Betrachtung steht die historische Südostforschung, die sich zwei politisch relevante Untersuchungsfelder abgesteckt hatte: zum einen Geschichte und Schicksal deutscher Minderheiten als Insolvenzmasse des Habsburger Reiches und zum anderen die von den Siegermächten des Ersten Weltkrieges als Konkursverwalter installierten neuen Staatsgebilde, wegen ihrer Rohstoffe, agrarischen Überproduktion und strategischen Bedeutung Objekte konkurrierender intereuropäischer Begierde.

Ab Mitte der dreißiger Jahre zunehmend als "Gegnerforschung" betrieben, gewann die Südostwissenschaft nach Integration des Balkans in den Sowjetblock in Westdeutschland erneut Konjunktur. Sie suchte seit ihrer Inauguration als politisch gewollte Volks- und Kulturbodenforschung gegenüber dem Balkan einen auf zivilisatorischer Überlegenheit deutscher Minderheiten basierenden Hegemonialanspruch des Reiches wissenschaftlich zu begründen. Zum Zentrum solchen Bemühens entwickelte sich das auf Anregung der Reichsregierung 1930 geschaffene Münchener "Institut zur Erforschung deutschen Volkstums im Süden und Südosten", seit 1935 bis heute als "Südost-Institut" firmierend. Für seine Arbeit war laut Eigenbekunden "die kultur- und volkstumspolitische Fragestellung einzig und allein maßgeblich". Was Wunder, daß seit den vierziger Jahren Heinrich Himmler sich als Reichskommissar für die Festigung des deutschen Volkstums der Südostforschung bemächtigte und bediente. Es galt nun, eine Neugestaltung deutschen Siedlungsgebietes, zum Beispiel durch räumliche Zusammenführung der Serben, zu präformieren, "damit nicht" - so die Begründung - "wieder einmal die Wissenschaft zu spät kommt, wenn politische Taten zu setzen sind".

Landeskundlich orientierte Südostforschung half von den frühen fünfziger Jahren an bei der Konstituierung eines kulturpolitisch-ethnisch untermauerten Heimatrechts vertriebenen und geflüchteten deutschen Volkstums aus dem mittleren Donauraum. Zumindest diente sie der "ideellen Beheimatung", insbesondere - so ist hinzuzufügen - der von der Bundesregierung für hohe Summen "zurückgekauften" Deutschstämmigen beispielsweise aus Siebenbürgen, Lohn für Ceausescus Absetzbewegung von Moskau. Eine dieserart politischem Zeitgeist verpflichtete Forschung könnte in ihrer historiographischen Bedeutsamkeit mit der Elle wissenschaftspluralistischer Duldsamkeit bemessen werden, hätten nicht ehemalige NS-Protagonisten, einschließlich ranghoher SS-Schergen, institutionelle Leitungsfunktionen übernommen beziehungsweise als Herausgeber und Redakteure für das bedeutsamste Fachorgan verantwortlich gezeichnet.

Fragt man nach den Köpfen der Südostforschung, nach deren wissenschaftlichem Profil und politischer Intention, dann begegnet man in dem Sammelwerk Gelehrten mit exemplarischem Werdegang: Karl Alexander von Müller, erster Direktor des Münchener Instituts (1930-35), hatte sich als Völkisch-Nationaler früh der NS-Bewegung angedient. Er forderte richtungweisend die Erforschung des Auslandsvolkstums zwecks Überwindung seiner Zersplitterung und Rückgewinnung verlorenen Volksbodens. Was bei ihm einem kulturpolitischen Sendungsbewußtsein entsprang, geriet unter seinem Schüler Fritz Valjavec, Geschäftsführer (1937) und stellvertretender Direktor (1942) des Südost-Instituts, zum Rassismus. Dessen ungeachtet avancierte dieser 1955 zum Leiter der wiedereröffneten Einrichtung und wenig später zum Münchener Lehrstuhlinhaber für Wirtschaft und Kultur Südosteuropas. Die politische Metamorphose vom volksdeutschen Nazi-Karrieristen zum der Verfassung der Bundesrepublik verpflichteten Universitätsbeamten vermögen die drei Valjavec gewidmeten Beiträge nicht hinlänglich zu erklären. Ein Autor bietet die Verbindung zum Widerstand ebenso wie das Funktionieren alter Netzwerke an, denn auch Müller lehrte weiter an der Ludwig-Maximilians-Universität.

Während die meisten Beiträge der Südostforschung als Legitimationswissenschaft gewidmet sind, verweisen einige auf die rassentheoretische Fundierung einer bevölkerungspolitischen Neuordnung und widmen sich Rasseexperten der SS und deren ethnographischen Tathelfern bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit - Belege für die unentwirrbare Gemengelage zwischen Südostforschung und Politik während des nationalsozialistischen Regimes.

Der Nationalsozialismus hat das Selbstverständnis deutscher Historiker so nachhaltig verunsichert, daß er nach wie vor das Sujet eines von Betroffenheit nicht freien Selbstfindungsprozesses bildet. Dies trifft auch für die Autoren des Sammelbandes zu, die sich in der Regel den Repräsentanten der Südostforschung während der NS-Zeit, die auch die Exponenten des Faches in der jungen Bundesrepublik waren, wissenschaftlich und menschlich verbunden fühlen. Man merkt dies insbesondere der biographischen Skizze über den während des Krieges in Leipzig und als Ordinarius (1958) und später als Leiter des Südost-Instituts wirkenden Georg Stadtmüller an, die honorig, aber wohl zu unkritisch geriet. Edgar Hösch, derzeit an der Spitze des Südost-Instituts, hat die Beschäftigung mit der Südostforschung vor und nach 1945 eine historiographische Herausforderung genannt. Die Verfasser des Bandes haben sie angenommen, wertvolle Einzelergebnisse erzielt und einen richtungweisenden Wissenschaftsdiskurs eröffnet.

HANS-ERICH VOLKMANN

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Wertvoll Einzelergebnisse und die Eröffnung eines richtungsweisenden Wissenschaftsdiskurses zur Südostforschung bescheinigt Rezensent Hans-Erich Volkmann den Herausgebern dieses Bandes. Als "relevante Untersuchungsfelder" dieses Faches beschreibt der Rezensent Geschichte und Schicksal deutscher Minderheiten als Insolvenzmasse des Habsburger Reiches und die von den Siegermächten nach 1918 installierten "neuen Staatsgebilde". Aufgrund ihrer systemkonformen Prägung während des Nazionalsozialismus' sei die Südostforschung lange tabuisiert gewesen und habe auch nach 1945 als antikommunistische Gegnerforschung berechtigterweise unter Ideologieverdacht gestanden. Die meisten Beiträge des Bändes sind Volkmann zufolge der Südostforschung als Legitimationswissenschaft gewidmet, arbeiten Ideologiegeschichte und Biografien ihrer Protagonisten auf. Gelegentlich gerät die ein oder andere Sicht auf Repräsentanten des Fachs dem Rezensenten zu unkritisch. Auch bemängelt er, dass sich die Autoren des Bandes den Vor- und Nachkriegsexponenten des Fachs menschlich und wissenschaftlich zu stark verbunden fühlen. Trotzdem ist er der Ansicht, dass hier auf hororige Weise eine diffizile historiografische Herausforderung angenommen wurde.

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"The book is a successful project and hopefully will inspire more research in this field. It is a perfect starting point for further research exploring other themes, problems, and taboos in Südostforschung." (Michaela Wagner in Austian History Yearbook 37 /2006)"Edgar Hösch, derzeit an der Spitze des Südost-Instituts, hat die Beschäftigung mit der Südostforschung vor und nach 1945 eine historiographische Herausforderung genannt. Die Verfasser des Bandes haben sie angenommen, wertvolle Einzelergebnisse erzielt und einen richtungsweisenden Wissenschaftsdiskurs eröffnet." (Hans-Erich Volkmann in Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 20.01.2005)
"Edgar Hösch, derzeit an der Spitze des Südost-Instituts, hat die Beschäftigung mit der Südostforschung vor und nach 1945 eine historiographische Herausforderung genannt. Die Verfasser des Bandes haben sie angenommen, wertvolle Einzelergebnisse erzielt und einen richtungsweisenden Wissenschaftsdiskurs eröffnet." (Hans-Erich Volkmann in Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 20.01.2005)