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Als wär's ein Film von ihm von Friedrich Wilhelm Murnau, ein Film wie NOSFERATU oder SUNRISE. Von Reisen handeln viele seiner Filme. Von einem, der auszog ... Seinen Helden machte Murnau es nach. Auf der Yacht "Bali" reiste er 1929 "Büchern und Träumen nach", wie er schrieb, auf den Spuren von Melville und Stevenson, von Kalifornien nach Tahiti. Unterwegs schrieb und fotografierte er. Nur weniges erschien zu seinen Lebzeiten. Alles andere blieb Projekt, Entwurf, Diktat, ging verloren, erhielt sich nur in Bruchstücken von Abschriften wie viele alte Filme, Kopien von Kopien, mit Kratzern und…mehr

Produktbeschreibung
Als wär's ein Film von ihm von Friedrich Wilhelm Murnau, ein Film wie NOSFERATU oder SUNRISE. Von Reisen handeln viele seiner Filme. Von einem, der auszog ... Seinen Helden machte Murnau es nach. Auf der Yacht "Bali" reiste er 1929 "Büchern und Träumen nach", wie er schrieb, auf den Spuren von Melville und Stevenson, von Kalifornien nach Tahiti. Unterwegs schrieb und fotografierte er. Nur weniges erschien zu seinen Lebzeiten. Alles andere blieb Projekt, Entwurf, Diktat, ging verloren, erhielt sich nur in Bruchstücken von Abschriften wie viele alte Filme, Kopien von Kopien, mit Kratzern und Sprüngen. Wie TABU, sein letzter Film, den er zum Schluss dieser Reise drehte, auf den Inseln vor und unter dem Wind.
Kurz vor der Premiere verunglückte Murnau tödlich. Unter dem Titel "Südseebilder" hat Enno Patalas Texte und Fotos aus dem Murnau-Nachlass zusammengetragen, anderwärts auch unverwendetes Filmmaterial entdeckt, übersetzt, redigiert, illustriert und kommentiert. Fakten und Fiktionen, oft ebenso schwer zu unterscheiden wie in Murnaus Filmen. Das Überschreiten von Grenzen ist ihr Thema und ihr Prinzip.
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Autorenporträt
Enno Patalas gründete 1957 die Zeitschrift "Filmkritik", schrieb in den 60er Jahren außerdem vor allem für die Zeit und die Süddeutsche Zeitung und 1962 zusammen mit Ulrich Gregor eine Geschichte des Films. Von 1963 bis 1994 leitete er das Münchner Filmmuseum.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.01.2006

Südseebilder

Am 30. November 1929 erschien in der Berliner Illustrierten eine vielversprechende Fotografie: "Der Filmregissör F.W. Murnau auf Deck der Segeljacht Bali, am Reisetagebuch arbeitend". Herausfordernd blickt Murnau in die Kamera, das Hemd und die Mütze sind glänzend weiß, das Blatt Papier, das in die Schreibmaschine gespannt ist, ebenso. Er ist unterwegs in die Südsee, um einen unabhängigen Film zu drehen. Für die Finanzierung von "Tabu" sind auch kleinere Beträge aus Deutschland nützlich. Er verspricht ein abenteuerliches "Making of", mit sich selbst in der Rolle des Helden und Autors.

Im Nachlaß, der im Jahr 2004 in den Besitz der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung gelangte, fand sich tatsächlich ein Bericht über "Meine Fahrt zu den glücklichen Inseln", dessen Redaktion jedoch offensichtlich nicht Murnau selbst verantwortete, sondern sein Bruder Robert Plumpe. In der Literatur, zum Beispiel bei Lotte Eisner, wird dieser Text als Quelle benützt, ohne daß die entsprechende Textkritik ausreichend berücksichtigt worden wäre. In dem Buch "Südseebilder" legt der Herausgeber Enno Patalas nun eine Edition der Materialien aus dem Murnau-Nachlaß vor, die sich auf die Entstehung von "Tabu" beziehen. Er montiert dabei das einzige vollständig authentische Dokument, einen Brief von Murnau an Salka und Berthold Viertel, mit zwei überlieferten Fassungen des Südsee-Tagebuchs, von denen eine in der Wir-Form und die andere in der ersten Person Singular formuliert ist. Beide gehen mittelbar auf Notizen oder Diktate von Murnau selbst zurück, sind jedoch stark bearbeitet und enthalten auch Widersprüche, die Patalas nun offenlegt, anstatt sie zu glätten.

"Tabu" entstand aus der Begegnung zwischen Murnau und dem Dokumentaristen Robert Flaherty ("Nanook of the North"). Der deutsche Filmkünstler hatte 1926 für William Fox in Hollywood mit allen künstlerischen Freiheiten "Sunrise" gedreht und dabei seinem Ruf als "German Genius" alle Ehre gemacht. Die Produktion der nachfolgenden Filme "4 Devils" und "Our Daily Bread" erwies sich jedoch als kompliziert, woraufhin 1929 der Vertrag mit der Fox aufgelöst wurde, und Murnau sich als "Independent" versuchte.

Am 12. Mai 1929 legte die Bali südlich von Los Angeles ab, mit sieben Mann an Bord und der einschlägigen Literatur: Joseph Conrad, Herman Melville, Robert Louis Stevenson. Im mexikanischen Mazatlán hat Murnau ein kurioses Erlebnis. Im Kino sieht er einen deutschen Film, an dessen Titel er sich später nicht mehr genau erinnern kann, wohl aber an den Namen des Regisseurs: Es ist sein eigener. "Um Gottes willen, was kann das sein? - nichts ist es, ein Schmarren, mir unbekannte Schauspieler in einer unbekannten Geschichte, ein Verkaufstrick wahrscheinlich der Ufa, zu dumm."

Murnau ist inzwischen von beiden Welten weit entfernt, von Hollywood und von der deutschen Filmwirtschaft. Er brütet über einer Geschichte, die seine frühere Südseephantasie "Moana" kritisch hinterfragen sollte. Der Konflikt zwischen Natur und Kultur sollte nun im Mittelpunkt stehen. "Auf Fatu Hiva fand ich Matahi, einen großartig gewachsenen Eingeborenen, eine Marathonfigur mit klassischem Kopf und klugem Gesichtsausdruck. ,Das ist der Darsteller der Hauptrolle', rief ich aus. Ich hatte den Plan gefaßt, über das ,Tabu' - über das Problem, daß die Menschen sich selbst Tragödien schaffen müssen, wenn das Schicksal ihnen großmütig gesinnt ist - einen Film herzustellen."

Zu diesem Film steuerte schließlich Flaherty das zentrale Motiv bei. Er hatte auf Samoa von Dorfjungfrauen gehört, auf denen ein Tabu lag. Daraus entwickelte Murnau den Konflikt in "Tabu". Die Zivilisationskritik bekam ein konkretes Thema bei einer Begegnung mit Mormonen-Missionaren auf Takaora, die dort in den Auseinandersetzungen zwischen chinesischen Händlern und lokalen Perlentauchern vermittelten. Murnau übernahm, nachdem er sich mit Flaherty in vielen Fragen nicht einig werden konnte, die alleinige Fertigstellung des Films "Tabu". 1931 kam in New York eine Fassung in die Kinos, die sehr erfolgreich war. Bis heute ist jedoch ein großer Teil des Materials, das in der Südsee gedreht wurde, noch auszuwerten.

"Südseebilder" enthält im zweiten Teil eine "Continuity", ein schriftliches Protokoll, das während der Arbeit am Schnitt entstand und detaillierte Einblicke in die Varianten von "Tabu" gibt. Für "Murr" war der Aufenthalt auf den "glücklichen Inseln" eine überwältigende Erfahrung: "Ich bin behext von diesem Land." In "Tabu" ist diese Magie in jeder Einstellung zu spüren, in Patalas' Buch bekommt sie eine (text)kritische Tiefenschicht.

BERT REBHANDL

Friedrich Wilhelm Murnau: "Südseebilder". Texte, Fotos und der Film Tabu. Ausgewählt, bearbeitet und kommentiert von Enno Patalas. Bertz + Fischer, Berlin 2005. 220 Seiten, 82 Abb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 29.12.2005

Auf der Suche nach der Insel der Glücklichen
In dem traumhaften Kinobuch „Südseebilder” macht Enno Patalas Murnaus Film „Tabu” wieder lebendig
Erfahrungen, die nicht zu wiederholen sind, Jungfräulichkeit der Empfindungen: Die letzte Südseeinsel, ein letzter Sonnenuntergang, eine letzte Liebe. Die letzten Drehtage eines Films . . . Aus einem Brief, den der Filmemacher Friedrich Wilhelm Murnau aus der Südsee schrieb, im Sommer 1930: „Ich leide schon jetzt, wenn ich mir vorstelle, dass ich hier fort soll, alle Qualen des Abschieds . . . Wenn ich abends auf meiner Haustreppe sitze und auf das Meer sehe und nach Moorea hinüber, wenn das Riff donnert, Brandung nach Brandung, wenn man dann so unendlich klein wird, dann ertappe ich mich, dass ich möchte: ich wäre zuhause! Aber nirgends bin ich zuhause - das fühle ich, je älter ich werde - in keinem Lande und keinem Haus, in keinem Menschen.”
Diese Heimatlosigkeit des Menschen Murnau. Aber auch: Heimatlosigkeit als filmische Erfahrung. „Tabu” ist fast abgedreht, der letzte Film, bevor Murnau 1931 bei einem Autounfall starb. Im Sommer 1929 hat er ihn konzipiert, gemeinsam mit Robert Flaherty, ein Film der Hoffnungen für beide. Gemeinsam zogen sie den „Büchern und Träumen nach”. Was für eine Begeisterung, Murnau hatte den Schoner Bali gekauft, war aufgebrochen und bis nach Tahiti gefahren, hatte seine Akteure gefunden, Matahi und Anne Chevalier, die das Liebespaar spielen in „Tabu”, und die Insel Bora Bora, wo am 25. November 1929 die Dreharbeiten begannen. Auf einer der kleinen Inseln davor hatte Murnau ein Haus errichtet, wo er wohnen wollte, allen Warnungen zum Trotz, der Ort sei - eine heilige Insel der Vorväter - tabu.
Enno Patalas hat in seinem Band das Drehbuch von „Tabu” herausgegeben, das einzige, das Murnau selbst je schrieb, mit Fotos aus den Kopien von Gerhard Ullmann, und er erzählt die Geschichte des Films. Er zeigt, was Murnau bewegte, was seine Moderne ausmacht: „Murnau folgt der Literatur auf der Suche nach ihren Wurzeln, den Bildern hinter den Bildern, den Geschichten vor den Geschichten.” Man ist, wenn man diese Berichte liest, die bei der Arbeit entstanden, bereits mitten drin im Film - eine Fotoreportage in der Berliner Illustrierten, ein Bericht in der Dame, „Reise zu den Inseln der Glücklichen - Briefe an Salka Viertel”, Murnaus Südsee-Tagebuch, ein merkwürdiges Typoskript. Mit „Sunrise”, seinem ersten Film in den USA, hatte Murnau die ganzen Möglichkeiten der Studiomaschine Hollywood nutzen können - und gemerkt, dass das nicht das ganze Kino war. Hollywood als Apotheose bedeutet immer schon das Zurück zu den Ursprüngen. Die Zusammenarbeit mit Flaherty schien ihm die Zukunft des Kinos zu bedeuten - in der Fremde filmen, die Fremden filmen. Es herrschte Aufbruchstimmung, der Tonfilm war da, man träumte vom Farbfilm, und das panchromatische Material schuf eine plastische Intensität der Bilder, die den Atem raubt: Die Wellen, die Wasserfälle, die tanzenden, fischenden, perlentauchenden Männer und Frauen. Aber bald werden die Divergenzen sichtbar. Flaherty träumt davon, „hinzugehen ohne eine vorgegebene Geschichte irgendwelcher Art”, Murnau will nicht nur die äußere, immer auch die innere, imaginäre Wirklichkeit filmen. Er wird den Film allein beenden. Eine Geschichte vom Tod der Liebe. „Jenseits der großen Wasser werde ich zu dir kommen”, heißt es in einem der letzten Zwischentitel, „in deinen Träumen, wenn der Mond seinen Weg nimmt über die See.”
FRITZ GÖTTLER
Friedrich Wilhelm Murnau: Südseebilder. Texte, Fotos und der Film Tabu. Ausgewählt, bearbeitet und kommentiert von Enno Patalas. Verlag Bertz + Fischer, Berlin 2005. 217 S., 19,90 Euro.
Eine letzte Liebe - Murnau mit seinen jungen Hauptdarstellern
Foto: Verlag
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Fritz Göttler ist sichtlich hingerissen von Freidrich Wilhelm Murnau und dessen letztem Film "Tabu". Dass er auch Enno Patalas' "traumhaften" Band über die Geschichte des Films begrüßt, wird zwar nicht explizit gesagt, kann aber aus Göttlers begeisterter Nacherzählung des Inhalts gefolgert werden. Patalas verdeutliche, dass Murnau nach seinen Hollywood-Erfahrungen mit "Sunrise" für "Tabu" auf der Suche nach den ursprünglichen "Geschichten vor den Geschichten" war. Göttler scheint alles goutiert zu haben, was der Band zu bieten hat: das Drehbuch, Murnaus "merkwürdiges" Südsee-Tagebuch, das Material der Vorarbeiten und Recherchen oder eine Bildreportage von den Dreharbeiten, die in der Berliner Illustrierten erschienen ist.

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"Ein traumhaftes Kinobuch, das Murnaus Film TABU wieder lebendig macht." (Süddeutsche Zeitung)