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Der Sammelband "Südslawisches Wien" diskutiert die Sichtbarkeit und Anwesenheit südslawischer Bevölkerungsgruppen, ihrer Sprachen, Kulturen und künstlerischen Ausdrucksformen in der österreichischen Bundeshauptstadt. Laut Integrationsmonitor der Stadt lebten 2020 rund 180.000 Menschen südslawischer Herkunft in Wien. Sie kommen vor allem aus Bosnien und Herzegowina, Kroatien und Serbien, aber auch aus Slowenien, Bulgarien und Nordmazedonien. Jede_r zehnte Wiener_in ist damit Südslaw_in. Hinzu kommt die autochthone kroatische und slowenische Bevölkerung Österreichs, die in Wien ihre eigenen…mehr

Produktbeschreibung
Der Sammelband "Südslawisches Wien" diskutiert die Sichtbarkeit und Anwesenheit südslawischer Bevölkerungsgruppen, ihrer Sprachen, Kulturen und künstlerischen Ausdrucksformen in der österreichischen Bundeshauptstadt. Laut Integrationsmonitor der Stadt lebten 2020 rund 180.000 Menschen südslawischer Herkunft in Wien. Sie kommen vor allem aus Bosnien und Herzegowina, Kroatien und Serbien, aber auch aus Slowenien, Bulgarien und Nordmazedonien. Jede_r zehnte Wiener_in ist damit Südslaw_in. Hinzu kommt die autochthone kroatische und slowenische Bevölkerung Österreichs, die in Wien ihre eigenen kulturellen Strukturen aufgebaut hat. Die Bundeshauptstadt stellt für alle diese Gruppen einen zentralen kulturellen Bezugspunkt dar. Im Fokus des Sammelbandes stehen zusammenschauend die Wiener südslawische Gegenwart und alle Schauplätze, an denen südslawische Sprachen, Kulturen und Menschen in Wien heute sichtbar werden.
Autorenporträt
Miranda Jakisa ist Universitätsprofessorin für Südslawische Literatur- und Kulturwissenschaft an der Universität Wien. Sie lehrte zuvor an der Humboldt-Universität zu Berlin und hatte Fellowships an der Princeton University, am Imre-Kertesz-Kolleg sowie an der Slowenischen Akademie der Wissenschaften und Künste (ZRC) inne. Miranda Jakisa forscht unter dem Begriff der "Post-Jugoslawistik" insbesondere zu Gegenwartsphänomenen in historischer Perspektive und alle südslawische Kultur-Räume umfassend, zu denen sie auch internationale Diaspora-Gemeinschaften zählt.

Katharina Tyran ist Universitätsassistentin für slawische Philologie (Post-Doc) am Institut für Slawistik der Universität Wien. Sie studierte in Wien und Zagreb und promovierte an der Humboldt-Universität zu Berlin mit einer Arbeit zu Sprach- und Identifikationsdiskursen bei den Burgenländischen Kroat_innen. Ihre Forschungsschwerpunkte beinhalten soziolinguistische Fragestellungen mit einem Fokus auf Schrift und Graphie, Minderheitensprachen und Volksgruppen sowie Sichtbarkeiten südslawischer Sprachen in Österreich.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Michael Martens ärgert sich über Gender-Sterne in einem ansonsten rundum gelungenen Sammelband zu südslawischen Kulturen in Wien: Ein Zehntel der Stadtbevölkerung ist südslawischer Herkunft und so wissen die Herausgeberinnen Interessantes zu berichten. Der Kritiker freut sich besonders über die Geschichte von Miroslav Prstojević, der eine Buchhandlung mit Fokus auf sonst oft eher unterrepräsentierte Literatur aus dieser Region führt. Hoffentlich erfährt dieser Band noch eine Fortsetzung, schließt Martens.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.02.2023

Wo der Balkan beginnt
Ein Band macht mit dem südslawischen Wien bekannt

Es gibt in Bulgarien keinen schöneren Ort zum Leben als Wien, sagt der bulgarische Philosoph Iwan Krastew gern. Er weiß, wovon er spricht, denn er lebt seit vielen Jahren in dieser balkanischen Metropole, die im Nebenberuf Hauptstadt Österreichs ist. Mehr als 180 000 Menschen in dieser Stadt sind südslawischer Herkunft, ein Zehntel ihrer Einwohnerschaft. Rechnet man die ungarische, rumänische, albanische und griechische Diaspora hinzu, verstärkt sich die südosteuropäische Färbung der Stadt noch einmal deutlich. In dem von Miranda Jakisa und Katharina Tyran herausgegebenen Sammelband geht es allerdings allein um das südslawische Element der Stadt, aber dazu gibt es vor Ort wahrlich genug zu sehen, zu hören, zu essen und zu trinken.

Oder zu lesen. In der Buchhandlung "Mi" ("Wir") nämlich, in der Burggasse 84 im siebten Bezirk. Inhaber Miroslav Prstojevic geht auf die achtzig zu und führt sein Geschäft seit 1995. Zwei Jahre vorher war er aus Sarajevo geflohen, wo er ein Vierteljahrhundert lang gelebt hatte. Im "Wir" gibt es vor allem Bücher aus Serbien, Kroatien, Bosnien-Hercegovina und Montenegro. "Das Sortiment übertrifft alles, was Buchläden in Belgrad, Zagreb, Sarajevo oder Podgorica anzubieten haben", heißt es dazu in einem schönen Porträt des Buchladens und seines Inhabers. Was die Quantität des Angebots im "Mi" betrifft, ist das etwas zugespitzt (man schaue sich nur die Verlagsbuchhandlungen von Fraktura oder Ljevak in Zagreb oder einige Bücherläden im Zentrum Belgrads an), aber einzigartig ist die Auswahl im "Mi" tatsächlich. Schon deshalb, weil sie auch Bücher umfasst, die in ihren Ursprungsländern längst nicht mehr lieferbar sind.

Allerdings: Wer im "Mi" ein Buch sucht, sollte Zeit haben. Herr Prstojevic hat fast alles, aber er findet nicht immer alles, zumindest nicht gleich. Aber während er sucht und kramt und räumt oder nachdem er aus dem Lager nebenan zurückgekommen ist, kann man sich herrlich unterhalten und dabei den eigenen Fundus an abseitigem Wissen erweitern. Oder wussten Sie etwa, dass der Vater des im Jahr 2020 in Hamburg gestorbenen SPD-Politikers Freimut Duve ein aus dem kroatischen Osijek stammender Großneffe von Theodor Herzl war und dass die berühmte Brücke von Mostar in der Hercegovina mit Teppichen ausgelegt wurde, als Kaiser Franz Joseph 1910 über sie spazierte? Na also.

Nur Bücher, die er für nationalistisch hält, führt Prstojevic nicht. Was nationalistisch ist, bestimmt er. Da dieser südslawische Buchmendel aber ein weitreichendes Verständnis von Meinungsfreiheit hat, muss man sich schon sehr anstrengen, um auf seinen Privatindex zu gelangen. Nicht einmal der Oberwahlserbe Emir Kusturica hat es geschafft, da Prstojevic glaubt, dass auch die Unduldsamkeit von dessen Heimatstadt Sarajevo den Regisseur und Autor zu dem Pro-Putin-Krakeeler gemacht hat, der er ist.

Andere Beiträge dieses Buches befassen sich mit Wien in der deutsch-südslawischen Rapkultur, mit der Sichtbarkeit von Fluchtbiographien in der Stadt oder mit den Spuren, die die Zuwanderung aus Südosteuropa sprachlich hier hinterlassen habt. Das alles ist höchst spannend, man lernt viel über die Stadt. Als enervierend dürften einige indes die konsequente Bestirnung dieser Anthologie empfinden. Die liest sich dann zum Beispiel so: "Jede*r zehnte Wiener*in ist (...) Südslaw*in."

Da möchte man den beiden klugen Herausgeberinnen am liebsten zurufen: Ja, musste das denn sein!? Und bekäme vermutlich zur Antwort: Es musste. Denn das Buch wurde von der Stadt Wien, der Österreichischen Forschungsgemeinschaft sowie dem Zukunftsfonds der Republik Österreich gefördert, und da müssen eben die Sternlein prangen. Spannend und interessant ist dieses Buch über Balkan-Wien aber trotzdem und allemal. Es gäbe gewiss genug Stoff für einen zweiten Teil. MICHAEL MARTENS

Miranda Jakisa und Katharina Tyran (Hg.): "Südslawisches Wien". Zur Sichtbarkeit und Präsenz südslawischer Sprachen und Kulturen im Wien der Gegenwart.

Böhlau Verlag, Wien 2022. 359 S., Abb., geb., 39,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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